Döbeln: Bombenlegern bleibt der Knast erspart

In Tschechien sind Alkohol und Zigaretten billiger als in Deutschland. Und es gibt noch andere Sachen, die richtig knallen. Kugelbomben zum Beispiel. Also Teile, die in die Luft fliegen und schöne Effekte an den Himmel zaubern. Wenn man sie sachgemäß als Feuerwerk verwendet. Drei Männer aus der Region Döbeln brachten sich so ein Teil aus Bozi Dar mit. Sie waren auf der Rücktour von einem Skiausflug am Klinovec (Keilberg). Eigentlich wollten sie nur Schnaps und Kippen kaufen. In Döbeln ließen sie das Teil dann unsachgemäß vor dem Büro der AfD hochgehen. Bis zur Siedlung Roßweiner Straße war die Detonation am 3. Januar 2019 zu spüren, in Döbeln-Ost zitterten die Fensterscheiben. An der Bahnhofstraße in unmittelbarer Nähe der Explosion gingen sie zu Bruch – als die Familie beim Abendbrot saß. „Wenn meine Tochter nicht aufgestanden wäre, wäre sie verletzt worden. Sie hätte tot sein können“, sagte die 45-Jährige Mieterin einer Wohnung an der Bahnhofstraße. „Wer sowas macht, ist doch krank. Wir können doch nichts dafür, wir sind ruhige Leute“, sagte die Frau, die das Geschehene noch immer mitnimmt. Als sie sich mit Richterin Karin Fahlberg, der Vorsitzenden des Schöffengerichts, die Bilder ihrer teilweise verwüsteten Wohnung ansieht, bricht die Frau in Tränen aus. 13 000 Euro Schaden richteten die AfD-Bomber an Gebäuden und Autos an, rund 2000 Euro am Inventar des AfD-Büros. Im AfD-Büro installierte Videokameras filmten die Täter. Die Partei öffnete das Büro nach dem Anschlag recht schnell wieder. Allerdings hatten die Leute Angst, dieses zu betreten, wie eine Zeugin sagte, die damals als dort arbeitete. Der Roßweiner Angeklagte hatte in seiner Wohnung 125 Gramm getrocknete Cannabis-Blüten. Wirkstoffgehalt: Rund sieben Gramm THC. Darum wurde er auch für den Besitz nicht geringer Mengen Betäubungsmittel verurteilt. Das Gericht nahm einen minder schweren Fall an. Bei der Beihilfe zum Explosionsverbrechen konnte das Gericht den Strafrahmen ebenfalls senken, weil es den Roßweiner als vermindert schuldfähig ansah (Alkohol). So war eine Gesamtstrafe von unter einem Jahr möglich. Als Beihilfe wertete das Gericht, dass er dabei war, als die Bombe gezündet wurde. Dem Gesetz reicht diese psychische Unterstützung der eigentlichen Täter. Gras wurde auch dem 34-jährigen Waldheimer zum Verhängnis. Die 6. Große Strafkammer des Landgerichtes Chemnitz verurteilte ihn 2016 wegen des Besitzes nicht geringer Mengen an Betäubungsmitteln zu acht Monaten Haft mit Bewährung (minder schwerer Fall). Die Probezeit war bereits vorbei, als der Mann im Januar 2019 die Bombe vorm AfD-Büro legte. Diese Pyrotechnik ist eigentlich dafür gedacht, bunte Sterne über den Himmel zu verteilen. Zunächst treibt eine Pulverladung die Kugelbombe mit 15 Zentimeter Durchmesser aus dem Abschussrohr, dann zündet die Zerlegeladung (reichlich ein Kilo Schwarzpulver) und verteilt die Effekte, die aus Magnesium und Aluminium bestehen. Diese brennen normalerweise mit über 1000 Grad Celsius am Himmel. Am 3. Januar brannten sie im Büro der AfD Döbeln, hätten dieses auch richtig in Brand setzen können, wie ein Sachverständiger im Prozess aussagte. Einen solchen Hochsicherheitsprozess hat das Amtsgericht noch nicht erlebt. Etliche Justizwachtmeister des Oberlandesgerichtes – sie sichern sonst die Nazi-Terror-Prozesse in Dresden ab – waren im Einsatz, dazu deren Kollegen vom Landgericht. Auch Polizisten des Polizeireviers Döbeln unter der Leitung des 1. Polizeihauptkommissars Andree Wagner waren zur Sicherheit im Amtsgericht. Besucher mussten sich durchsuchen lassen, Mobiltelefone abgegeben. das galt auch für Journalisten, die sonst der Presseausweis vor der Kontrolle schützt (Redaktionsgeheimnis). Und das geht dem jüngsten Angeklagten, einem 30-jährigen Waldheimer, offenbar sehr nahe. Auch er scheint mit den Tränen zu kämpfen – mit Tränen des Bedauerns über den angerichteten Schaden an Material und Seele. „Es tut mir aufrichtig leid. Es war die größte Dummheit meines Lebens“, bat der 30-Jährige um Verzeihung. Die Mitangeklagten, ein 34-jähriger Waldheimer sowie ein 51-Jähriger aus Roßwein schlossen sich dem an. Bereits in ihren Einlassungen klang die Reue durch. Dass die Schäden diese Ausmaße annehmen würden, sei ihnen nicht klar gewesen, sagten sie sinngemäß allesamt zur Tat. Die hat sich folgendermaßen abgespielt: Die drei waren am Klinovec Ski fahren, stoppten auf dem Rückweg beim Vietnamesen, um sich mit Alkohol und Zigaretten einzudecken, weil das bei den Tschechen weniger kostet. Sie kauften dann noch die Kugelbombe, ein Restposten. Auf der Rückfahrt trinken der jüngere Waldheimer und der Roßweiner einen Kräuterschnaps aus Karlovy Vary aus der Flasche. In Döbeln wollen sie zum Armen Ali Döner essen gehen und dann noch einen Bekannten treffen. Der ältere Waldheimer parkt bei Edeka, der jüngere Waldheimer nimmt die Kugelbombe mit. Legt sie schließlich bei der AfD aufs Fensterbrett, der 34-Jährige zieht eine 240-Liter Müllbütte davor und der jüngere zündet an. Es rummst gewaltig. „Es kann sein, dass mein Mandant damals in seinem besoffenen Kopf gesagt hat ,schönen Gruß an die AfD’. Die AfD ist nicht die Partei, die er gut findet“, sagte Rechtsanwalt Andreas Meschkat, der den Mann verteidigte. Bei den anderen Angeklagten sah das ähnlich aus, wobei der Roßweiner eigentlich zu betrunken war, um richtig zu realisieren, bei was er da mit von der Partie war. Ihn weckte die Polizei in einer verqualmten Bude. Er hatte sich Essen warm gemacht und war darüber eingeschlafen... . Trotz Reue und wiederholten Bekundungen, den Schaden wieder gut zu machen, trotz Arbeit und gefestigter sozialer Verhältnisse will Staatsanwalt Thomas Reglitz die Waldheimer eingesperrt wissen. Für zwei Jahre und vier Monate den Älteren, für zwei Jahre und zwei Monate den Jüngeren. Der Roßweiner soll neun Monate Haft mit Bewährung als Gesamtstrafe für die Beihilfe zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion in Idealkonkurrenz mit versuchter Brandstiftung, Sachbeschädigung und Vergehen nach Sprengstoffgesetz sowie eines Drogenverbrechens im minder schweren Fall (125 Gramm Marihuana) erhalten. „Das geschah aus Ablehnung der politischen Einstellung der AfD, wenngleich es kein länger geplantes linksextremistisches Komplott war“, sagte der Staatsanwalt, der nicht an eine „Zufallstat auf dem Weg zum Döner“ glaubte. Die Verteidiger plädierten allesamt auf Bewährungsstrafen. Und das Gericht überlegte nach Worten der Vorsitzenden lange, ob es dem nachkommen kann. „Wenn ich so ein Ding zünde, damit es bloß knallt, lege ich es nicht aufs Fensterbrett“, sagte Richterin Fahlberg, weshalb auch das Gericht einen Anschlag auf das AfD-Büro sah. „Sie haben Dinge von erheblichem Wert und Personen gefährdet.“ Das Gericht sprach die Waldheimer des Explosionsverbrechens in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung, Sachbeschädigung und Vergehen nach Sprengstoffgesetz schuldig, den Roßweiner wegen Beihilfe dazu sowie wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Neun Monate mit Bewährung gab es dafür als Gesamtstrafe. Die Waldheimer müssen auch nicht ins Gefängnis. Zwei Jahre mit Bewährung lautete das Urteil für den Älteren, ein Jahr und elf Monate mit Bewährung für den Jüngeren. „Sie haben gesagt, dass Sie den Schaden wieder gut machen wollen. Das können Sie nicht, wenn wir Sie inhaftieren“, sagte Richterin Karin Fahlberg. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Von Dirk Wurzel

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