Einmal im Jahr müssen Krawatten dran glauben. Und zwar viele. Weil Närrinnen und Hexen von mehreren Faschingsvereinen zur Weiberfastnacht die Gegend unsicher machen.
Der Groitzscher Rathauschef Maik Kunze hatte am Donnerstagmorgen nicht den allerschönsten Schlips umgebunden, als er zur Arbeit fuhr. Nicht ganz ohne Hintergedanken. Schließlich hatten sich die wilden Weiber vom Groitzscher Carneval Club von 1965 bei der Stadtverwaltung angemeldet. Im Gepäck: Scheren.
Bestechungsversuche laufen ins Leere
Um die Damen halbwegs im Zaum zu halten und sie zu besänftigen, hatte Kunze vorgesorgt und Pfannkuchen sowie Sekt bereitgestellt. Dennoch: die Krawatte war futsch. „Es war zwar nicht die allerschönste, aber trotzdem zu schade“, monierte Kunze anschließend. Vielleicht würden die Damen ja mal einen neuen Brauch einführen und immer am 11.11. neue verteilen – nämlich dann, wenn die fünfte Jahreszeit in eine neue Runde geht.
Einen wahren Fundus an Krawatten hatte Pegaus Bürgermeister Frank Rösel am Tag der wild gewordenen Hexen gehortet. Eine hässlicher als die andere. Dennoch ließ er sich das noch recht gute Stück an seinem Hals abschneiden. „Die anderen sind so schrecklich, dass man sie den Damen nicht zumuten kann“, begründete er.
In den vergangenen Jahren hatte Rösel es immer mit einem Trick versucht, um dem Scherenschnitt zu entkommen. Hinter den Schlips geklebte Pappen und gar Fahrradspeichen sollten das Unvermeidliche verhindern. „Aber das Verletzungsrisiko war dann viel zu groß“, machte eine Hexe deutlich. Schließlich habe die Horde dann gar mit einer Säge anrücken müssen. „Und es wäre doch wirklich schade gewesen, unserem Rathauschef weh zu tun“, verkündete eine andere.
Geschäftsmodell beim Karneval Club Rötha
Dort wo die wilden Weiber vom Karneval Club Rötha (KCR) am Donnerstag auftauchten, musste keiner der Herren um seinen besten Halsschmuck fürchten. Die Karnevalistinnen haben nämlich schon seit Jahren ein Geschäftsmodell entwickelt, das für beide Seiten toll ist. Sie bringen eine Kiste voller Krawatten mit. Die dürfen die Männer für drei bis fünf Euro kaufen, sich umbinden und gleich wieder abschneiden lassen. Dazu gibt’s sogar noch einen Kuss von der Karnevalsprinzessin, die natürlich mit von der Partie ist, und einen Kümmerling.
Die Weiberfastnachtstour der Röthaer Närrinnen führte auch in diesem Jahr wieder über die Stadtgrenzen hinaus. Nicht nur dem Röthaer Bürgermeister wurde ein Besuch abgestattet, auch in Böhlen fallen die Frauen seit Jahren ins Rathaus ein. Dazwischen standen wieder Firmenbesuche auf dem Programm.
Im Kraftwerk klappern die Scheren
Enrico Mai vom gleichnamigen Autohandel in Rötha ließ sich die Krawatte abschneiden, ebenso der Hähnchenmann auf dem Wochenmarkt und einige Herren bei Indutec im Industriegebiet Böhlen-Lippendorf. Regelrecht austoben dürfen sich die Frauen im Kraftwerk Lippendorf, wo sie auch diesmal gut gelaunt und herzlich willkommen durch mehrere Büros zogen. Die einzigen, deren Krawatten etwas länger heil blieben, waren Denis Eckhardt und Ralph Schiemann, die beiden Fahrer des fröhlichen Zuges.
Mit dem Geld aus dem Krawattenverkauf – 50 bis 80 werden an den Mann gebracht – machen sich die Frauen immer einen schönen Abend.
Von Julia Tonne und André Neumann