So soll die Altenburger Spielewelt aussehen

Sie betreten einen Raum von 50 Quadratmetern. Die Wände sind weiß und leer. Der Boden besteht aus einer großen Metallplatte. Das Licht ist hell und erinnert an einen Operationssaal. Plötzlich ertönt eine Stimme: „Entscheide dich! Gut oder böse? Die Guten nach links, die Bösen nach rechts”. Sie treten nach links. Die Stimme kommentiert: „Gut so. Ist es schön, ein guter Mensch zu sein? Schiller sagte schon, der Mensch ist nur dort ganz Mensch, wo er spielt. Tritt nach rechts.” Sie folgen der Anweisung und hören wieder die Stimme: „Nur wenige Schritte später und schon bist du ein schlechter Mensch. Wenn du mehr über dich herausfinden willst, tritt ein.” Kosten auf 18,3 Millionen Euro gestiegen: So oder so ähnlich könnte es mit Betreten der Altenburger Spielewelt losgehen. Zumindest ist es eines der Szenarien, die sich der frühere Schloss- und Kulturdirektor, Christian Horn, und der Vizechef des Schloss- und Spielkartenmuseums, Florian Voß, für den Start ausgedacht haben. Es findet sich mit weiteren Ideen im Konzept, das beide zusammen mit dem Spielwissenschaftler Professor Jens Junge vom Berliner Institut für Ludologie im Vorjahr verfasst haben. Dass das Konzept seiner Umsetzung einen weiteren Schritt nähergekommen ist, dafür sorgte am Donnerstagabend der Stadtrat. Mit dem einstimmig geänderten Grundsatzbeschluss bekennen sich die Volksvertreter aber nicht nur zum Umzug des Prestige-Projekts vom zu kleinen Prinzenpalais des Schlosses ins innenstädtische Josephinum, sondern auch zu dem von einst 1,6 auf nunmehr drei Millionen Euro gestiegenen Eigenanteil Altenburgs an den von vorher rund elf auf derzeit 18,3 Millionen Euro gestiegenen Gesamtkosten. Flexibler Weg durch 24 Themenräume: Wer der eingangs erwähnten Stimme gefolgt ist, für den geht es nun um Faszination. Diese soll in einem Kinosaal erzeugt werden – durch einen kurzen Film zur Kulturgeschichte des Spiels. Im Zeitraffer geht es auf eine Reise von der Antike bis in die mögliche Zukunft. Am Ende mündet das Ganze in einem Strudel, der alles in sich aufsaugt. Dann ertönt erneut die Stimme: „Nun bist du dran, zeige mir, was für ein Spieler du bist!“ Zwei Türen werden sichtbar. Das Prinzip soll sich im weiteren Verlauf wiederholen. Je nachdem, wie sich der Besucher entscheidet, ändert sich sein Weg und damit sein Erlebnis der Ausstellung. So ergibt sich ein individueller und flexibler Pfad durch die insgesamt 24 (!) Themenräume. Diese widmen sich historischen Stationen des Spiels zwischen Antike und Gegenwart und stellen dieses als Motor der menschlichen Kultur dar. Die Dramaturgie erinnere an Trivial Pursuit, heißt es dazu im Konzept. Ein Alter Ego als roter Faden: Es geht also um die Wissensvermittlung, das Entdecken von (historischen) Spielen und das Teilwerden einer Geschichte. Geschieht das Erste durch Text, Audio und Video sowie mittels begehbaren Dioramen, geht es beim Entdecken ums Anwenden des Wissens und ums Selbstspielen. Die interaktive Führung durch die 24 Themenräume, die sich auf drei Etagen des Josephinums erstrecken und in einem 25. Game-over-Raum enden, sorgt fürs Eintauchen. Dabei wird ein Spielcharakter aufgebaut, der sich – ähnlich eines Rollenspiels – aus den getroffenen Entscheidungen speist und der den roten Faden bildet. Denn das Ziel des in die Vergangenheit geworfenen Besuchers ist es, durch Entscheidungen, die auf Erlerntem basieren, wieder in die Gegenwart zu kommen. Dabei muss er auch gegen eine immer wiederkehrende mysteriöse Gestalt kämpfen/spielen... Ausstellung plus Raum zum Selbstspielen: Das macht klar, warum Altenburgs Oberbürgermeister André Neumann (CDU) das Projekt als „eine für Deutschland einzigartige Erlebniswelt mit einem multimedialen Ausstellungsbereich“ bezeichnet. Doch neben der interaktiven Schau, die sich auf 850 Quadratmeter erstreckt und – bei Bedarf – um die gut 170 Quadratmeter große Aula ergänzt werden kann, soll die Spielewelt noch mehr sein. Daneben ist noch ein Spiele-Lab geplant, das sich mit Kassen, dem Ausstellungsshop und den Toiletten in einem Anbau auf der Ostseite des Josephinums befindet. Dieser ermöglicht einen barrierefreien Zugang zum 1841 erbauten früheren Gymnasium. Das Lab selbst ist ein 160 Quadratmeter großer mit Beamer und Breitbandanschluss versehener Treffpunkt mit gemütlichen und frei kombinierbaren Sitzgelegenheiten, in dem Spiele ausgeliehen, ausprobiert und diskutiert werden können. Die Angebote sollen dabei von Kinder- über Brett- bis zu Digitalspielen reichen. Dazu gibt’s Getränke und Snacks an Automaten und eine Küche für Catering (ca. 30 m²). Auch Veranstaltungen sind hier möglich. Spiel als Methode: das Innovation-Lab: Ist der Spiele-Treffpunkt noch relativ selbsterklärend, kann man das vom Innovation Lab nicht behaupten. Dabei handelt es sich um einen mit beweglichen und beliebig kombinierbaren Tischen und Stühlen sowie multimedialer Technik ausgestatten Raum von knapp 170 Quadratmetern. Dieser befindet sich im ersten Obergeschoss des Anbaus. Er ist geteilt konzipiert und soll drei separate Zugänge haben, sodass mehrere Veranstaltungen parallel möglich sind. „Hier können Menschen zusammenkommen, Arbeitsprozesse organisieren und dokumentieren“, heißt es dazu im Konzept. „Der Raum ist mit Werkzeugen ausgerüstet, welche spielerisches Denken und Entwickeln erlauben. Es ist der Raum, der in vielen Unternehmen, Verwaltungen, Vereinen etc. häufig schmerzlich vermisst wird.“ Kurz: Hier können spielerisch Produkte entwickelt, Mitarbeiter fortgebildet, Vorträge gehalten oder Dinge erforscht werden. Jährliche Betriebskosten bei fast 300 000 Euro: Daraus speist sich zugleich eine Einnahmequelle – Miete. Während das Spiele-Lab von Ausstellungsbesuchern ohne Aufpreis genutzt werden kann, kostet die interaktive Schau Eintritt. Personell werden für Kasse, Technik, Marketing, wissenschaftliche Begleitung und Leitung insgesamt acht Vollzeitkräfte veranschlagt. Das treibt allerdings auch die Betriebskosten in die Höhe. So hat sich der Stadtrat mit seinem Votum zugleich zu einem jährlichen Zuschuss von knapp 290 000 Euro bekannt. Den will OB Neumann aber durch Sponsoring und Partner reduzieren und möglichst ganz sparen. Als favorisiertes Betreibermodell gilt derzeit eine gemeinnützige GmbH, da sich dadurch das öffentliche Dienst- und Besoldungsrecht umgehen und Eigenverantwortung und schnellere Entscheidungen realisieren lassen. Baustart: Frühjahr 2024, Eröffnung: Ende 2026: Das Konzept hat auch Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) überzeugt, der sich im Förderausschuss der Thüringer Aufbaubank Ende August wiederholt für die Altenburger Spielewelt stark machte. Im Ergebnis stufte das Gremium das Vorhaben trotz neuem Ort und deutlich gestiegener Kosten weiterhin als förderwürdig ein. Damit hat es aber nur „die erste Stufe im formalen Förderverfahren erreicht“, wie es aus dem Ministerium heißt. Damit der 10,4-Millionen-Euro-Zuschuss aus der Tourismusförderung fließt, fehlen laut Ministerium aber noch einige Dinge bis hin zur Baugenehmigung. Und bevor inhaltlich gearbeitet werden kann, muss das leerstehende Josephinum zunächst auf Vordermann gebracht werden und der Anbau erfolgen. Das soll ab Frühjahr 2024 mithilfe von weiteren Millionen an Städtebauförderung, Denkmal- und Eigenmitteln geschehen. Bis zur geplanten Eröffnung Ende 2026 ist es also noch ein langer und herausfordernder Weg – ähnlich dem durch die interaktive Spielewelt. Von Thomas Haegeler