Wohnungsbrand in der Leipziger Südvorstadt: Drama an der Karli

Gleich zwei Bewohner des Zwölfgeschossers an der Ecke Karl-Liebknecht-/Scharnhorststraße mussten am Montagmorgen tot geborgen werden: Ein etwa 50-jähriger Mann starb, als in seiner Wohnung Feuer ausbrach und er aus einem Fenster der zehnten Etage sprang ; ein weiterer Hausbewohner wurde in der Etage darüber tot entdeckt, als die Hausbewohner evakuiert wurden. Beide Todesfälle hätten nichts miteinander zu tun, heißt es bei den Ermittlern. „Nicht springen, nicht springen! Die Feuerwehr kommt!“: Zeitungsausträger Uwe Ernst ist am Montagfrüh um 5.30 Uhr von der Arbeit zurück in seine Wohnung gekommen, die in der fünften Etage des Hochhauses liegt. „Ich war in meiner Küche, als ich über mir Geschrei, Gepolter und Krach hörte“, erzählt der 63-Jährige später. „Dann waren durch das offene Fenster Schreie einer Frau zu hören, die auf der Straße stand. Sie rief: Nicht springen, nicht springen! Die Feuerwehr kommt!“ „Dann rauschte ein Schatten an mir vorbei“: Als Uwe Ernst zu der Frau auf der Straße schaut und sich aus dem Fenster beugt, sieht er die Qualmwolken, die an der Scharnhorststraßen-Seite aus einem Fenster in der zehnten Etage dringen. „Dann rauschte ein Schatten an mir vorbei und schlug unten auf dem Boden auf“, erzählt er. „Es war der Mann, der oben aus dem Fenster der brennenden Wohnung gesprungen war. Er blieb unten liegen und es war überhaupt kein Blut zu sehen. Es sah aus, als ob dort ein Betrunkener umgefallen wäre.“ Die inzwischen eingetroffene Feuerwehr versorgt den Mann sofort medizinisch, doch er stirbt noch am Ort des Geschehens an seinen schweren Verletzungen. Zweite Leiche lag schon länger in einer Wohnung: Auch andere Bewohner haben das Drama bemerkt. „Ich habe die Rufe gehört und den Qualm gesehen“, erzählt die 21-jährige Clara Lilli Schorcht aus der dritten Etage. „Da habe ich mir meinen Bademantel übergezogen, meine Bratsche und meine Ausweise genommen und bin die Treppe runter aus dem Haus.“ Im Freien sammeln sich die Hausbewohner auf der Wiese des Nachbargebäudes und verfolgen von dort, wie die Feuerwehr zum Brandherd vordringt. Während der Brandbekämpfung läuft das Löschwasser auch den Treppenaufgang hinunter. Die Hausbewohner hören, wie sich die Retter untereinander verständigen. Die nächste Nachricht macht die Runde: Eine weitere Leiche wurde gefunden. „Die Auffindesituation spricht dafür, dass die Person schon länger verstorben war“, erklärt Polizeisprecher Philipp Jurke. Wie sich später herausstellt, befand sich die zweite Leiche nicht in der Wohnung direkt über dem Brandherd, sondern in einer anderen, deren Fenster an der Karl-Liebknecht-Straße liegen. Der zweite Tote kann also nicht an einer Rauchvergiftung erstickt sein. In der zehnten Etage zeigen sich die Nachbarn des in den Tod Gesprungenen schockiert. „Der Mann war immer sehr ruhig“, erzählt eine junge Frau. „Er war so um die 50 Jahre alt.“ Direkt unter dem Mann wohnt Acikalin Dogan. Noch Stunden nach dem Feuerwehreinsatz fließt bei dem 48-Jährigen Löschwasser von oben in die Wohnung, alle Wände triefen vor Nässe und ein beißender Qualmgeruch macht das Atmen fast unmöglich. „Ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll“, sagt Dogan. Gebäude erst 2016/17 saniert: Zu diesem Zeitpunkt sind schon mehrere Mitarbeiter des stadteigenen Großvermieters LWB dabei, die Schäden im Haus aufzunehmen. „Derzeit gehen wir davon aus, dass nach dem Brand drei Mietbereiche nicht mehr bewohnbar sind“, erklärt LWB-Sprecherin Samira Sachse am Mittag. „Wir haben uns um die Unterbringung der Betroffenen gekümmert. Wir können im selben Haus eine freie Wohnung zur Verfügung stellen; ein Mieter ist zunächst zu Verwandten gezogen.“ Zur Schadenshöhe könne man noch nichts sagen. Das Gebäude war erst 2016/17 saniert worden. Von Andreas Tappert und Frank Döring