AfD und Corona: Geht die Partei an der Pandemie zugrunde?

Krisen machen die AfD stark, das war schon immer so. Zum Beispiel in den Wochen nach der Kölner Silvesternacht. Da erreichte die Partei in bundesweiten Umfragen bis zu 18 Prozent Zustimmung. Viele vermuteten, dass die Partei auch von der Corona-Krise profitieren würde. Aber es kam anders. Die AfD verliert an Zustimmung, in Ostdeutschland sogar dramatisch. Ende 2019 galt die Partei hier noch als stärkste Kraft, mit 24 Prozent Zustimmung. Nun, laut einer aktuellen Umfrage der „Bild am Sonntag“, sind es nur noch 18 Prozent. Die AfD ist im Osten auf Platz drei gerutscht und fällt hinter CDU (30 Prozent) und Linke (19 Prozent) zurück. Manch einer redet nun schon vom Ende der AfD. Sie erlebe derzeit ihre „tiefste Krise“, heißt es. Sogar ihr eigener Vorsitzender Alexander Gauland warnt vor dem „Zerfall der Partei“. Kann das sein? Interne Streitereien statt Corona: Um zu verstehen, warum die AfD an Zustimmung verliert, kann man sie zum einen selbst fragen. Siegbert Droese ist der Leipziger Vorsitzende und sagt: „Mir gefallen die Umfragen nicht.“ Für ihn hat das Tief aber weniger mit Corona zu tun – und mehr mit seiner Partei selbst. In den vergangenen Monaten fiel sie durch viele interne Streitereien auf. Um nur drei Ereignisse zu nennen: Der Brandenburger AfD-Chef Kalbitz boxte im August einen Parteikollegen zur Begrüßung so fest, dass dieser einen Milzriss erlitt. Kalbitz trat zurück und wurde später aus der Partei ausgeschlossen. Der Parteisprecher Christian Lüth hatte sich schon im April in einem Chat als „Faschist“ bezeichnet, zuletzt wurde bekannt, dass er in einer Berliner Bar davon schwadronierte, Migranten zu „erschießen“ und zu „vergasen“ – auch er wurde entlassen. Zuletzt zerbrach die AfD-Fraktion in Niedersachsen und seither versucht Alexander Gauland deren bisherige Vorsitzende aus der Partei zu schmeißen. „Wir sollten unsere unsäglichen parteiinternen Streitereien beenden“, sagt der Leipziger AfD-Mann Droese. Die Schuld für diese sieht er bei den westdeutschen Landesverbänden, die sich zu sehr in ostdeutsche Belange einmischten und so Streit verursachten. „Ich würde mir wünschen, dass die Verbände im Westen uns mehr nehmen würden, wie wir sind. Ich kann die Situation in Bayern oder Nordrhein-Westfalen auch nicht einschätzen – und mische mich dort nicht ein.“ Corona helfe denen, die das Zepter in der Hand haben: Und die Corona-Krise? Ist auch das Virus ein Grund dafür, dass sich Ostdeutsche derzeit nicht um die Partei zu scheren scheinen? Ja, sagt Droese. Und das liege daran, dass die Arbeit von Verwaltungen und politschen Entscheidungsträgern derzeit schnell spürbar sei. Corona helfe damit vor allem „denen, mit dem Zepter in der Hand“, also den Regierenden. Die AfD regiert aber nirgends. Vielleicht kann man es so zusammenfassen: Während die regierenden Parteien gegen ein Virus kämpfen, ringt die AfD vor allem mit sich selbst. Droese glaubt aber, dass die AfD als Gewinner aus der Krise hervorgehen könnte. „Wir werden hart aufarbeiten, wie die Regierung zu Beginn der Krise gehandelt hat“, sagt er. „Und daraus werden wir auch ein Stück weit Nektar saugen.“ Der Osten steht in der Coronakrise gut da: Nur: Wie hart kann diese Aufarbeitung schon ausfallen? Der Osten steht in der Coronakrise enorm gut da. Zwar werden auch hier wirtschaftliche Folgen zu spüren sein. Aber werden diese, wie alles in dieser Krise, an der Lage anderer Regionen der Welt gemessen werden, also den USA, Österreich, oder eben Westdeutschland. Möglich, dass die ostdeutschen Wähler ihre regierenden Parteien also auch in Post-Virus-Zeiten honorieren – wann immer diese Zeit auch beginnt. Weg wird die AfD dann trotzdem nicht sein. Es ist eine andere ostdeutsche Besonderheit, dass sich wenige Wähler hier fest an Parteien gebunden fühlen. Es ist aber eine AfD-Besonderheit, dass es bei dieser Partei ganz anders ist. Aktuell vertrauen Viele den Regierenden: Der Soziologe Matthias Quent erklärte in einem Interview mit dem „Neuen Deutschland“ einmal, „dass rechtsradikale Einstellungen nicht zunehmen, sondern eben nur politisch abgerufen und mobilisiert werden.“ Die AfD fülle für bestimmte Menschen „eine Repräsentationslücke.“ „Ein einzelnes Ereignis wie die Corona-Krise wird keine ostdeutschen AfD-Wähler von ihrer Partei abbringen“, sagt auch Conrad Clemens. Der Regierungsbevollmächtigte des Freistaat Sachsen war im vergangenen Jahr der Kopf hinter dem Wahlkampfteam Michael Kretschmer. Clemens sagt auch: „Ich beobachte, dass aktuell viele Menschen den Regierenden vertrauen.“ Das habe sich auch an den 69 Bürgermeisterwahlen gezeigt, die diesen Sonntag zum Teil noch in Stichwahlen entschieden werden. Bei keiner einzigen Wahl war ein AfD-Kandidat auch nur über 20 Prozent – geschweige denn in ein Amt – gekommen. Mit Sachthemen gegen die AfD: Auch in Hoyerswerda nicht. Hier wird Torsten Ruban-Zeh in einem Monat seinen neuen Posten als SPD-Oberbürgermeister antreten. An Ruban-Zeh zeigt sich exemplarisch, warum die AfD zu Corona-Zeiten verblasst – indem Leute wie er durch Sacharbeit glänzen. Der Geschäftsführer der Lausitzer AWO betreibt in Hoyerswerda nicht nur eine Reihe an Krankenhäusern und Pflegeheimen, sondern auch zwei Unterkünfte für Geflüchtete. „Durch das Virus war ich in meiner Rolle als Geschäftsführer sehr gefragt und im Wahlkampf sehr sichtbar“, sagt Ruban-Zeh. Man muss dazu wissen, dass Hoyerswerda wiederholt mit rassistisch motivierter Gewalt gegen Geflüchtete von sich Reden machte. Schon 1991 griffen 500 Menschen hier eine Unterkunft an. Auch seit 2015 kam es immer wieder zu Übergriffen. „Aber die AfD hat keinen Angriffspunkt gefunden“, sagt Ruban-Zeh. Man habe die Stadt im Wahlkampf als „Frankfurt am Main 2.0“ bezeichnet. „Wir reagierten, indem wir Bürger einluden“, sagt Ruban-Zeh. „Schulklassen besuchen schon seit 2015 regelmäßig die Unterkünfte.“ Der angehende Oberbürgermeister leitet daraus eine Zukunftsstrategie für alle ab, die sich der AfD entgegenstellen. „Wer die AfD schlagen will“, sagt er, „muss ihr mit Sachthemen entgegentreten. Höchstwahrscheinlich gilt das auch für die Zeit nach Corona. Im Jahr 2021 stehen – neben der Bundestagswahl – auch drei Landtagswahlen im Osten an. Von Josa Mania-Schlegel