„Die bluten uns aus“ – Vollmershain will das Landratsamt verklagen

Die Gemeinde Vollmershain bereitet eine Klage gegen die vom Landratsamt eingeforderte Kreisumlage vor. Das bestätigte Bürgermeister Gerd Junghanns (parteilos) gegenüber der LVZ. Grundlage für den Gang zum Gericht bildet ein Gemeinderatsbeschluss, der schon im März 2019 gefasst wurde. Damit wurde eine Kanzlei in Jena beauftragt, zu prüfen, wie rechtlich sauber die Jahr für Jahr vom Kreistag beschlossene Umlage ist und welche Chancen eine Klage habe, erklärte Junghanns. Seit vier Jahren legte Vollmershain gegen die Zahlungen an den Kreis Widerspruch ein, die ständig abgelehnt wurden und beim Landesverwaltungsamt landeten, sagt der Bürgermeister. Doch von dort habe er noch nie etwas gehört. „Es tut sich nichts.“ Gründe für die Kritik an der Umlage sieht die Gemeinde vor allem daran, dass der Kreis Aufgaben wahrnimmt und mit der Umlage finanziert, die nicht zu seinen Pflichtaufgaben gehören, behauptet Junghanns. Das seien zum Beispiel die Tourismusförderung sowie die üppigen Zahlungen an Theater und Museen. Davon profitiere vor allem Altenburg, die übergroße Mehrzahl der Städte und Dörfer im Kreis gehe bei dieser Förderung leer aus. Dieses Ungleichgewicht sei nicht zu akzeptieren. Kreisverwaltung vernachlässigt Kreisstraße: Auf der anderen Seite vernachlässige der Kreis seine eigentlichen Aufgaben für die Gemeinden, wie zum Beispiel eine anständige und nachhaltige Pflege und Wartung der Kreisstraßen durch Vollmershain. Die Hälfte davon sei in einem miserablen Zustand. Seit drei Jahren habe man darum gebeten, dies zu verbessern – ohne Erfolg. Zum dritten erhebe das Landratsamt auch noch Gebühren von Vollmershain für Leistungen, wie die jährliche Rechnungsprüfung (rund 2000 bis 3000 Euro) und den Winterdienst (4000 bis 5000 Euro), obwohl die Kommune ja eine Umlage zahlt. „Das passt doch alles nicht zusammen“, sagt der Bürgermeister. Seiner Gemeinde fehle dann Geld für Kindergarten, Freibad oder eigene Straßen und Brücken, wofür der Kreis selbst keinen Cent locker mache. Einnahme über Kreisumlage steigt erneut an: „Es ist leicht, dass sich der Kreis Geld von den Gemeinden holt, wenn sein eigenes nicht reicht. In Ordnung aber ist es nicht. Denn woher nehmen die Gemeinden die Mittel, wenn sie selbst nichts mehr bezahlen können?“, fragt Junghanns. „So blutet der Kreis seine Gemeinden aus“. Vollmershain muss in diesem Jahr rund 107 000 Euro an Kreisumlage zahlen, 2020 waren es 109 500 Euro. Insgesamt nimmt der Kreis von allen Gemeinden 2021 rund 31,9 Millionen Euro ein. Das sind 305 700 Euro mehr als 2020. Der Streit um diese Umlage und die Forderung nach ihrer Senkung dauert nun schon beinahe Jahrzehnte. Auch für den diesjährigen Kreishaushalt hatte der Städte- und Gemeindebund eine Senkung um 3,5 Prozentpunkte oder ein geringeres Haushaltsvolumen gefordert. Darüber hinaus solle langfristig eine generelle Absenkung der Umlage umgesetzt werden – in Anlehnung an den Landesdurchschnitt, über dem das Altenburger Land rund 3,6 Prozentpunkte liegt. Bürgermeister unterlaufen eigenen Beschluss: „Die Schere wird immer größer und für uns wird es immer schwerer, den Haushalt zu stemmen“, sagte Wolfgang Scholz als Chef des Städte- und Gemeindebundes des Landkreises, der als Bürgermeister von Gößnitz selbst Jahr für Jahr große finanzielle Schwierigkeiten hat. Der Zusammenschluss aus Bürgermeistern des Kreises beschloss daher einstimmig, eine weitere Erhöhung der Kreisumlage verhindern zu wollen. Etliche Bürgermeister folgten diesem Beschluss als Kreisräte dann aber nicht. Sie beschlossen im Dezember einen Finanzplan bis 2024, der genau diese eigentlich abgelehnte Steigerung ihrer Abgaben an den Kreis vorsieht. Bislang winkt nur ein Kompromiss. Landrat Uwe Melzer (CDU) muss bis 30. Juni den Kreis- oder Finanzausschuss mit dem Ziel einberufen, über eine mögliche Senkung der Kreisumlage zu sprechen, wenn klar ist, wie viel zusätzliches Corona-Geld vom Freistaat fließt. Von Jens Rosenkranz