Leipziger Stadtrat beschließt Haushalt mit 600 Investitionen über 600 Millionen Euro

Wie ein Versprechen liegen zwei zentrale Themen über dem Doppelhaushalt für die Jahre 2021/22: „Die Pandemie bewältigen – den Klimawandel meistern“ – so hatte die Stadtverwaltung das ambitionierte Ziel dieses Rekordhaushaltes überschrieben. Rekord, weil am Ende dieser Haushaltsperiode eine Rekordneuverschuldung von rund einer halben Milliarde Euro stehen wird. Dass der Stadtrat dennoch – bis auf die AfD – geschlossen seine Zustimmung gab, bezeichnete Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) am Ende der vierstündigen Debatte am Mittwoch in der Kongreßhalle als „ein starkes und ein gutes Zeichen“. Zur Wahrheit gehöre aber auch, so Jung, „der Turnaround muss 2022 geschafft werden, sonst wird es ganz, ganz schwierig für uns“. Er vertraue darauf, dass die Wirtschaft in einem Jahr wieder anspringt. Investitionen von 600 Millionen Euro: Wie berichtet, waren seit dem vergangenen Jahr die kommunalen Ausgaben aufgrund der Corona-Pandemie stark explodiert, während die Steuereinnahmen, vor allem die Gewerbesteuer, massiv wegbrachen. In diesem Jahr „werden wir noch einmal etwas Dürre erleben“, prognostizierte der Rathauschef. Er hoffe jedoch, dass Leipzig 2022 dann wieder an das Wachstum von 2019 anknüpfen könne. Lesen Sie hier einen Kommentar zum Beschluss des Stadtrates: Der Weg ist riskant, aber notwendig Mehr als zwei Milliarden Euro wird die Stadt in jedem der beiden nun folgenden Jahre umsetzen – und damit mehr Geld ausgeben, als die Kommune einnimmt. Ein wesentlicher Grund: Mit 603 Millionen Euro in diesem und 638 Millionen Euro im kommenden Jahr werden die Steuereinnahmen deutlich unter denen vor der Pandemie liegen (2019: 677 Millionen Euro). So plant der Kämmerer für 2021 mit einem Etatdefizit von 53 Millionen Euro, für das kommende Jahr mit einem Haushaltsloch von 89 Millionen Euro. Die Kreditaufnahmen für Investitionen belaufen sich auf zusammen 481 Millionen Euro. Damit will Leipzig 600 Millionen Euro in Umwelt- und Klimaschutz, Mobilität, Bildung, digitale Infrastruktur und Wirtschaftsförderung stecken. Einen hohen Stellenwert nehmen bei den Vorhaben auch Wohnungsbau, Gesundheit, Kultur und Sport sowie der Ausbau von Kindertagesstätten- und Schulkapazitäten ein. 250 Einzelanträge der Stadtratsfraktionen: Allein 250 Einzelanträge zu dem vor vier Monaten von der Verwaltung vorgelegten Etatentwurf kamen aus den Fraktionen, dazu noch 100 Anträge von Ortschafts-und Stadtbezirksbeiräten. Die mit ihnen verbundenen Ausgaben summierten sich auf 124 Millionen Euro. Über sie wurde zum Teil heftig debattiert und dann abgestimmt. Es dürfte in der Geschichte des Stadtrates wohl einmalig sein, dass weit mehr als die Hälfte davon durchkamen, zumal diese Extra-Wünsche durch Kredite finanziert werden müssen. Kämmerer: Schuldenverdoppelung muss Ausnahme bleiben: Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU): „Ich bin dennoch der Meinung: Leipzig braucht diesen Haushalt – ohne Kürzungen, mit massiver Steigerung der Investitionen. Wir müssen die Gesellschaft zusammenhalten und die Wirtschaft stärken.“ Er müsse aber als Kämmerer eindringlich vor einem Gewöhnungseffekt warnen. Die Verdoppelung der städtischen Schulden auf 1,2 Milliarden Euro in nur zwei Jahren „muss die extreme Ausnahme bleiben“. Der Stadtrat müsse sich dringend darüber verständigen, „wie wir diesen massiven Schuldenanstieg stoppen und ab wann wir diese Schulden im Interesse unserer Kinder und Kindeskinder zurückzahlen“. Es werde zu Recht viel über Nachhaltigkeit in Bezug auf Mobilität, Energie, Bauen, Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Gewässer debattiert. „Wo wir noch Potenzial haben, sind die Diskussionen über finanzielle Nachhaltigkeit“, sagte Bonew. Debatte über Hilfe für Einzelhandel: Ein breiten Teil der Debatte nahm am Mittwoch die Situation des Einzelhandels ein, der nach einer vorsichtigen Öffnung vor zwei Wochen an diesem Donnerstag erneut schließen muss. Gerade kleine und mittelständische Betriebe seien in ihrer Existenz bedroht, hob Siegbert Droese (AfD) hervor. Seine Fraktion hatte daher einen Hilfsfonds für den Leipziger Einzelhandel mit einem jährlichen Volumen von einer Million Euro beantragt. Der Vorschlag fiel durch. „Es ist nicht damit getan, einen Fonds zu machen und dann bekommt jeder mit der Gießkanne ein paar Euro“, wandte Christopher Zenker (SPD) ein. Da kämen für jeden 170 bis 200 Euro im Jahr heraus. „Das ist eine Summe, die hilft denen weder beim Überleben noch beim Sterben.“ Schließlich fand ein Vorschlag von SPD und CDU eine Mehrheit, der auf eine Wiederbelebung der Innenstadt, Stadtteilzentren und Magistralen abzielt. Jährlich stehen nun 500 000 Euro zur Verfügung, unter anderem um zusätzliche Märkte und Veranstaltungen sowie Projekte von Händlern und Gewerbetreibenden zu unterstützen. Es gehe jetzt darum, sagte der Finanzbürgermeister, die beschlossenen Investitionen schnell auf den Weg zu bringen und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Bonew: „Nur die Wirtschaft wird Steuern generieren und dabei die Voraussetzungen für die Gesundung des Leipziger Haushaltes schaffen.“ Von Klaus Staeubert