Im Streit um den neuen Leipziger Thomaskantor stärkt Bachfest-Intendant Michael Maul dem einstimmig gewählten Andreas Reize den Rücken.

Im Streit um die Wahl des Schweizers Andreas Reize zum Thomaskantor hat sich Michael Maul, der Intendant des Leipziger Bachfestes, mit einem persönlichen Brief an die Thomaner gewandt, die sich in der letzten Woche an die Medien gewandt hatten, um Reize zu verhindern und die Berufung David Timms zu fordern. „Es kann und darf“, schreibt Maul nun, „kein Makel für einen neuen Thomaskantor sein, dass er nicht aus der eigenen Chortradition kommt. In eurem Schreiben an die Medien schimmert doch sehr deutlich durch, dass ihr nur den beiden – jeder für sich auf seine Weise brillanten – Kandidaten aus euren eigenen Reihen das Amt zutraut.“ Schöne und wichtige Tradition: Die große Tradition, auf die sich der Thomanerchor beruft, beruhe in „großen Teilen auf der Arbeit von Protagonisten, die mit dem Chor erstmals in Berührung kamen, als sie das Thomaskantorat übernahmen.“ Die eindeutige Entscheidung musikalischer Experten pro Andreas Reize (Schweizer, Katholik, ausgebildet u.a. an der Schola Cantorum Basiliensis, der Edelschmiede in Sachen Alter Musik) stehe folglich in einer sehr schönen und wichtigen Tradition der Musikstadt Leipzig. Tradition müsse man sich immer wieder neu erarbeiten. „Selbstbewusst, aber nicht selbstverliebt auf die eigene Historie schauen, dabei aber stets neugierig und weltoffen sein – das wäre meines Erachtens traditionsbewusst im besten Sinne der großen Chorgeschichte. Und aus diesem Grund möchte ich euch in aller Freundschaft raten: Bitte überlegt euch nochmal sehr genau, ob ihr wirklich Herrn Reize rundheraus ablehnen wollt, bevor er die Chance hatte, mit euch ein neues Kapitel in der Chorgeschichte aufzuschlagen. Denn das wäre kein gutes Signal nach innen und außen.“ Klare Botschaft auch von Seiten des Oberbürgermeisters: „Andreas Reize ist der richtige Mann für den Thomanerchor“, sagte Burkhard Jung (SPD) gestern im Stadtrat. „Sie sind uns von Herzen willkommen“. Er stehe zu 100 Prozent hinter dem Auswahlverfahren, sagte Jung und schickte dies als Botschaft in die Schweiz. Er habe bisher kaum ein „konzentrierteres, transparenteres Auswahlverfahren“ erlebt. Der Rathauschef reagierte damit auf Vorwürfe einzelner älterer Mitglieder des Thomanerchores, die in einem offenen Brief das Verfahren kritisierten und David Timm als neuen Thomaskantor favorisieren. Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke erläuterte vor dem Stadtrat ausführlich das Verfahren. Das bezeichneten auch Annette Körner (Grüne), Andrea Niermann (CDU) und Jörg Kühne (AfD) als „außerordentlich fair“. Mehrfach wurde betont, dass die Thomaner ausreichend beteiligt worden waren, obwohl sie kein Stimmrecht hatten. Sie konnten offen vor der Auswahlkommission sprechen. „Auch Thomaner müssen lernen, demokratische Entscheidungen zu akzeptieren“, so Christian Schulze (SPD). Von Peter Korfmacher