Nordsachsen bekommt ersten Bestattungswald

Das Jahr 2021 wird auch in Sachen Bestattung für die Nordsachsen etwas Neues bringen. Wie Marcel Aé gegenüber dieser Zeitung bestätigte, darf er ab 1. Mai in Noitzsch (Gemeinde Zschepplin) den ersten Bestattungswald im gesamten Landkreis betreiben. „Seit September 2020 habe ich für die sechs Hektar große Fläche alle Genehmigungen beisammen“, freut sich der Besitzer des Waldes. Der gelernte Kfz-Meister, der den insgesamt 50 Hektar großen Wald einst von der Treuhand erwarb, beschäftigt sich schon seit Längerem mit dem Gedanken, einen Teil seines Forstes zwischen Hohenprießnitz und Noitzsch in einen Bestattungswald umzuwandeln. Bestatten lassen unter Eichen und Buchen: Dass es seit den ersten Gesprächen im Jahr 2018 bis zur jetzigen Genehmigung so lange dauerte, er zuletzt beispielsweise noch ein Bodengutachten beim Landratsamt einreichen musste, dafür hat Marcel Aé durchaus Verständnis. Schließlich sei es zwar der zehnte Bestattungswald in Sachsen, aber eben absolutes Neuland in Nordsachsen. Künftig kann man sich nun jedenfalls auch in der Gemeinde Zschepplin unter Eichen und Buchen bestatten lassen. „Aber es muss nicht unbedingt ein Baum sein“, tritt Marcel Aé einem weit verbreiteten Irrtum entgegen. Auf jedem der sechs Hektar gibt es 100 sogenannte Ruhebiotope, bei denen es sich um einen Baum, aber beispielsweise auch um einen Findling handeln kann. Das Biotop könne man sich zu Lebzeiten selbst aussuchen, erklärt er weiter. Es gibt Gemeinschafts- und Familienbäume, an denen bis zu zwölf Urnen bestattet werden können. Trauerfeier bleibt Sache des Bestatters: Marcel Aé verweist dabei darauf, dass ein Vertreter von Ruheforst zwar bei der Trauerfeier dabei sei, „diese aber Sache des Bestatters und der Familie bleibt“. Es sei daher zwar möglich, aber nicht zwingend, dass für die Trauerfeier die Andachtsstelle im Wald genutzt wird. Die Grabstelle selbst koste dabei laut der von der Gemeinde verabschiedeten Friedhofssatzung ab 600 Euro. Bestattet werden kann hier jeder, auch wer nicht aus der Gemeinde kommt. Gemeinde ist der Träger des Ruheforstes: Träger des Ruheforstes wird die Gemeinde Zschepplin. Zwischen der Kommune und Marcel Aé, der sich den Ruheforst mittelfristig durchaus als Haupterwerb vorstellen kann, gibt es einen Vertrag, der die Gemeinde finanziell beteiligt. Die Gemeinderäte, die seit 2018 mit der Thematik beschäftigt waren, hatten dafür im Juni 2019 endgültig grünes Licht gegeben. Zuvor hatte der Kirchenkreis beziehungsweise die Kirchgemeinde, die von der Gemeinde in die Pläne einbezogen worden waren, eine Trägerschaft abgelehnt. Doch da nach den Bestattungsgesetzen der Bundesländer nur die Gemeinden oder eben öffentlich-rechtliche Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften Träger sein dürfen, war die von Marcel Aé von vornherein favorisierte kommunale Trägerschaft die einzige verbleibende Möglichkeit. Letztendlich zählte dabei für die Gemeinderäte vor allem das Argument, dass die Leute selbst über ihre Beerdigung entscheiden dürfen sollten. Es wog schwerer als beispielsweise die Bedenken des Kirchspiels Krippehna, dass mit dem Ruheforst den Unterhalt der fünf kirchlichen Friedhöfe noch schwieriger werde. Doch bis es zu ersten Beisetzungen kommt, bleibt für Marcel Aé auch jetzt noch einiges zu tun. „Obwohl es sich um einen Mischwald mit starkem Laubbaumbestand handelt, haben wir auch hier Dürreschäden.“ Sogar ein paar starke alte Rotbuchen seien eingegangen. Das Flair eines Ruheforstes sei aber noch da, verspricht er. In den nächsten Monaten müsse er nun aber noch Totholz aus dem Wald holen. Zudem muss ein Parkplatz fertig eingerichtet und der Weg instand gesetzt werden. RuheForst GmbH gibt fachliche Unterstützung: Marcel Aé bekommt bei seinem Vorhaben fachliche Unterstützung von der RuheForst GmbH, neben der FriedWald GmbH eine der beiden großen Gesellschaften in Deutschland, die als eine Art Franchise-Unternehmen Bestattungswälder betreiben. Der Freistaat Sachsen will sein Bestattungsgesetz erneuern. Sozialministerin Petra Köpping hat daher bereits im November eine Umfrage zur künftigen Regelung der Bestattung gestartet. In dem Aufruf heißt es: „Die traditionelle Friedhofs- und Bestattungskultur in Deutschland befindet sich im Wandel. In den vergangenen Jahren sind mehr und mehr alternative Formen der letzten Ruhestätte ermöglicht worden. So existieren in Sachsen beispielsweise neben 1220 kirchlichen und 500 kommunalen Friedhöfe neun Bestattungswälder. Aber auch die Berücksichtigung von vielfältigen Religionen und Weltanschauungen spielt eine zunehmend wichtigere Rolle im Bestattungswesen. Und auch Aspekte wie die Verbesserung der ärztlichen Leichenschau, die Digitalisierung der Kommunikation zwischen den Behörden, die sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern, die Neuregelung der Bestattungsfristen oder die Regelungen zur Bestattung von Sternenkindern sind wichtige Aspekte bei der Modernisierung des Bestattungswesens und damit des Gesetzes.“ Die Sachsen werden daher vom Sozialministerium aufgefordert, sich aktiv bei der Ausgestaltung des neuen Bestattungsgesetzes einzubringen. Bis zum 17. Januar 2021 können diese in den vier Abschnitten Friedhofswesen, Leichenwesen, Bestattungswesen und sonstige Anmerkungen formlos Stellungnahmen dazu geben. Am einfachsten ist dies möglich unter: https://mitdenken.sachsen.de/bestattungsgesetz RuheForst selbst ist ein markenrechtlich geschützter Begriff für einen Bestattungswald, in dem eine Beisetzung von Totenasche in Urnen möglich ist. Die Grabstelle wird ausgewiesen, ist als solche jedoch nicht erkennbar. Eine individuelle Pflege wie auf herkömmlichen Friedhöfen ist unmöglich und auch unzulässig. Damit hat Marcel Aé durchaus auch den demografischen Wandel im Blick. Immer öfter stelle sich schließlich die Frage, wer das Familiengrab pflegt. Eine Bestattung im Wald, bei der die Pflege der Natur überlassen wird, sieht er da als eine angemessene Lösung. Wald bleibt aber in erster Linie Wald: Der Wald bleibt dabei auch künftig in erster Linie Wald, auch wenn im Grundbuchamt dann die Friedhofsnutzung steht. Im Sächsischen Waldgesetz ist zudem geregelt, dass der Betreiber den Forstschutz sicher stellen muss. Der Wald, der zudem als jagdfreie Zone ausgewiesen wird, hat auch noch 20 Jahre nach der letzten Beisetzung den Status eines Bestattungswaldes. Marcel Aé stört dies nicht: „Wir planen den Ruheforst ohnehin für einen Zeitraum von 100 Jahren.“ Von Ilka Fischer