Feuchter Keller, kein zweiter Rettungsweg – kann Böhlen doch auf Rathausanbau hoffen?

Im Juli will die Böhlener Stadtverwaltung einen neuen Anlauf unternehmen, den Stadtrat doch noch von der Notwendigkeit eines Rathaus-Anbaus zu überzeugen. Einen ersten Schritt in diese Richtung gab es bereits am vergangenen Donnerstag. Bürgermeister Dietmar Berndt (parteilos) führte den Räten noch einmal die Dringlichkeit des Vorhabens vor Augen. Insbesondere, weil es am Brandschutz des jetzigen Rathauses hapert, es schlicht an Platz fehlt und darüber hinaus die Verwaltung nicht barrierefrei erreichbar ist. Während der Sitzung Ende Mai hatte das Gremium mehrheitlich gegen die Vergabe von Planungsleistungen für das Vorhaben „Sanierung und Erweiterung des Rathauses“ gestimmt und die Maßnahme damit zunächst auf Eis gelegt. Die Begründung: Die künftige finanzielle Situation der Kommune sei in Anbetracht der Corona-Pandemie mehr als unklar. Dass nun vier Wochen später die Stadt vor einer neuen Situation steht, erklärte Berndt damit, dass „von Seiten der Politik einiges beschlossen wurde, um die Verluste der Kommunen zu deckeln“. Durch den Ausgleich der Verluste bei den Gewerbesteuereinnahmen gebe es künftig wieder finanzielle Spielräume. Zudem könne Böhlen für das insgesamt drei Millionen Euro teure Vorhaben mehr als zwei Millionen Euro an Fördermitteln bekommen. Der Eigenanteil beliefe sich auf etwa 650 000 Euro. Keller ist feucht, zweiter Rettungsweg fehlt: Wie Berndt verdeutlichte, weise das Rathaus gravierende Mängel auf. Diese reichten vom Brandschutz über die alte Elektroanlage bis hin zur fehlenden Barrierefreiheit und den Zustand des jetzigen Archivs. „Das ist derzeit im Keller untergebracht. Dort ist es zu feucht. Und das Dachgeschoss hat nicht die erforderliche Tragfähigkeit“, betonte er. Und noch etwas sei nicht länger hinnehmbar: Die Unterbringung des Einwohnermeldeamtes im Haus II am Platz des Friedens. „Der Standort bietet nicht die erforderliche Sicherheit bei Gefahrensituationen und Amokfällen. Die Anbindung an das Haus I ist nicht gegeben“, erläuterte Böhlens Bauamtsleiter Jörg Ragnar Koper. Die Liste der Mängel ist damit noch lange nicht am Ende angelangt. Vielmehr müsse auch hinsichtlich des Brandschutzes einiges passieren. „Als ersten Rettungsweg gibt es nur eine offene Treppe. Ein zweiter Rettungsweg sind die Fenster“, verdeutlichte der Rathauschef. Zudem stehe der Kopierer derzeit im Treppenhaus, brauche aber dringend einen gesonderten Raum. Verwaltung hat keine Luxusbedürfnisse: Berndt bot den Stadträten an, sich das Gebäude in dieser Woche noch einmal genau anzusehen und sich die Schwachstellen zeigen zu lassen. Einen Stadtrat überzeugten alleine jedoch schon die vorgetragenen Argumente: Paul Kannecht von der SPD-Fraktion: „Wenn der erste Fluchtweg bei einem Brand versperrt ist und 26 Rathausmitarbeiter am Fenster auf Hilfe warten, wird es eng“, machte der Feuerwehrmann unmissverständlich klar. „Zudem hat die Verwaltung ja keine Luxusbedürfnisse wie goldene Uhren im Flur, sondern lediglich die Bedürfnisse, um vernünftig arbeiten zu können.“ Wolfgang Kramer, ebenfalls SPD, war einer der Räte, die im Mai gegen die Vergabe der Planungsleistungen gestimmt hatten. „Meine Nein-Stimme war mit der großen Unsicherheit durch Corona verbunden. Aber jetzt öffnen sich Türen“, sagte er in Hinblick auf die Zusage der Politik, Kommunen in nächster Zeit finanziell unter die Arme zu greifen. Deshalb spreche er sich nun für das Vorhaben aus. Auch Beate Krutzsch, Vorsitzende der Linken-Fraktion, korrigierte am Donnerstag ihre Meinung. Ihre Enthaltung im Mai betrachte sie nun als Fehler. „Wir haben das Geld dafür und brauchen den Anbau“, machte sie deutlich. Stadträte bemängeln ausufernde Dimensionen: Widerspruch kam dennoch nach Berndts Ausführungen. Reinhard Eisold (CDU-Fraktionsvorsitzender) bemängelte, dass der Stadtrat schon 2016 den Rathausanbau auf den Weg gebracht habe, um Platz für das Archiv zu haben, „aber das hat ja mittlerweile völlig andere Dimensionen angenommen“. Und Falk Jahr, Fraktionsvorsitzender AfD, forderte, künftig besser über die Kosten informiert zu werden. „Ich habe acht verschiedene Varianten von Zahlen gefunden, und die Gesamtsumme ist ständig gestiegen. Bis heute habe ich keine vollständige Information darüber, was gemacht werden soll und was wie viel kostet.“ Wie Berndt betonte, sei das bislang auch schwierig gewesen. „Das Vorhaben hat sich schrittweise entwickelt“, begründete er. Er wolle die Vergabe der Planungsleistungen im Juli erneut auf die Tagesordnung setzen und hoffe, dass die Räte diesmal mitgehen würden. Von Julia Tonne