Lachmesse-Stargast Gardi Hutter: „Weinen ist Natur. Lachen ist Kultur“

Mit der Schweiz gibt es bei der 29. Leipziger Lachmesse zum ersten Mal ein Gastland. Insgesamt präsentieren vom 20. bis 27. Oktober 170 Künstler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz auf 14 Bühnen Kabarett, Comedy, Poetry und Musikkabarett. Zum Auftakt bringt die Clown.Komödiantin Gardi Hutter ihr neues Programm „Gaia Gaudi“ nach Leipzig. Im Interview sprich sie über Tod und Lachen. Wenn die Schweiz Gastland der Lachmesse ist – kommen Sie diesmal als Botschafterin Ihres Landes? Ich bin Schweizerin, Hanna aber nicht. Clowns sind außerhalb einer konkreten Welt. Sie sind Masken und kommen aus „der anderen Welt“. Ähnliche Masken gibt es rund um die Erde und sie werden überall verstanden. Ob Hanna in Brasilien, China oder Deutschland spielt – die Zuschauer lachen an den gleichen Stellen. Wenn Sie sich auf eine Botschaft Ihrer Stücke festlegen sollten – welche wäre das? Dass jeder Mensch vor allem auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist. Clowns übertreiben das so maßlos, dass wir darüber lachen können. Ihre Geschichten kommen ohne Worte aus, auch darin liegt ihr Zauber. Lässt sich die Welt ohne Worte besser verstehen? Clowns spielen auf einer archaischen und vor-sprachlichen Ebene. Es geht um Emotionen, und darüber haben wir wenig Kontrolle. Das Lachen kommt aus dem Bauch – das Hirn kann nachher darüber nachdenken. Ihre Figur Hanna ist bisher am Ende des Abends gestorben. Diesmal ist sie schon zu Beginn tot. Ist das für Sie ein Möglichkeit, sich den Tod vom Leib zu halten – oder wollen Sie ihn sich zum Freund machen? Weinen ist Natur. Lachen ist Kultur. Das Lachen hat sich die Menschheit erfunden, um Unabänderliches leichter zu verdauen. Galgenhumor hilft das Naturgesetz, dass wir unweigerlich dem Tod entgegen gehen, zu ertragen. Es ist wohltuender, dahin zu tanzen, als hin zu hinken. Und sieht auch besser aus. „Gaia Gaudi“ ist Ihr neuntes Stück. Wie hat sich Hanna im Laufe ihres Bühnenlebens (und ihrer Bühnentode) verändert? Sie hat sich verfeinert und viele Zwischentöne gefunden – geht aber immer noch stur auf die größtmögliche Katastrophe zu. Welches Verhältnis haben Sie zum Scheitern? Scheitern ist unangenehm, gehört aber einfach dazu. Erst im Versuch, uns aus dem Gescheiterten zu lösen, werden wir zu dem, was wir Persönlichkeit nennen. Wie meinen Sie den Titel „Gaia Gaudi“? Der Tod ist für jeden Einzelnen ein Drama, aber für die Menschheit die einzige Chance. Dadurch ist Erneuerung erst möglich. Für Mutter Erde ist es das große Fest. Auch die ursprünglichen Feste der Menschen hatten immer mit Leben und Tod zu tun. Ob nun Fasnacht, Sylvester oder Halloween ... Diesmal sind Ihre Kinder beteiligt: Tochter Neda Cainero ist Sängerin, Sohn Juri Cainero Perkussionist und seine Frau Beatriz Navarro die Choreografin. Ist das schon eine Staffelübergabe? Der Tod der Alten gibt den Jungen erst den Platz – das ewige Rad der Erneuerung, so banal wie brutal. In unserem Focus war der Generationenkonflikt. Und da wir nicht nur aus einer anderen Generation sind, sondern auch noch aus anderen Berufen kommen, war das eine echte Herausforderung. Da aber der Konflikt Thema war, konnten wir nicht genug davon haben. Es war eine Gratwanderung mit Absturzgefahr. Sie sind 66, sehen Sie Konkurrenz zwischen Generationen als klassischsten aller Theaterstoffe – neben der Liebe natürlich? Die Jungen sind 42, 34, 30 und leben seit 11 und 15 Jahren außer Haus. Konkurrenz fordert heraus, ist aber auch das, was unser Leben spannend macht: Es gibt unterschiedliche Lösungen. Bei unserer heutigen Langlebigkeit, arbeiten mehrere Generationen gleichzeitig. Die Alten sterben nicht mehr rechtzeitig weg, wenn die Jungen übernehmen wollen. Die Überalterung wird immer als Bedrohung beschrieben. Sie hat aber ein großes Potenzial: Die Älteren können ihre Erfahrungen direkt weitergeben – sie müssen aber auf die Jungen hören. Ihnen gehört die Zukunft. Gardi Hutter tritt am 20. Oktober, 18 Uhr, im Schauspiel Leipzig auf www.lvz.de/Lachmesse Von Janina Fleischer

Interview - Lachmesse-Stargast Gardi Hutter: „Weinen ist Natur. Lachen ist Kultur“