Magie und Visionen im „geheimen Garten“: Die 36. Leipziger Grafikbörse wartet auf ihren Auftritt

Die 36. Leipziger Grafikbörse im Corona-Modus: Hinter den Kulissen entwickelte sich das Vereinsvorhaben in gewohnter Perfektion. Das Motto „hortus secretus“, der geheime Garten, erwies sich als magisch. „Ungewohnt vielgestaltig und farbenreich ist das Thema, bietet Phantasie und Spekulation weite Spielräume“, schreibt der Kunsthistoriker Rainer Behrends in seinem profunden Text im Katalog zur Ausstellung. Darin sinniert er über reale Gartenreiche, über Visionen in Träumen, Märchen und Opern, beflügelt die Imagination mit ikonographischen Betrachtungen vom biblischen Eden, dem mythologischen Land der Hesperiden und dem mittelalterlichen Paradiesgärtlein. Seelenlandschaften und ein mysteriöser Garten: 103 Künstler, vor allem aus Mitteldeutschland, reflektierten Natur oder das Verschwinden von Idylle, ließen sich vom Geist barocker Gärten oder italienischer Parkanlagen verzaubern, suchten nach Seelenlandschaften, die sich hinter einem verregneten Tag am Hafen verstecken oder einem mysteriösen Garten verborgener Wünsche. Der hortus secretus offenbart sich als illegale Cannabis-Zucht, in den Schattenspielen tropischer Vegetation oder als nächtlich beleuchteter Pool. Das sind nur Beispiele aus einem mit ausgeprägtem Ideenreichtum und hoher Qualität abgesteckten Feld. Aus der Auswahl wurde Stephanie Marx der Karl-Krug-Preis verliehen, der Förderpreis für Druckgrafik ging an Welf Schiefer. „Das war eine schwierige Entscheidung, Stephanie Marx ist ohne Zweifel eine sehr gute Holzschneiderin“, sagt Jurymitglied Volker Zschäckel. Der Galerist, daraus macht er kein Hehl, hätte eher das Buchprojekt von augen:falter, ein Leporello zur Berliner Pfaueninsel, favorisiert. Der Förderpreis wurde Welf Schiefer verleihen, stellvertretend für junge Leute, die heute noch Druckgrafik machen. Zschäckel ist ein großer Bewunderer der geistigen Väter der Leipziger Grafikbörse, „die seit mehr als 30 Jahren mit riesigem Engagement für Kollegen die Ausstellungen organisieren und umsetzen. Nirgendwo sonst gibt noch einen Überblick über aktuelle Produktion, deshalb ist das so wichtig“, urteilt Zschäckel. Die Kunst wartet auf ihren Auftritt: Die Vernissage im Leipziger Museum für Druckkunst fiel im November ebenso dem Kultur-Knock-Out zum Opfer wie der Ersatztermin vier Wochen später. Und auch das dritte Eisen, das der Vorstand für den 7. Januar ins Feuer gelegt hatte, konnte seinen Zweck nicht erfüllen. Dabei warten die Arbeiten gerahmt und verpackt auf ihren Auftritt in der Nonnenstraße. Planmäßig sollten sie hier bis zum 14. Februar gezeigt werden, inzwischen ist sieben Tage länger im Gespräch. Verschiedene Ausstellungen nach Leipzig geplant: „Wenn sich Ende Januar herausstellt, dass die Museen wieder öffnen, haben wir noch drei Wochen, um die Ausstellung in Leipzig zu zeigen. Das ist einigermaßen realistisch“, weckt Vereinsvorsitzender Steffen Böttcher Zuversicht. Verschiebungen seien wegen der Anschlusstermine problematisch. Der Kunstverein Duisburg, bis April nächster Standort für die Grafikbörse in Nordrhein-Westfalen, habe über das vorgesehene Zeitfenster hinaus keinen Spielraum. Es hätten sich auch neue Kontakte nach Glauchau, Bad Steben und Colmar ergeben, wo Interesse gezeigt wurde, die aktuelle Grafikschau zu präsentieren. Bis Juni 2022 ist sie zudem in Burgk, Bad Elster und Dörenthe im Teutoburger Wald fest terminiert. Rund 6850 Besucher sahen in Leipzig, Burgk, Bad Elster, Chemnitz, Dessau und Kressbronn die 35. Leipziger Grafikbörse mit dem Titel Paradox. Der letzte Standort war der einzige, wo die Ausstellung wegen COVID-19 im März 2020 vorzeitig geschlossen wurde. Info: hortus secretus, 36. Leipziger Grafikbörse, Katalog, Passage-Verlag Leipzig, www.leipziger-grafikboerse.de Von Ingrid Leps