Vereine im Bornaer Land bedauern Kontaktverbot und Absagen

Das komplette Vereinsleben liegt derzeit auf Eis. Kein Sport, kein gemeinsames Musizieren, keine Handarbeiten, kein Theater. Nichts. Für Vorstände und Mitglieder gleichermaßen eine unbefriedigende Situation. „Der Mensch ist nun einmal ein Herdentier“, bringt es Irene Crell, Vorsitzende des Böhlener Kulturvereins, auf den Punkt. Kulturverein Böhlen: Förderanträge und Veranstaltungssorgen: Doch diese unvorhergesehene und vermutlich wochenlange Pause bringt zuweilen auch ein paar Vorteile mit sich. „Es ist Zeit für Dinge, die sonst lange liegen bleiben“, sagt Crell. Sie ist derzeit dabei, sich in verschiedene Fördermittel-Anträge einzuarbeiten und auszuloten, was alles förderfähig ist und wer entsprechende Gelder zur Verfügung stellt. „Jetzt kann man sich mal in Ruhe mit den Möglichkeiten beschäftigen“, macht sie deutlich. Die erste gefundene Variante hat sie bereits in die Tat umgesetzt und beim Land Sachsen Fördermittel für die Jugendtanzgruppe beantragt. Schon vor Jahren hat diese sich auf Folklore spezialisiert, war zudem schon mehrmals bei europäischen Folklorefestivals. „Für die Tänzer brauchen wir aber mal dringend neue Kostüme“, erzählt Crell. So manches sei noch aus der Zeit, als sie selbst getanzt habe. „Und das ist schon ein paar Jährchen her.“ Sorgen macht sich die Vereinsvorsitzende derweil um eine Veranstaltung, die jedes Jahr stattfindet, aber in diesem Jahr auf der Kippe steht: um den ersten Mai. Zwar habe es von Seiten der Stadt noch keine Absage für die Feier vor dem Kulturhaus gegeben, „aber wie sollen die einzelnen Gruppen auftreten, wenn Proben derzeit gar nicht möglich sind“, fragt sie. Bürgerverein in Groitzsch: Stillstand – nur Weinfreunde aktiv: Nahezu zum Stillstand gekommen ist das Geschehen beim Bürgerverein „Stadtmühle Groitzsch“. Die meisten Sektionen, darunter der Chor und die Kulturgruppe „Südseegeister“ haben Arbeit und Treffen eingestellt, sagt Vizechef Udo Killmey. „Das ist richtig schade für Leute, die zum Teil auch vor der Corona-Krise viel zu Hause saßen und wenig Kontakt hatten. Nun ist auch noch der eine Termin in der Woche weggebrochen.“ Absagen musste der Bürgerverein das große Senioren-Tanzfest am Ende der Woche, auf dem seit Monaten hingearbeitet wurde, ebenso die Jahreshauptversammlung in diesem Monat und die Sektionsabende. „Wahrscheinlich können wir auch das Mühlenradfest nicht, wie geplant, am 12. Juni durchführen“, so Killmey. Hingegen sind die Weinfreunde im Verein weiter aktiv. Dabei gibt es nicht nur im Keller des Vereinshauses einiges zu tun. „Zum Beispiel müssen Flaschen gesäubert werden.“ Vielmehr können sich die Hobbywinzer auch am Weinberg auf der Wiprechtsburg beschäftigen. „In nächster Zeit müssen wir die Reben spritzen“, erklärt der Vizevorsitzende. Auch die im Vorjahr daneben angelegt Insektenwiese müsse gemäht werden. „Es ist toll, wie das schon grünt und blüht, ein farbiger Lichtblick in diesen Tagen.“ Alle Arbeiten nehmen die Mitglieder corona-bedingt allein oder zu zweit in Angriff, sagt Udo Killmey. Er nutze die Zeit zudem, um nach möglichen Fördermittelprogrammen für den Bürgerverein zu schauen. SC Borna: Boxer trainieren daheim: Beim Sport-Club Borna herrscht derzeit Ruhe. „Wir hatten den Betrieb schon vor der offiziellen Anweisung der Stadt eingestellt", sagt Vereinspräsident Hans-Peter Hofmann. Er hat aber trotzdem zu tun. „Ich mache Sachen, die sonst liegen bleiben.“ Also räumt der Boxtrainer in der Lothar-Scheida-Halle in Gnandorf auf. So desinfiziert er etwa Boxhandschuhe. „Es gibt immer etwas zu tun.“ Das gilt auch für die Sportler, die demnächst Aufgaben fürs Training zu Hause bekommen dürften. Schattenboxen, auch Spiegelboxen. Und Liegestütze und Sit-Ups sind ohnehin immer möglich. Heimatverein Rötha: Kontakt per Telefon, Whatsapp, Zettel: Aus dem Osterbasteln im Stadt- und Heimatmuseum in Rötha am 4. April wird in diesem Jahr nichts. Das ist die ganz aktuelle Auswirkung der Corona-Krise auf den Stadt- und Heimatverein. Und auch das Geschwitz-Treffen im Mai wurde vorsorglich schon abgesagt. Das, sagt Bettina Wallasch, die Vereinsvorsitzende, soll später stattfinden. Ansonsten seien die Aktivitäten weitgehend heruntergefahren worden. „Wir kommunizieren per Telefon und Whatsapp, ich habe auch schon Zettel in Briefkästen geworfen.“ Im Museum gebe es aber dennoch immer etwas zu ordnen, aufzuräumen und zu sortieren. Darum kümmere man sich. „Das Haus ist ja groß genug, dass sich zwei Leute aus dem Weg gehen können“, sagt die Vereinsvorsitzende. Sie hofft, dass wenigstens der Völkerschlacht-Gedenktag im Oktober wieder stattfinden kann. Heimatverein Kitzscher: Frühlingswanderung abgesagt: In Kitzscher hat der Heimatverein gerade seine Frühlingswanderung am 18. April abgesagt. Vereinsvorsitzender Franz Waberzeck hatte damit noch etwas gewartet, obwohl die Hoffnung nicht sehr groß gewesen sei. Treffen können sich die Vereinsmitglieder nicht mehr, der Platz im Vereinsraum im Heimatmuseum ist zu gering, um Abstand halten zu können. Das Museum ist ohnehin geschlossen. „Wir telefonieren gelegentlich untereinander“, sagt Franz Waberzeck. Kommentar von André Neumann Das Leben ist mehr als Arbeiten, Geld verdienen und Einkaufen. Spätestens bei der vierten einsamen Laufrunde um den Breiten Teich, nach dem dritten allein und ohne Mitstreiter gebastelten Ostergesteck und wahrscheinlich schon nach dem zweiten Wochenende, an dem nicht eine einzige beliebte Veranstaltung Gelegenheit gab, Freunde und Bekannte zu treffen, wird man merken: Da ist noch etwas ganz Wichtiges, was uns in dieser Corona-Krise ziemlich schnell fehlt. Gemeinschaft. Und wo lässt sich die, wenn nicht in der funktionierenden eigenen Familie, besser erleben als in Vereinen? In Vereinen kommen Menschen mit gleichen Interessen, Hobbys und Absichten zueinander, die in der Gemeinsamkeit mehr Erfüllung finden. Vereine sind aber auch vielerorts die Träger von kulturellem Miteinander. Sie stemmen Veranstaltungen, auf denen sich Menschen begegnen, im fröhlichen Wettstreit messen oder kulturelle Angebote genießen können. Die Mitglieder von Vereinen leisten diese im Grunde unschätzbare Arbeit uneigennützig und für die Gemeinschaft. Dass dieser gesellschaftliche Wert jetzt auf unbestimmte Zeit eingefroren ist, hat hoffentlich keine schlimmen Folgen. Veranstaltungen werden häufig mit viel Mühe gestemmt, fallen sie aus, könnte das im ungünstigsten Fall an der Motivation fürs nächste Mal kratzen. Andererseits könnten Menschen, die in Vereinen oder durch sie Halt und Heimat finden, genau diese wichtige Bindung verlieren, wenn die derzeitige Situation zu lange dauert. Vereine, das steckt schon im Wort selbst, brauchen genau das, was jetzt wegen der Gefahren durch den Corona-Virus unterbunden wird: Kontakt. Möge es bald vorbei sein. Von Julia Tonne/André Neumann/Nikos Natisidis/Olaf Krenz

Gelassenheit und Sorgen - Vereine im Bornaer Land bedauern Kontaktverbot und Absagen