Das schönste Weihnachtsgeschenk, das Fabrice Halidou jemals bekommen hat, war ein Brief der BMW Group. Im Dezember 2017 teilte der Autobauer dem jungen Mann aus Magdeburg mit, dass er den Aufnahmetest erfolgreich bestanden hat – und bald im Leipziger Werk eine Berufsausbildung zum Industriemechaniker mit Abitur beginnen kann.
Grünau war zu weit weg vom Ausbildungsort
Vier Jahre dauert diese Ausbildung. Als Fabrice in diesem Sommer anfing, hatte er gleich noch mal Glück. Denn der 16-Jährige gehörte zu den Ersten, die in den Genuss einer neuen Kooperation zwischen dem Leipziger BMW-Werk und der hiesigen Wohnungsgenossenschaft Kontakt kamen.
„Die BMW Group hatte ihre Lehrlinge früher in einem Wohnheim in Grünau untergebracht“, erzählt Kontakt-Vorstand Jörg Böttger. „Aber das war doch ziemlich weit weg vom Werk in Seehausen. Als sie dann hörten, dass wir einen 16-Geschosser in Mockau sanieren und hier auch einen Concierge-Service einrichten, kamen sie auf uns zu.“ Für zwei Millionen Euro wurde das Hochhaus in der Simon-Bolivar-Straße 90 hergerichtet. Seit Juli zogen insgesamt 17 Lehrlinge aus dem nur sechs Kilometer entfernten Produktionsstandort ein, der zu den modernsten und nachhaltigsten Automobilfabriken weltweit zählt.
Windräder und Werk vom Fenster aus zu sehen
„Von meinem Fenster aus sehe ich sehr gut die vier Windräder, die das Werk zu einem erheblichen Teil mit Öko-Strom versorgen“, berichtet Johannes Schäfer, der aus Steigra im Saalekreis stammt. Der 22-Jährige hatte zunächst eine Tätigkeit im Steuer- und Finanzbereich angefangen, dann aber gemerkt, dass ihm das nicht wirklich liegt. Nun lernt er gleich neben den vier Windrädern etwas ganz Praktisches: nämlich Fertigungsmechaniker. „Wir haben da zum Beispiel eine Werkstatt, in der auch Teile für die Anlagen und Maschinen vor Ort gefräst oder anders hergestellt werden“, sagt er stolz.
Manche Lehrlinge haben eine kleine Wohnung für sich allein, andere teilen sich eine als Wohngemeinschaft (WG), erläutert Mirjam Schulze vom Concierge-Team des Hochhauses. „Wie bei allen anderen Mietern auch stehen wir ihnen gern mit Rat und Tat zur Seite, nehmen Pakete an oder geben Informationen zur Stadt.“ Gegen einen Obolus könne man sich sogar frische Brötchen bringen, Blumen gießen oder die Wäsche waschen lassen. Im Unterschied zu den 118 anderen Wohnungen erhielten die Lehrlinge jedoch möblierte Zimmer mit einem „Rundum-sorglos-Paket“: In einer Pauschalmiete sind dabei alle weiteren Kosten (wie Heizung, Wasser, Internet, TV, Hausrat- und Privathaftpflichtversicherung) inbegriffen. „Vertragspartner ist nicht BMW, sondern jeder Auszubildende selbst“, ergänzt Mandy Immisch, die Marketingverantwortliche der größten Leipziger Wohnungsgenossenschaft.
Gleiches Konzept für zweites Hochhaus in Mockau
Die 17 Lehrlinge im Haus haben eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe gegründet, verabreden sich über den Kurznachrichten-Dienst zum Kochen, zum Erkunden Leipzigs oder auch mal zu kleinen Partys. „Ich fühle mich hier total wohl, fahre aber noch fast jedes Wochenende nach Hause“, erzählt Johannes. Indes bleibt Fabrice auch am Wochenende hier.
Da es noch acht feste Reservierungen gibt, habe die Kontakt jetzt nur noch ganz wenig Leerstand in dem Hochhaus, freut sich Vorstand Böttger. „Als nächstes wollen wir unser zweites Mockauer Hochhaus in der Komarowstraße 1 nach dem gleichen Modell modernisieren. Und dort ebenfalls BMW-Azubis einquartieren.“
Von Jens Rometsch