Wenn ein Mensch zu ertrinken droht, darf die Grimmaer Feuerwehr nicht helfen

Das Problem brennt den Kameraden der Grimmaer Stadtfeuerwehr seit mehr als einem Jahr auf den Nägeln. Weil im Mai 2019 das TÜV-Prüfsiegel der Rettungswesten ablief, können sie ihre zwei Boote im Ernstfall nicht einsetzen. Der Stadt Grimma wird deshalb – milde formuliert – ein Versäumnis entgegen gehalten. Es gab Diskussionen. Allerdings scheint die Kuh jetzt vom Eis zu kommen. Beigeordnete Ute Kabitzsch informierte auf LVZ-Nachfrage, dass am 18. Juni der Fördermittel-Bescheid im Stadthaus eingetroffen ist und die Bestellung in der nächsten Zeit ausgelöst wird. Mehr als 10.000 Euro für 60 Rettungswesten: Grimma ordert 60 neue Rettungswesten und einen Werkzeugsatz. Denn je ein Boot halten auch die Ortsteil-Feuerwehren Kössern, Nerchau, Mutzschen, Großbothen und Hohnstädt vor. Die Kommune erhält übers Landratsamt exakt 5248,10 Euro und muss bei 50-prozentiger Förderung dieselbe Summe aus eigener Kraft aufbringen. Laut Kabitzsch werden bei der beschränkten Ausschreibung drei Anbieter angefragt. Versprechen möchte sie nichts, denkt aber, dass die Sache im September abgehakt ist. Ihren Worten zufolge werden Rettungswesten erworben, die die Stadt künftig selber prüfen kann. Dann braucht es keinen Stempel vom TÜV. Beigeordnete: Wehren für Wasserrettung nicht zuständig: Das Geld für die Rettungswesten sei im Haushalt 2020 verankert und um den Jahreswechsel herum der Fördermittelantrag gestellt worden, erläutert die Beigeordnete und räumt mit Blick auf den im Mai 2019 erloschenen Prüfstempel ein: „Das war vielleicht etwas spät“, die alten Westen seien aber noch in Ordnung. Kabitzsch betont in dem Zusammenhang, dass die Grimmaer Feuerwehren im Notfall mit eingreifen können, aber für die Wasserrettung nicht zuständig seien. Ihren Worten zufolge müsste Grimma deshalb – theoretisch gesehen – Boote nicht vorhalten. Im Alarmierungsfall zählt jede Minute: Das mag sein. Im Alarmierungsfall, wenn jede Minute zählt, sind die Grimmaer Feuerwehrleute aber gerade im Stadtgebiet meist am schnellsten am Einsatzort. Das gilt auch für Gewässer. Momentan sind ihr Metall- und ihr Schlauchboot, die im Gerätehaus lagern, auf Status 6 gesetzt – „Außer Betrieb“. Denn die Rettungsweste gehört zur Schutzausrüstung und ist beim Einsatz vorgeschrieben. Grimmas Feuerwehr-Sprecher: „Wir brauchen die Boote“: Auch dem Sprecher der FFW Grimma, Thomas Knoblich, ist mehr als unwohl bei dem Gedanken, dass seine Kameraden mit ihren Booten derzeit nicht zu Hilfe eilen können. Er mag sich gar nicht vorstellen, sollte es um ein Menschenleben gehen. „Wer hält dann den Kopf hin?“ Doch auch eine Alarmierung wie am 11. Juni, als an der Hängebrücke der Verdacht eines Ölfilms auf der Mulde vorlag, führt seinen Worten zufolge die Notwendigkeit der Boote und ihres Einsatzes vor Augen. Ob zur Rettung von Mensch und Tier, ob zur Bergung, bei Hochwasser oder der Absicherung des jährlichen Triathlons: „Wir brauchen die Boote“, bekräftigt Knoblich. Wegen ihrer schweren Ausrüstung sind für Feuerwehrleute Rettungswesten mit einer Auftriebskraft von 275 Kilonewton vorgeschrieben, erläutert der Pressesprecher. Und wegen der Bewegungsfreiheit beim Einsatz seien jene von Vorteil, die sich erst bei der Wasserberührung aufblasen. Rechtzeitig auf das Problem hingewiesen: Knoblich zufolge haben die Grimmaer Kameraden rechtzeitig und regelmäßig auf das abgelaufene Datum hingewiesen. Zur Jahreshauptversammlung Ende Februar brachten sie dann das Problem im Beisein von Oberbürgermeister Matthias Berger (parteilos) erneut auf den Tisch. „Wir wollen nur die Vorschrift einhalten“, so Knoblich. Gemeint ist die Unfallverhütungsvorschrift für Feuerwehren, nach der beim Einsatz auf Seen oder Flüssen ordnungsgemäße Rettungswesten zu tragen sind. Die Wehren wurden nach dem Hochwasser 2002 mit den Booten ausgestattet. Weil es derzeit genügend Bootsführer gibt, hat laut Kabitzsch die Gemeindewehrleitung entschieden, in diesem Jahr den Lkw-Schein zu fördern. Deshalb seien die vorsorglich angemeldeten Bootsführer-Kurse wieder abgesagt worden. Lesen Sie auch: Das brachten die Grimmaer Kameraden zur Jahreshauptversammlung 2020 vor. Von Frank Prenzel