Stadtrat bestätigt: Naturkundemuseum Leipzig zieht in Ex-Bowlingtreff

Es wird ein Museum mit Tiefgang: Der Stadtrat hat am Mittwoch einstimmig bei neun Enthaltungen von AfD-Abgeordneten beschlossen, dass der ehemalige Bowlingtreff mit seinen unterirdischen Anlagen auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz das neue Domizil für ein modernes Leipziger Naturkundemuseum werden soll. Damit dürfte Museumschef Ronny Maik Leder ein Stein vom Herzen gefallen sein, der nach dem gescheiterten Plänen, das Museum in der Halle 7 auf dem Areal der Baumwollspinnerei zu entwickeln, auf eine Entscheidung gedrängt hatte. Sein Konzept, mit dem Museum den Sprung in die Champions League zu schaffen, könne er dort gut umsetzen. Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke (Linke) sprach davon, dass sowohl Museum als auch Bowlingtreff „für die Seele der Leipziger hochsensible Gebäude“ seien. „Nun haben wir die Chance, beide zusammenzuführen.“ Dennoch bleiben viele Fragen offen. So ist unklar, wie die Stadt die prognostizierten Kosten von gut 38 Millionen Euro stemmen will. Klar ist, dass sie dabei auf Fördermittel angewiesen ist. Stadtrat Jörg Kühne (AfD) sprach deshalb von einem „finanziell risikoreichen Projekt“. Archivlösung auf Alter Messe? Doch das wollten die anderen Fraktionen nicht gelten lassen. Grünen-Fraktionschefin Katharina Krefft schwärmte regelrecht von einem „innovativen Museumskonzept von überregionaler Bedeutung“. Das sei wegweisend, international beachtlich und auch hochattraktiv für Stifter. „Es war wie ein Wink des Schicksals, dass sich die Spinnerei als nicht tragfähig erwiesen hat“, sagte Sven Morlok (FDP). Denn das Museum gehöre mitten in die Stadt mit guter Verkehrsanbindung. Dafür seien die Kosten vertretbar, zu denen noch mindestens 16 weitere Millionen Euro kommen. Denn für Depot und Werkstätten des Museums gibt es im Bowlingtreff keinen Platz. Wahrscheinlich wird dafür nun das bisherige Domizil am Goerdelerring ausgebaut. Darüber hinaus ist eine Archivlösung auf der Alten Messe im Gespräch. „Die Kosten für den Bau steigen“: „Der Wilhelm-Leuschner-Platz wird in den nächsten Jahren zu einem modernen Viertel entwickelt und das Naturkundemuseum rundet den Nutzungsmix ab“, betonte Christina März (SPD). Mandy Gerds (Linke): „Die Kosten für den Bau steigen – deshalb müssen wir uns ranhalten.“ Sie erinnerte daran, dass der Bowlingtreff bereits 2013 als Ergebnis einer Machbarkeitsstudie Favorit für die Unterbringung des Museums gewesen sei. Die CDU will prüfen, ob der 1925 als Umspannwerk der Städtischen Elektrizitätswerke erbaute untere Teil des Hauses wirklich dicht sei und dort kein Wasser eindringen kann. Ihr Einwand: Eine große Zahl elektrischer Kabel wird durch die Außenmauern geführt. Sollte dort wirklich Wasser eindringen, wären die jetzigen Baukosten nicht realistisch. Das Bauen einer neuen weißen Wanne würde den jetzigen Kostenrahmen sprengen, hieß es. „Wir wollen vermeiden, dass wir ein neuerliches Debakel wie in der Spinnerei erleben“, argumentierte Karsten Albrecht (CDU). Daher sei ein Baugutachten notwendig. Das sicherte Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) zu. Bowlingtreff seit 22 Jahren leer: Der ehemalige Bowlingtreff steht seit 22 Jahren leer. Der Zustand des Gebäudes ist laut Verwaltung dennoch außerordentlich gut. Rund 5500 Quadratmeter groß könnte das neue Domizil für die Natur-Sammlungen werden. Geplant ist, dass ins Obergebäude Verwaltung und Gastronomie einziehen. In den Untergeschossen gibt es eine Ost- und eine Westhalle. In der Osthalle ist Platz für Sonderschauen und Veranstaltungen, gegenüber soll die Dauerausstellung ihren Platz finden. Ein Plus der künftigen naturwissenschaftlichen Bildungsstätte wird die Raumhöhe sein, etwa für Objekte wie eine Skulptur aus Tierpräparationen. Leder möchte zudem Unterwasserwelten zeigen, etwa in Erinnerung an das Forschungsdampfschiff „Valdivia“, mit dem der Leipziger Meereskundler Carl Chun vor 122 Jahren zur ersten deutschen Tiefsee-Expedition aufbrach. Bis das neue Museum Gestalt annimmt, vergehen noch viele Monate. Die Verwaltung muss zunächst bis Ende 2021 einen Planungsbeschluss vorlegen. Erst danach wird der Ausbau des Ex-Bowlingtreffs in den Haushalt der Stadt eingeordnet. Museumschef Leder muss seine Konzeption nun dem neuen Standort anpassen. Lesen Sie auch: Leipziger Naturkundemuseum zieht in Ex-Bowlingtreff Stadträte mahnen Finanzierungskonzept für den Bowlingtreff an Wieder daheim: Atlantische Walrossdame kehrt nach Leipzig zurück. Von Mathias Orbeck