Delitzsch: Wie ein 117 Jahre alter Wasserturm zum Boardinghaus mit Restaurant wird

Wenn ein verfallendes technisches Denkmal ein neues Leben und eine neue Nutzung bekommt, dann ist das immer etwas Besonderes. Erst recht bei einem Wahrzeichen, das so die Stadtsilhouette bestimmt, wie ein Wasserturm. Derzeit wird im Süden der Loberstadt vor den Toren der Messestadt Leipzig ein solches 117 Jahre altes Bauwerk für eine Zukunft als Boardinghouse und Restaurant fit gemacht. Im Gegensatz zum Hotel quartieren sich die Nutzer der Appartements in einem solchen Beherbergungsbetrieb für längere Zeiträume ein, aber es gibt ebenfalls einen hotelähnlichen Service. Ein Mantel um den Turm: Die Denda-Architekten aus Markkleeberg haben den Neubau als einen breiten Mantel entworfen, der den Turm an der Nordseite umschließt. Schon die Gruben für das neue Fundament zeichnen die Segmente in Form abgestumpfter Tortenstücke vor. Linien, die sich in den Grundrissen der einzelnen Wohndomizile darüber wiederfinden. „Da wird alles rund“, brachte es Roland Henze Bauleiter der Firma Landbau Eilenburg, die jetzt den Rohbau errichtet, auf den Punkt. Im Oktober hatten die Gerüstbauer das Bauobjekt schon mal völlig umstellt. Denn der Turmkopf musste abgetragen werden. Für sie war die Höhe des Bauwerkes zwar keine Herausforderung. Aber die runde Form der Gerüst-Konstruktion aus Rohren und Brettern, die rund um das Industriedenkmal errichtet wurde, stellte auch für sie etwas Besonderes dar. Zierelemente kommen wieder: Nun steht die Rüstung nur noch auf der Nordseite des Bauwerks. Die Klinkerfassade wird gereinigt. Und auch der Turmkopf soll wieder aufgebaut werden. Die Visualisierung der aktuellen Planungen zeigt, dass auch die Zierelemente auf dem Turmkopf wieder aufgebaut werden sollen. Dieser Teil des technischen Bauwerks hatte den Wasserbehälter enthalten. Künftig soll er in das Turmrestaurant auf dieser Etage integriert werden. Es wird den wohl besten Blick über die Delitzscher Region bieten. 1903 war der 44 Meter hohe Turm errichtet und mit weiteren Anlagen in Betrieb genommen worden, um den gestiegenen Bedarf in der Wasserversorgung gerecht zu werden. 1982 wurde der Turm auf die Denkmalliste gesetzt. Schließlich zeigt er sich „in seiner reduziert historistischen Gestaltung kombiniert mit innovativen Konstruktionsmethoden als typisches Bauwerk des beginnenden 20. Jahrhunderts. Er prägt das Stadtbild von Delitzsch und ist von ortsgeschichtlicher, technikgeschichtlicher und baugeschichtlicher Bedeutung.“ 1993 vom Netz genommen: 1993, als das neue Delitzscher Wasserwerk an der Bitterfelder Straße den Dauerbetrieb aufnahm, wurde er vom Netz genommen, und einige Jahre später verkauft. Damit aber war erst einmal er dem Verfall preisgegeben. Schließlich lösten sich sogar Teile der Gesimse. Wegen herabfallender Bauteile musste das Areal gesperrt werden. Bevor es zur Sanierung kam, mussten unter anderem erst Eigentumsfragen geklärt und ein tragendes Nutzungs-Konzept entwickelt werden. Nun wird mit einem Jahr für die Errichtung des Rohbaus und ein weiteres Jahr für den Innenausbau gerechnet. Investor ist der aus Delitzsch stammende Tarik Wolf. Die Loberstadt erhält damit ein Alleinstellungsmerkmal. Denn eine derartige Umnutzung ist nicht so leicht wieder zu finden. Wohnhaus und Kletterareal: In Eilenburg war der 1916 als eines der ersten Stahlbetonbauwerke errichtete ECW-Wasserturm als Löschwasserreservoir und über ein Arbeitsbeschaffungsprojekt restauriert worden. 2004 wurden die Arbeiten offiziell beendet. Ein kleinerer Turm in der Muldestadt wurde zum außergewöhnlichen Wohnhaus. In Torgau ist der Behälter des restaurierten, weithin sichtbaren Wasserturms zwar funktionsfähig. Er wurde aber auch nach der Restaurierung nicht wieder befüllt. Das Gebäude beherbergt eine Sammlung von materiellen Zeugen der Wasserversorgungs-Historie wie Fotos, alte Wasseruhren, Holzleitungen. Im Leipziger Stadtteil Mockau wiederum wurde der Turmkopf gänzlich abgenommen. Der offene Turmschaft wird als Kletterareal genutzt. Von Heike Liesaus