Kinderräder im Abo: Leipziger Start-up für mehr Nachhaltigkeit

Die Nachfrage ist da. Das wissen Lina Roos und Marc Pethran, weil sie sich ein solches Angebot für sich selbst wünschen. „Meine Kinder fuhren Rad, kurz nachdem sie laufen gelernt hatten“, erzählt Lina Roos. „Mit anderthalb.“ Heute ist ihre Tochter sechs, ihr Sohn acht. Im Keller der jungen Familie in Lindenau stapelt sich bereits die vierte Fahrrad-Generation, sagt die 38-Jährige. „Ich stand neben den ungenutzten Rädern und dachte, daran muss man was ändern.“ Marc Pethran erinnert sich, wie er für seine Tochter das erste Laufrad kaufte. Mittlerweile ist auch sie acht Jahre alt „und schon mit der fünften Radgröße unterwegs“. Leider sieht ihr vierjähriger Bruder nicht ein, in die abgelegten Pedale der großen Schwester zu treten. So kamen die Leipziger auf die Idee, einen Abo-Service für Kinderräder zu gründen. Gegen eine monatliche Gebühr wollen sie Eltern immer dann die nächste Größe nach Hause liefern, wenn der Nachwuchs dem bisherigen Rad entwachsen ist. Das alte Gefährt sammeln sie ein, um es weiterzureichen. „Nach neun Monaten bis zwei Jahren“, schätzt Lina Roos. Im Frühjahr möchten die beiden mit ihrem Angebot loslegen, für das es bereits einen Namen und eine Internetseite gibt: „Flottes“ als Kurzform von „Flottes Rad“. Aktuell verhandeln sie mit Rad-Herstellern und feilen weiter am Geschäftsmodell. Feinschliff im Gründerprogramm der Handelshochschule: Die Grundlage dafür haben Roos und Pethran im Herbst in einem dreimonatigen sogenannten Inkubator-Programm der Handelshochschule Leipzig (HHL) entwickelt. In diesem Brutkasten namens „ HHL Digital Space “ unterstützen Wissenschaftler seit September ambitionierte Gründer zu einem sehr frühen Zeitpunkt: wenn es eine Idee gibt, sonst jedoch fast nichts. „Neue Einfälle ploppen ja ständig auf“, sagt Marc Pethran. „Aber oft folgenlos.“ In dem Kurs hingegen hätten sie ihr Konzept so intensiv geprüft, dass sie jetzt sicher seien: „Daraus lässt sich was machen“, betont der 41-Jährige. Die Handelshochschule Leipzig ( HHL ) bietet Gründern seit vergangenem Jahr eine Frühforderung an. Im „ HHL Digital Space “ sollen Geschäftsideen in einem zwölfwöchigen Kurs wie in einem Brutkasten reifen. Die Teilnehmer lernen beispielsweise Techniken für Interviews mit Testkunden und erfahren über erste Finanzierungsmöglichkeiten. Alter und akademischer oder beruflicher Hintergrund der Interessierten spielen keine Rolle. Sie müssen sich für das Programm bewerben, Studiengebühren fallen nicht an. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fördert das Inkubator-Programm, dessen zweiter Durchgang am 21. Januar beginnt. Dennoch birgt das Projekt ein persönliches Risiko. Roos und Pethran waren rund zehn Jahre lang bei einer Design-Agentur angestellt, von dort kennen sie sich. Roos kündigte den Job vor wenigen Monaten, um an der HHL ein Management-Studium zu beginnen, Pethran, um sich als Grafik-Designer selbstständig zu machen. Beides läuft allerdings momentan nur nebenher. Eine Firma zu gründen, kostet Zeit und erfordert Hartnäckigkeit. Aber nicht nur das: auch Geld. Zwar stehe die Suche nach Investoren aktuell nicht im Vordergrund. Aber als die HHL kürzlich allen elf Start-up-Teams des Programms die Gelegenheit eröffnete, ihre Ideen in jeweils fünf Minuten möglichen Geldgebern vorzustellen, versuchten Roos und Pethran ihr Glück – ein bisschen so wie in der Fernsehsendung „Die Höhle der Löwen“. Die Flottes-Gründer erhielten viel Zustimmung. „Eine wundervolle Sache“, fand Tina Ruseva, Chefin des Münchner Mentoring-Dienstleisters Mentessa. Und Björn Bauermeister von der Leipziger Beteiligungsgesellschaft „ Smart Infrastructure Ventures “ sicherte zu, selbst gern Kunde zu werden. „Ich habe zwei Töchter!“ Aber keiner von ihnen wollte investieren: zu geringe Gewinnmarge, zu langsames Wachstum, hieß es. Testlauf in Leipzig: Ruseva lobte gleichwohl den Flottes-Geschäftsplan dafür, das Ganze im ersten Jahr überschaubar zu halten: in Leipzig. Im zweiten Jahr rückt dann mit ungefähr 2000 Fahrrädern das gesamte Bundesgebiet in den Fokus – wofür jedoch ein Kapital von 350 000 Euro in das Unternehmen fließen müsste. Mit Investitionen von 2,5 Millionen Euro will man im vierten Jahr bei 10 000 Rädern landen. „Bei Flottes geht es aber in erster Linie um Nachhaltigkeit, Kostendeckung und eine Shared Community“, erläutert Pethran, „nicht um die Gewinnmaximierung“. An einer Online-Umfrage der Flottes-Gründer haben sich bislang knapp 300 Eltern beteiligt. „Das Echo ist überaus positiv“, sagt Pethran. „Und es hilft uns, offene Fragen zu beantworten.“ Worin sehen Interessierte die Vorzüge eines Abos gegenüber dem Kauf eines Fahrrads? Weniger Mühe bei der Suche? Die ökologische Nachhaltigkeit? Dass sich keine schrottreifen Wracks mehr im Keller ansammeln? Die bessere Planbarkeit der Ausgaben? Was sollte bei so einem Mietrad alles dabei sein? Klingel, Gangschaltung, Gepäckträger? Wie sieht es mit einer Diebstahlversicherung aus? Wie schnell sollte der Tausch klappen? Sofort, in wenigen Tagen, in zwei Wochen? „Für ein hochwertiges Rad werden die Eltern bei uns nicht viel Geld auf den Tisch legen müssen“, verspricht Roos. „Und die Kids erhalten dauerhaft ein tolles Fahrgefühl.“ Allerdings sollte der finanzielle Aspekt wohl auch für die künftigen Kunden nicht im Vordergrund stehen. Die entscheidenden Vorteile seien andere: Zeitersparnis, Flexibilität und die Gewissheit, Ressourcen zu schonen. „Für Bio-Äpfel zahle ich auch gern etwas mehr“, betont sie. „Unser Ziel ist ein fairer Preis.“ Monatlicher Abopreis zwischen 5 und 16 Euro: Je nach Radgröße soll die monatliche Abo-Gebühr zwischen 5 und 16 Euro liegen. Für ihre Präsentation vor den Investoren kalkulierten die Firmengründer mit 12,90 Euro pro Monat, dem Preis für ein 16-Zoll-Rad. Bei 2000 Abonnenten kämen dann pro Jahr rund 300 000 Euro in die Kassen, bei 10 000 Kunden 1,5 Millionen Euro. Damit ließen sich Räder und Infrastruktur allmählich refinanzieren. „Gewinne fließen in den Kauf neuer Räder“, sagt Pethran. Doch wird so vielen Eltern ein gutes ökologisches Gewissen mehr wert sein als das Bedürfnis mancher Kinder, was Eigenes zu besitzen, und der Wunsch mancher Großeltern, es ihnen zu schenken? Immerhin ist für knapp 310 Euro Abogebühr in zwei Jahren auch der Kauf eines nächsten Kinderrads drin. Die Testphase soll erhellen, ob der Markt wirklich groß genug ist. „Alles spricht dafür“, ist Marc Pethran optimistisch. „Aber wir werden es erst genau wissen, wenn unsere Idee in Leipzig funktioniert.“ So oder so werden spätestens im Frühling wieder etliche junge Familien durch Clara-Zetkin-Park, Auwald und zu den Seen radeln. Einige von ihnen vielleicht schon mit einem Flottes-Rad. flottesrad.de Von Mathias Wöbking

Kinderräder im Abo - Leipziger Start-up "Flottes" für mehr Nachhaltigkeit