Der lange Weg zur Impfung: Senioren im Landkreis Leipzig fühlen sich im Stich gelassen

Heinz-Joachim Günther aus Pegau ist 83 Jahre alt und möchte sich gegen das Corona-Virus impfen lassen. Ein berechtigter Wunsch, schließlich gehört er vom Alter her und wegen einer 100-prozentigen Schwerbehinderung zur Risikogruppe. Impfen lassen möchten sich auch Werner Tischer (85) aus Ballendorf und seine Frau (83). Doch das Bemühen, Informationen zum Ablauf oder gar einen Impftermin zu bekommen, liefen bislang ins Leere. Und so schnell wird das wohl nichts, weder bei Günther noch bei Familie Tischer. Denn die drei Senioren leben nicht in einem Pflege- und Seniorenheim. Sondern zu Hause. Und mit diesen Eigenschaften stehen die drei bei Weitem nicht alleine da. Weshalb sich Günther Sorgen macht, dass jeder Tag, an dem Senioren noch nicht in den Impfzentren geimpft werden, eine Infektion mit sich bringen kann. Senioren, die zuhause leben, sollten in den Heimen mitgeimpft werden: Gedanken macht sich der Pegauer aber noch über etwas anderes: darüber, dass alle Senioren, die älter als 80 Jahre alt sind, nicht in einer Einrichtung leben und sich impfen lassen wollen, demnächst nach Borna fahren müssen, um sich den „Piks“ abzuholen. Und zwar zweimal innerhalb weniger Wochen. „Für die Ortsteile von Groitzsch und Pegau wären das zweimal 20 bis 30 Kilometer! Was für ein zusätzlicher Aufwand, Umweltbelastung und persönliche Erschwernis für jeden einzelnen alten Menschen“, macht er deutlich. Weshalb er die Frage aufwirft, ob es nicht wesentlich einfacher für die Senioren wäre, wenn die mobilen Impfteams bei ihren Besuchen in den Groitzscher und Pegauer Pflegeheimen auch die Gruppe der über 80-Jährigen und Behinderten mit durchimpfen würden. Impfzentrum in Borna zunächst offen für Mitarbeiter von Pflege- und Rettungsdiensten: Wie berichtet, organisiert das Deutsche Rote Kreuz Sachsen die Impfzentren im Freistaat. Und das in Borna hat seinen Dienst nun endlich am Dienstag aufgenommen. Allerdings kommen hier zunächst einmal die Mitarbeiter von Pflege- und Rettungsdiensten an die Reihe. „In der Anfangsphase stehen dem Impfzentrum Borna täglich nur 190 Impfdosen zur Verfügung“, erklärt DRK-Geschäftsführer Jens Bruske. Davon würden 100 von einem mobilen Impfteam in Pflegeheimen verimpft, lediglich 90 stünden für Impfungen im ehemaligen Aldi-Markt bereit. Viele Senioren, die zuhause leben und impfwillig sind, versuchen seit Tagen oder gar Wochen, aus dem ganzen System schlau zu werden. Kein einfaches Unterfangen. „Wenn ich am Telefon überhaupt durchkomme, höre ich Vertröstungen. Eine verbindliche Auskunft habe ich nicht bekommen. Das ist ernüchternd“, sagt Werner Tischer. Über das Info-Telefon des Landkreises Leipzig versuchte er, sich schlau zu machen. Das blieb genauso ergebnislos wie Anrufe bei der Hotline des sächsischen DRK. „Meine Frau und ich, wir sind impfbereit. Wir unterstützen die Corona-Maßnahmen, auch wenn es schwer fällt. Wir sitzen zu Hause, empfangen nicht mal mehr unsere Enkel“, sagt der 85-Jährige. Seit September seien sämtliche Familientreffen abgesagt, auch die längst vorbereitete Feier zum 60. Ehejubiläum. Dass es mit dem Impfen nicht voran gehe, deprimiere. Forderung nach schnellen Impfungen durch die Hausärzte: Auch Karin Paulus aus Brandis hält die Idee, Senioren ins Impfzentrum nach Borna zu schicken für abwegig. Sie spricht sich dafür aus, diese Risikogruppe so schnell wie möglich von den Hausärzten impfen zu lassen. Die Fahrt nach Borna jedenfalls wolle sie ihrer 89-jährigen Mutter nicht zumuten. Denn: Auf der einen Seite solle die Mobilität eingeschränkt werden, zum anderen habe Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping kürzlich in einem Interview davon gesprochen, dass Shuttle eingesetzt werden könnten oder Nachbarn, Freunde, Verwandte doch helfen mögen. „Ich finde das unverantwortlich“, macht Paulus deutlich. Damit stimmt sie auch Landrat Henry Graichen zu, der gesagt hatte: „Für mich wäre es jedenfalls schwer zu vermitteln, müssten hochbetagte Senioren Dutzende Kilometer über Land fahren, um in ein Impfzentrum zu gelangen.“ Eine Lösung zeichnet sich nun zumindest für Menschen ab 80 Jahren ab, die im Betreuten Wohnen leben. Größere Anlagen dieser Art wolle das DRK künftig ansteuern, weil hier eben besonders viele Senioren zu erreichen seien. Eine Antwort aber, ob denn nicht Senioren, die zuhause leben, in den Heimen oder auch im Betreuten Wohnen mit geimpft werden könnten, bleibt das DRK bislang schuldig. Mehrere Anfragen blieben unbeantwortet. Von Julia Tonne/Ekkehard Schulreich

Senioren im Landkreis Leipzig - der lange Weg zur Impfung