Delitzsch: Auf dem Kartoffelhof Lienig läuft die Kartoffelernte

Zu den Kartoffelanbauern in Sachsen gehört der Kartoffelhof Lienig in Döbernitz vor den Toren von Delitzsch. „Knapp 14 Tage werden wir noch ernten“, erklärt Geschäftsführerin Andrea Lienig. Auf 200 der insgesamt zum Betrieb gehörenden 500 Hektar Acker baut sie Kartoffeln an. 25 Sorten sind es in diesem Jahr wieder. Doch nicht alle der in der Lober-Aue gewachsenen Kartoffeln landen auf den Tellern der Verbraucher. Andrea Lienig und ihr 15-köpfiges Mitarbeiterteam sorgen vor allem dafür, dass es immer wieder im Frühjahr Pflanzkartoffeln gibt. Die wachsen auf 120 Hektar auf dem Kartoffelhof heran. Ob sie alle auch als Pflanzkartoffeln geeignet sind, steht noch nicht fest. Untersuchung im Institut: „Aus allen geernteten Chargen der Pflanzkartoffeln werden Proben genommen, die dann im Institut für Pflanzengesundheit in Nossen untersucht werden. Erst wenn der Nachweis vorliegt, dass sie frei von Viren und Krankheiten sind, sind sie als zertifizierte Pflanzkartoffeln zugelassen“, erklärt die studierte Landwirtin. Vier bis sechs Wochen dauert es noch, bis Andrea Lienig weiß, wie viele der geernteten Pflanzkartoffeln auch diese Bezeichnung tragen können und im nächsten Jahr zum Beispiel in Kleingärten in die Furche gelegt werden. Sie sei hoffnungsvoll. Auch mit Blick auf die gesamte Ernte. „Wir haben auf 95 Prozent der Flächen beregnen und so den Wasserhaushalt gut regulieren können. Deshalb fällt die Ernte auf alle Fälle besser aus als in den beiden Jahren zuvor“, so Lienig. Dann wird sie nachdenklich, die Stimme leiser. Corona wirkt sich auch in der Landwirtschaft aus. Nicht etwa nur beim Thema Erntehelfer wie im Obst- und Spargelanbau, sondern auch beim Absatz. Die vielen ausgefallenen Feste und Veranstaltungen, weniger Absatz von Pommes und dann noch die Situation in der Gastronomie sind folgenreich auch für die Landwirtschaft. Gunda und Laura sind beliebt: Was sind die gefragtesten Kartoffeln auf ihrem Hof, wenn Kunden in den Hofladen kommen? „Das sind immer noch mehligkochende Kartoffeln wie Gunda und Talent. Beliebt ist aber auch die rotschalige Laura“, sagt Andrea Lienig. Wenn auf dem Kartoffelhof Ernte ist, dann werden von den Mitarbeitern auch die angebauten Sorten verkostet. Ab und an gibt es dann zu Mittag Pellkartoffeln mit Quark. Herkunft und Geschichtliches Die Heimat der Kartoffel ist Südamerika. Die dort lebenden Völker kultivieren sie seit mindestens 5000 Jahren und bauen sie noch heute in bis zu 4000 Metern Höhe an. Als sicher gilt, dass die Spanier die Kartoffel als Nutzpflanze im Reich der Inkas entdeckten und mit nach Europa brachten. Hier wurde sie aufgrund ihrer schönen Blüte als Gartenpflanze angebaut. Erst ab Mitte des 17. Jahrhunderts wurde vor allem in Oberfranken und im Vogtland erkannt, dass die Kartoffel nicht ins Blumenbeet, sondern in den Kochtopf gehört. In Deutschland erreichte der Kartoffelanbau vor dem Ersten Weltkrieg seine größte Ausdehnung. Auf 3,5 Millionen Hektar wurden 45 Millionen Tonnen geerntet und 289 Kilogramm pro Kopf verzehrt. Im Jahr 2010 betrug der Pro-Kopf-Verbrauch nur noch 59 Kilogramm. 11,5 Millionen Tonnen Kartoffeln wurden damals pro Jahr in Deutschland geerntet. Sie wurden auf 265000 Hektar angebaut. Festkochend, vorwiegend festkochend und mehligkochend Es gibt drei Typen von Kartoffeln: Festkochende, vorwiegend Festkochende und Mehligkochende. Festkochende eignen sich besonders für Pell- und Salzkartoffeln, Bratkartoffeln und Kartoffelsalat. Das sind zum Beispiel Sorten wie Linda, Nicola, Cilena, Selma und Princess. Vorwiegend Festkochende sind ebenso für Pell- und Salzkartoffeln geeignet, aber auch für Aufläufe und Suppen. Sorten wie Christa, Agria, Arkula, Laura, Leyla oder Rosara sind als vorwiegend festkochend einzuordnen. Die Mehligkochenden sind besonders geeignet für Kartoffelpüree (Kartoffelbrei), für Klöße, Suppen und auch für Aufläufe. Dazu zählen Sorten wie Adretta, Afra und Likaria. Tipps für eine gute Lagerung Dunkle Räume: Ist der Raum zu hell, bekommen die Kartoffeln grüne Stellen. Kühle Lagerung: Sind die Temperaturen zu hoch, keimen Kartoffeln schnell. Frostfreie Lagerung: Ist es zu kalt, werden die Kartoffeln süß. Ursache dafür ist der Abbau der Stärke zu Zucker. Bei leichtem Erwärmen der Kartoffeln wird der Zucker wieder in Stärke umgewandelt, die Kartoffeln sind dann nicht mehr süß. Diese Rückwandlung ist nach Frosteinwirkung nicht mehr möglich. Andrea Lienig selbst mag gern Kartoffelbrei. „Klassisch zubereitet mit Milch, Butter, Muskatnuss und gerösteten Zwiebeln. Alles schlage ich mit dem Mixer. Gestandene Hausfrauen und Köche mögen mir verzeihen, dass ich keinen Stampfer benutze“, erklärt sie lachend. Mit Hähnchenschnitzel kombiniert sei das ihr Lieblingsgericht. Betrieb im Hofladen: Das Telefon klingelt. Freundlich, aber auch klar gibt die Chefin Anweisungen, wer von den Mitarbeitern am nächsten Tag welches Fahrzeug fährt und dass man auch daran denken müsse, dass einer der Hänger zum Tüv muss. Ein Blick aus dem Bürofenster verrät, im gegenüber liegenden Hofladen herrscht Betrieb. In diesen Tagen schauen viele Kunden vorbei, um sich mit den Knollen einzudecken. Wenn auch in den letzten Jahren die Zahl der Haushalte abgenommen habe, in denen noch Kartoffeln eingekellert wurden, so kommen auf dem Kartoffelhof dennoch viele Kunden vorbei, um sich gerade damit einzudecken. Auf dem Land ist das halt noch üblich. Aber auch in anderen Abpackgrößen wandern rote und gelbe Knollen über den Ladentresen. Ob mehlig- oder festkochend, mit gelbem oder rötlichem Innenleben – kein Wunsch in Sachen Kartoffeln bleibt hier offen. Andrea Lienig bedauert, dass es in diesem Jahr das beliebte Hoffest aufgrund von Corona nicht geben wird. Auch in Leipzig fällt das große Kartoffelfest aus. Die Döbernitzerin hofft, dass die geplante Rassekaninchenschau am 14. und 15. November auf ihrem Betriebsgelände stattfinden kann und dass dann auch mancher Kartoffelfreund im Hofladen vorbeischaut, um sich mit seinen Lieblingserdäpfeln einzudecken, sofern er noch nicht seinen Wintervorrat gekauft hat. Von Bärbel Schumann