Stilsicher durch die Corona-Krise: Landkreis Leipzig trägt Maske

Das hätte er sich nie träumen lassen: Mit der Maske in die Sparkasse! Was vor Corona wie ein Überfallkommando geklungen hätte, ist inzwischen oberste Bürgerpflicht! Weil er alles andere als ein Bankräuber ist, fällt ihm der Schritt nicht leicht. Schließlich fasst sich David Noske ein Herz, maskiert sich, betritt das Institut und hebt Geld ab. Der 31-jährige Unbewaffnete atmet doppelt auf, als er wieder draußen ist. Aber: Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass er sich mit frischen Scheinen eindeckt. Die handelsüblichen, zartgrünen Überzieher für Mund und Nase gingen ins Geld, sagt er: „Neun Euro fünfundvierzig für fünf Stück.“ Das Geld kann sich der 66-jährige Jürgen Hensel getrost sparen. Er muss sich den Nase-Mund-Schutz nicht teuer erkaufen. Sein Sohn David hat ihm eine ganz besonders schicke Maske genäht. Aus zwei ausrangierten T-Shirts entstand das modische Accessoire. Innen rot, außen grün. „Zweilagig, wie beim LVZ-Schnittmuster angegeben“, ergänzt Hensel. Da die Maske aus reiner Baumwolle bestehe, sei sie besonders atmungsaktiv. Täglich werde das Exemplar gewaschen und über Nacht getrocknet. Die Gummis, mit denen die Kreation über den Ohren eingehängt wird, kämen noch aus DDR-Beständen. Ebenfalls aus DDR-Produktion stammt die Maske von Gerhard Ludwig. Der 83-Jährige hatte damals von Berufs wegen mit Glaswolle zu tun. Um keine Gesundheitsschäden davon zu tragen, bedeckte er auf der Baustelle gewöhnlich Mund und Nase mit einer entsprechend professionellen Atemmaske. „Die leistet mir jetzt auch bei Corona treue Dienste und hält einiges ab“, sagt Ludwig. Sein unübersehbares Modell mit integriertem Filter ist der absolute Hingucker in jeder Fußgängerzone. Formschön sieht sicher anders aus, dafür aber erfüllt das gute Stück garantiert seinen Zweck. Sophie Rieh (17) bereitet sich derzeit auf ihre Abschlussprüfungen vor. Weil sie und ihre Mitschüler in Englisch gerade Dialoge üben, zog sie trotz zwei Meter Sicherheitsabstand lieber die Maske drüber. Das baumwollene Teil stellt einen ziemlichen Blickfang dar. Feuerrote weit aufgerissene Augen, die spitzen weißen Zähne bleckend: „Das ist Gengar, ein Pokemon, mein Lieblingsmonster!“ Die Schülerin scheint über hellseherische Qualitäten zu verfügen, womöglich sagte sie ja sogar Corona voraus. Jedenfalls sicherte sie sich die Maske auf der Leipziger Buchmesse im vorigen Jahr. Für den BVB hat sich Fußballfan Kevin Neldner schon von Kindesbeinen an begeistert. Nicht genug damit, dass sein Zimmer vor lauter schwarz-gelben Fanartikeln beinahe mit dem Dortmunder Souvenirshop konkurrieren könnte. Auch auf dem Bolzplatz kickte er ausnahmslos im Trikot seines angehimmelten Bundesligavereins. Aus diesem Dress ist er inzwischen heraus gewachsen. Er gab es nun seiner Oma, die es kurzerhand in zwei Corona-Mundschutze verwandelte. „Die Brille läuft beim Tragen zwar etwas an. Aber das geht schon“, sagt der 16-jährige Schüler. Abhilfe könnte Ronald Kläß schaffen. Der 46-Jährige arbeitet bei einem Optiker, der Antibeschlagtücher führt: „Damit muss die Brille nach dem Reinigen innen und außen abgerieben werden. Ein Pack reicht für 200 Anwendungen. Der Effekt hält bis zu zehn Stunden an.“ Kläß ist selbst Brillenträger. Bei ihm beschlage nichts. Vielleicht liegt es auch nur an der schnittigen Maske. Die bestehe aus Baumwolle. „Meine Schwester Heike hat sie mir genäht. Du merkst die Maske kaum, sie fühlt sich an wie die zweite Haut.“ Kein Wunder: Das edle Tuch war früher ein Rock. Friederike Hempel kann mit dem im Handel angebotenen Mundschutz nichts anfangen: „Igitt, da kriegst du kaum Luft.“ Um vor lauter Sicherheit nicht zu ersticken, griff sie zur Schere. Und schnipp-schnapp musste der heimische, gebügelte und geschniegelte Bettbezug dran glauben. Als Meisterin ihres Faches zauberte sich die 62-Jährige eine Maske, die zwar etwas derber als andere, dafür aber um einiges angenehmer zu tragen sei, sagt sie. Der Mundschutz, der auch bis über die Nase gezogen werden kann, besteht aus Baumwolle und wird bei 90 Grad Celsius gewaschen. René Gottschlich schwört in der Corona-Krise auf das Masken-Modell „Kuhfleck“. Nein, er sei kein Bauer, habe aber dennoch genug Power. Die braucht der 35-jährige Koch auch, um während der Pandemie hinter all den Töpfen und Pfannen weiter seinen Mann zu stehen. Hygiene habe dabei oberste Priorität. Eine Maske gehöre da zwangsläufig mit zur Grundausstattung. Weil es auf Arbeit naturgemäß heiß zugehe, brauche er einen kühlen Kopf. Um nicht zu sehr zu schwitzen, sei eine zweckmäßige Maske wichtig. Den Indern ist die Kuh heilig, ihm dagegen seine Maske mit den stilisierten Kuhflecken, sagt Gottschlich. Das tägliche LVZ Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Leipzig täglich gegen 19 Uhr im E-Mail-Postfach Der dreijährige Wolfi Thiele versteht diese komischen Erwachsenen nicht. Plötzlich laufen die mit verbundenem Mund herum. Ob die alle was ausgefressen haben, wird er sich fragen. Dumm nur, dass er neuerdings auch so ein Teil verpasst bekommt, eines mit Ventil. „Ich versuche erst gar nicht, es ihm zu erklären. Die Kinder haben es im Moment schon schwer genug“, sagt Mama Anja. Als die Maskenpflicht in Jena eingeführt wurde, sei ihr klar gewesen, dass diese auch bald im ganzen Land gelten würde. „Da hab’ ich Masken bei eBay geordert.“ Und Wolfi? Der ist clever. So oft es geht, nimmt er die Maske ab und sagt: Ich muss erst mal Luft holen. Alexander Görbing (39) sitzt ganz nah an der Quelle. Seine Frau Cindy eröffnete erst vor zwei Jahren ihr eigenes Nähgeschäft. „Seit Corona und der Maskenpflicht läuft es bei ihr immer besser.“ Kein Wunder: Elefant, Fuchs, Reh und Hase – kaum ein Motiv, das sie auf ihren Masken auslässt. Ihre Mundschutze sind der Renner. Der Ehemann schützt sich und seine Umwelt am liebsten mit einer Maske im wahrsten Sinne des Wortes zum Anknabbern. Lauter Pommes Frites zieren den umfunktionierten T-Shirt-Stoff. Auch Daniela Breitenborn bekommt nur positive Reaktionen auf ihre Maske. Dabei handelt es sich um ein Unikat Marke Eigenbau. Aus einem ansonsten bereits für die Altkleidersammlung bestimmten luxuriösen, aber abgetragenen Ledermantel aus dem Hause Philipp Plein trennte eine Freundin das Inlay heraus und verarbeitete es zur Maske. Die Totenköpfe, die den Stoff zieren, seien absoluter Kult. Ein einziges T-Shirt des Designers sei mitunter mehrere hundert Euro wert. „Es gibt nur zwei derartige Masken auf der Welt. Die eine trage ich, die andere mein Mann.“ Von Philipp Plein zu Philipp Leipner. Der 32-Jährige trägt eine FFP3V-Maske mit Filter. Eigentlich hatte er sich das markante Teil lange vor Corona zugelegt, sagt Leipner: „Damals musste ich Fahrradteile lackieren. Da wollte ich ganz auf Nummer sicher gehen, um mir nicht zu schaden. Also kaufte ich zwei Stück davon.“ Wenn er die Maske trägt, sieht man kaum noch etwas von seinem Gesicht. Nur für das Foto zog er sie extra etwas weiter runter. Im Supermarkt oder beim Bäcker, wo er alle Blicke auf sich zieht, fühle er sich inzwischen ungewollt wie ein Premiumeinkäufer. 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