Leipzig-Connewitz: Ausschreitungen in dritter Nacht in Folge

Am Ende haben sich die Befürchtungen bestätigt: Auch am dritten Tag in Folge kam es in Leipzig im Zuge einer Demo zu Ausschreitungen. Nachdem bereits am Donnerstag in Neustadt-Neuschönefeld und am Freitag in Connewitz Proteste gegen durch die Polizei beendete Hausbesetzungen aus dem Ruder gelaufen waren, krachte es diesmal wieder im linksalternativen Süden. Beim im Vorfeld angemeldeten Aufzug „Kämpfe verbinden - Für eine solidarische Nachbar*innenschaft“ flogen zwischenzeitlich Pyrotechnik und Steine in Richtung der Einsatzkräfte. Die Polizei reagierte mit einem Großaufgebot und setzte am Abend immer wieder Verdächtige fest. Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (Linke) reagierte noch am Samstagabend mit deutlichen Worten auf die erneute Eskalation: „Es ist inakzeptabel, dass am dritten Tag in Folge derartige Ausschreitungen in Leipzig zu verzeichnen sind. Natürlich ist die Entwicklung des Wohnungsmarktes und die Mietpreisentwicklung in Leipzig ein Sachverhalt, den man kritisch sehen muss und gegen den man sich auch aktiv engagieren kann. Allerdings sind Gewaltanwendung, Angriffe auf die Beamtinnen und Beamten der Polizei, Kolleginnen und Kollegen der Stadt Leipzig und Verstöße gegen das Versammlungsrecht keine Antwort und auch niemals eine Lösung!“ Die Versammlungsbehörde habe die Demo in engem Kontakt mit Kollegen vor Ort und dem Polizeipräsident Torsten Schultze beendet. Grund seien erhebliche Verstöße gegen die erteilten Auflagen kurz nach Beginn des Aufzugs gewesen. Connewitz-Demo läuft nur kurz: Gegen 20 Uhr hatten sich am Hildebrandpark über 500 Demonstrierende versammelt. Redner verlasen Versammlungsauflagen und Corona-Schutzmaßnahmen, gedachten der Opfer von rassistischer Gewalt in den USA und trugen ein Grußwort der „Luwi71“-Aktivisten vor, die bis zum Mittwoch ein leerstehendes Wohnhaus in Neustadt-Neuschönefeld beansprucht hatten. Eigentlich sollte es dann gegen 20.45 Uhr über die Meusdorfer Straße zum Connewitzer Kreuz, weiter zur Wiedebach- und Zwenkauer Straße gehen. Doch der von einem Kamerawagen und Einsatzkräften der Polizei begleitete Zug kam bereits früh wieder zum Stehen. Nachdem bereits auf den ersten Metern Pyrotechnik wie Rauchtöpfe, Böller und Bengalos gezündet worden waren, wurde es an der Kreuzung Meusdorfer Straße/Wolfgang-Heinze-Straße plötzlich unübersichtlich. Zeugen berichteten, dass ein Haus und dessen Balkon mit Pyrotechnik beworfen worden war. Polizei setzt Verdächtige fest: In der Folge gerieten Demoteilnehmer mit der Polizei aneinander. Es flogen Böller und Steine. Schon kurz darauf, gegen 21 Uhr, wurde die Versammlung offiziell für beendet erklärt, auch wenn ein Sprecher auf Seiten der Demonstranten noch versuchte, deeskalierend einzuwirken: „Bleibt ruhig, passt auf eure Nachbarn auf. Wir wollen keine Verletzten heute!“ Doch die Bemühungen waren vergebens. Aufgrund der „unfriedlichen Situation“ sei die Versammlung laut Polizeisprecherin Mandy Heimann für aufgelöst erklärt worden. Die Demonstrierenden verteilten sich nach der Auflösung ähnlich wie an den vergangenen beiden Tagen in den Seitenstraßen, während die Polizei immer wieder in größeren Gruppen ihre Stellungen verschob und einzelne Verdächtige festsetzte. In den späten Abendstunden entspannte sich die Lage in Connewitz langsam. Größere zu diesem Zeitpunkt friedliche Menschenansammlungen waren nur noch im Umfeld des „linxxnet“-Jubiläums am Connewitzer Kreuz sowie an der Kreuzung Bornaische Straße/Stockartstraße anzutreffen. Die Polizei war hingegen vor allem im südlichen Bereich der Wolfgang-Heinze-Straße, wo die Demo gestoppt worden war, weiterhin mit einer Vielzahl an Einsatzkräften vor Ort. Immer wieder wurden zudem im Viertel Verdächtige festgesetzt und kontrolliert. Polizeiwagen brennt in Lindenau: Gegen Mitternacht kam es dann laut Polizei noch einmal zu einer „Spontanversammlung“ unter dem Motto „Lasst die Leute aus der Gesa“. Etwa 30 Menschen sollen daran teilgenommen haben. Die Gruppe bewegte sich von der Karl-Liebknecht-Straße zum Wilhelm-Leuschner-Platz. Dort stieß eine weitere Gruppe Demonstrierender von ebenfalls etwa 30 Personen hinzu, wie die Polizei mitteilt. Im Laufe des Abends zündeten unbekannte Täter einen Funkstreifenwagen auf dem umzäunten Gelände des Polizeiverwaltungsamts in Leipzig-Lindenau an. Die Feuerwehr löschte den Brand. Die Ermittlungen zu den genauen Umständen des Brandes dauern noch an, wie die Polizei mitteilte. Polizeihubschrauber bis in die frühen Morgenstunden im Einsatz: Zu weiteren Fällen von Vandalismus ist es in den frühen Morgenstunden gekommen. Gegen 1.30 Uhr hielten mehrere Personen eine Straßenbahn in der Bornaischen Straße/Höhe Pfeffinger Straße an und besprühten sie mit Graffiti, so die Polizei. Außerdem sollen die Unbekannten Barrikaden im Umfeld errichtet haben und mehrere Mülltonnen sowie einen Einkaufswagen angezündet haben. Laut Polizeiangaben waren etwa 150 Personen vor Ort, die sich bei Ankunft der Beamten in die anliegenden Seitenstraßen zurückzogen. Aufgrund des Einsatzes blieb der Polizeihubschrauber bis in die frühen Morgenstunden des Sonntags in der Luft, um Bilder vom Geschehen zu liefern. Insgesamt wurden gegen 15 Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet, unter anderem wegen Landfriedensbruch, Sachbeschädigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Großaufgebot der Polizei in Connewitz: Trotz der Erfahrungen der vorangegangenen Tage hatte Polizeipräsident Schultze auf einen friedlichen Verlauf des Samstagabends gehofft. Für eine mögliche Eskalation wollte man dennoch gewappnet sein und mit Unterstützung mehreren Hundertschaften der sächsischen Bereitschaftspolizei, weiteren Kräften der Bundespolizei und aus Thüringen sowie bereitgestellten Wasserwerfern Präsenz zeigen, wie Schultze noch am Samstagnachmittag in einem spontan einberufenen Pressegespräch erläutert hatte. Die Bilder aus dem Leipziger Osten vom Donnerstag, wo sich die Einsatzkräfte über Stunden Scharmützel mit Randalierenden lieferten, und vom Krawall am Freitag in Connewitz, bei dem acht Polizisten verletzt wurden, sollten sich auf keinen Fall wiederholen. Aus Politikkreisen hatten sich am Samstag Distanzierungen von den Gewaltausbrüchen gehäuft. Leipzigs Oberbürgermeister bezeichnete die Ausschreitungen als Rückschlag für die Debatte um bezahlbaren Wohnraum. Demo-Organisatoren bedauern Eskalation: Nach den Ausschreitungen haben sich die Organisatoren von „Kämpfe verbinden“ auf ihrer Internetseite zu Wort gemeldet und die Eskalation bedauert. Vor allem von einem Steinwurf in eine Wohnung an der Ecke Wolfgang-Heinze Straße/Meusdorfer Straße distanzierten sich die Organisatoren. Dazu heißt es in ihrer Stellungnahme: „Wir können es nicht gutheißen, wenn unbeteiligte Menschen einer solchen Gefährdung ausgesetzt werden!“ Darüber hinaus kritisieren die Demo-Veranstalter jedoch auch die „offensive“ Polizeistrategie und das in ihren Augen unverhältnismäßig aggressive Vorgehen der Beamten. Von anzi/jr/mot