Abschied von der Wurzelbude: Erzieherin Viola Legel aus Rathendorf geht nach 30 Jahren

Wenn Viola Legel in Rathendorf unterwegs ist, wird sie angesprochen. Dass sie sich nach dreieinhalb Jahrzehnten als Erzieherin kürzlich zur Ruhe setzte, ändert daran nichts. Die 64-Jährige ist bekannt und beliebt. Viele Rathendorfer wuchsen unter ihrer Zuwendung heran, viele haben selbst längst Kinder. Dass die pädagogische Arbeit einmal ihre Lebensaufgabe sein würde, hatte die gebürtige Frohnsdorferin nicht geplant: Sie lernte Technische Zeichnerin in der Energieversorgung, sattelte erst später um, qualifizierte sich – und gehörte zu jenem kleinen Team, das nach der Jahrtausendwende den Evangelischen Naturkindergarten „Wurzelbude“, getragen von der Kirchgemeinde, aufbaute. „Es ist schön, wenn ich im Dorf die Kinder treffe, und die freuen sich, mich zu sehen“, sagt Viola Legel. Gern räumt sie ein, dass der Abschied aus dem Beruf ihr nicht leicht fällt. Doch sie möchte sich mehr Zeit nehmen für die Familie, für die entfernt lebenden erwachsenen Kinder, die Enkel. Für den Mann Herbert, der sie in den siebziger Jahren nach Rathendorf holte und mit dem sie nicht nur familiär eine Einheit bildet. Herbert Legel ist Feuerwehrmann durch und durch, sie selbst Feuerwehrfrau. Kindergarten und Feuerwehr sind in Rathendorf über viele Kontakte verbunden. Die bleiben. Viola Legel ist nicht aus der Welt, die ja das Dorf ist. Auch im Kirchenvorstand bleibt sie aktiv. Aus den Klinkerwerk in den Kindergarten: „Mit Kindern zu arbeiten, das hat mich interessiert. Das war schöner als Büro. Und dass es im Dorf war, hat mir gefallen“, erinnert sich Viola Legel an ihren Seiteneinstieg im Rathendorfer Kindergarten. 1977 war sie hergezogen. „Wir mussten heiraten, weil wir mein Elternhaus umbauen wollten. Sonst hätten wir keine Genehmigung gekriegt“, sagt Herbert Legel. Seine Frau fand eine Anstellung im Narsdorfer Klinkerwerk, doch das Gelbe vom Ei war das nicht. Der Zufall kam zu Hilfe: Was als Erzieher-Vertretung in der Babyzeit begann, trug plötzlich über Lebensjahrzehnte. Margitta Voigt, die die kleine Einrichtung mit gut 30 Kindern damals leitete, ermutigte sie, eine pädagogische Ausbildung zu machen. Mit der geriet sie in die Wende-Umbrüche. Voigt und Legel legten nach mit dem bundesdeutschen Abschluss als Erzieherin, um auch Krippen- und Hortkinder betreuen zu dürfen. Der Geburten-Knick in den Neunzigern brachte allerdings den kommunalen Kindergarten in höchste Gefahr. „Wurzelbude“ strahlt weit über Rathendorf aus: Die Idee entstand, die Einrichtung in Trägerschaft der Kirchgemeinde zu geben und zu retten. Der verheerende Brand der Rathendorfer Kirche im März 2000 wirkte als Katalysator: Das Dorf rückte ganz eng zusammen, das leer stehende Pfarrhaus als Kindergarten-Domizil in den Blick. „Der Kirchenvorstand sagte, wir wagen es. Keiner wusste, wie es angenommen wird“, sagt Viola Legel. Die Pfarrscheune wurde entkernt, ein Neubau zwischen sie und das Pfarrhaus gesetzt. Einzug war im November 2005. Das Konzept, das christliche Elemente und Naturnähe miteinander verbindet, überzeugte. Die Zahl der Mädchen und Jungen verdoppelte sich. Der Einzugsbereich wuchs weit über Rathendorf hinaus. Ein Erweiterungsbau wurde nötig für den Hort. Der Kindergarten ist ein Mittelpunkt des Dorfes: In der Rückschau frappiert es, „was wir gemeinsam geschafft haben“. Dieses Gemeinsam schließt viele ein. Den Landwirt Philipp Hainich etwa, der für die Kinder den „Igel-Wald“ zur Verfügung stellt. Die Agrargenossenschaft. Die Firmen im Dorf. Und natürlich die Feuerwehr, die nicht nur zum Zuckertütenfest vorfährt und deren Maibaumsetzen die Kinder mit einem Programm umrahmen. Herbert Legel erinnert sich gern an den „Hitze-Alarm“ an einem Hochsommertag: „Der Kindergarten rief an bei uns, und wir rückten aus, brachten 500 Liter Wasser zur Abkühlung.“ Nicht zu vergessen die Dorffeste mit dem „Abendgruß“, bei dem Viola Legel gern mit auf der Bühne stand. Doch der Rückzug aus dem Beruflichen ins Private kennt für sie diese strikte Trennung nicht. Und vielen im Dorf gehe es ähnlich. Genau diese Gemeinschaft mache es ja lebenswert. Von Ekkehard Schulreich