Neben dem Kunstturm entsteht Altenburgs Bernsteinzimmer

Das Bitterfelder Bernsteinzimmer wird einer der Themenräume sein, wenn neben dem Altenburger Kunstturm das neue Haus der Geowissenschaften in Betrieb ist. In den nächsten drei Jahren will das Mauritianum die Räumlichkeiten in der Kunstgasse 25 wieder mit Leben füllen. Mit neuem Format möchte das Team des Naturkundemuseums die wissenschaftliche Arbeit der Naturforschenden Gesellschaft mehr in die öffentliche Wahrnehmung rücken. Schließlich wissen die wenigsten Besucher, was hinter den Kulissen der Einrichtung im Schlosspark geschieht. Das Museum beinhaltet weit mehr, als auf den ersten Blick zu sehen ist. Die ausgestellten Exponate sind nur ein Bruchteil dessen, was in Sammlungen eingelagert ist und vor der Öffentlichkeit verborgen erforscht wird. Die Wasserkunst wird zum Setzkasten: Das soll sich nun ändern. Als Altenburgs Oberbürgermeister André Neumann (CDU) das seit anderthalb Jahren leer stehende Gebäude am Kunstturm dem Mauritianum zur Nutzung anbot, brachte die besondere Raumaufteilung Mike Jessat auf eine Idee. „Die kleinen Räume sind wie ein Setzkasten“, sagt der Museumsdirektor und möchte in den 15 Zimmern der ersten und zweiten Etage 15 geologische Themen präsentieren. „In jedem Kästchen ist dann ein anderes schönes Objekt.“ Laut Jessat wird die seit Gründung der Naturforschenden Gesellschaft 1817 zusammengetragene Sammlung an Gesteinen, Fossilien und Mineralien dafür den Grundstock bilden. Momentan lagert sie in der ehemaligen Amalienschule gegenüber dem Marstall, unerreichbar für außenstehende Geologieinteressierte. Geologische Forschung wird in Altenburg öffentlich zugänglich: Mit Hilfe von Fördermitteln aus dem Leader-Programm wird aus der Altenburger Wasserkunst ein Arbeitsgebäude für Geologen, Landschaftsplaner und Wasserbauingenieure. Angedacht ist die Schaffung von mindestens vier neuen wissenschaftlichen Arbeitsplätzen in einem neuen Format. Die Sammlungs- und Arbeitsräume werden öffentlich zugänglich sein. Damit bietet sich Interessierten die Möglichkeit, den Wissenschaftlern bei ihrer Arbeit über die Schulter zu schauen und ins Fachgespräch zu kommen. „Das ist eine ganz andere Form im Umgang mit fachlich Interessierten, als es ein Museum bieten kann“, erklärt Mike Jessat. Der Kunstturm an sich bleibt bei dem ganzen Projekt außen vor. Er ist durch seine engen, steilen Stiegen nicht nutzbar. Das Bitterfelder Bernsteinzimmer am Kunstturm: Die 15 Raumthemen im Haus der Geowissenschaften beinhalten unter anderem Sammlungen hiesiger Gesteinsarten, wie Porphyr und Sandstein, Segmente eines versteinerten Waldes aus dem Altenburger Land und den Bitterfelder Bernstein. Er wurde von 1975 bis 1993 im Braunkohletagebau Goitzsche abgebaut. Dort lagerte das weltweit zweitgrößte Vorkommen des begehrten fossilen Harzes. 50 Tonnen betrug die maximale Jahresleistung. Im geplanten Bernsteinzimmer ist nach Aussage Jessats tertiäre Flora und Fauna aus der Altenburger Region zu erleben, für die Ewigkeit eingebettet in Kiefernharz. Während der Entstehung des Bernsteins gelangte das Baumharz über Flusseinspülungen bis in die heutige Region um Bitterfeld, die damals von einer Paläo-Ostsee bedeckt war. Die Einschlüsse von Eidechsenhaut, Vogelfedern und Insekten im Bitterfelder Bernstein sind erstaunlich gut erhalten. Vitrinen-Dauerleihgaben vom Lindenau-Museum: Der Großteil der Sammelobjekte, viele zehntausend Stück, wird auch im Haus der Geowissenschaften in Schüben lagern, die von Mitarbeitern für Interessierte geöffnet werden können. Die repräsentativsten Exponate darunter werden für jedermann einsehbar in Schrankvitrinen untergebracht sein. Genau zum richtigen Zeitpunkt erhielt das Mauritianum kürzlich Vitrinen verschiedener Formate als Dauerleihgaben vom Lindenau-Museum, das für die anstehende Sanierung komplett beräumt werden musste. Neues Heim für Altenburgs ehrenamtliche Mineralogen: Um den Wissenschaftlern ein umfassendes Arbeiten zu ermöglichen, werden Büroräume, Mikroskoparbeitsplätze und eine Werkstatt zum Schleifen von Gestein sowie Analysieren von Boden- und Wasserproben eingerichtet. Das Dachgeschoss bietet Raum für Schulungen, Betreuung von Schüler-Seminarfacharbeiten und Aktivitäten im Rahmen von „Jugend forscht“. Auch die ehrenamtliche Arbeitsgruppe Altenburger Mineralogen findet in der Kunstgasse eine neue Heimstätte. Sie muss zukünftig nicht mehr mit den Veranstaltungen des Naturkundemuseums konkurrieren, in dessen Ausstellungsbereich sie sich momentan trifft. Geoportal zu den stillen Vulkanen der Region: Unter dem Titel Geoportal will das Mauritianum auf Besonderheiten in der Geologie der Altenburger Region aufmerksam machen. 15 markante Standorte im ländlichen Raum werden dazu mit Informationstafeln versehen. Dabei werden unter anderem der Bergbau und seine weiterverarbeitende Industrie, Tonabbau sowie natürliche Felsbildungen, wie die einstigen Vulkane Schlossberg und Paditzer Schanzen, näher beleuchtet. Eröffnung des neuen Formates im Herbst 2022 geplant: Der Naturforschenden Gesellschaft stehen im dreijährigen Förderzeitraum jährlich 50 000 Euro an Fördermitteln zur Verfügung, für die sie zunächst in Vorleistung gehen muss. 25 Prozent der Kosten sind in Eigenleistung zu erbringen. Mike Jessat rechnet erst mit Ende des Förderzeitraumes im Oktober 2022 mit der Öffnung des Hauses für Besucherverkehr. Das Gemeinschaftsprojekt von Stadt und Naturforschender Gesellschaft kann helfen, Forschung bürgernaher zu gestalten. Von Dana Weber