Corona-Krise: Krankenschein auf Abruf kommt rings um Leipzig meist gut an

„Wir hatten in dieser Woche durchweg gut zu tun“, versichert Carsten Mank, der in der Hausarztpraxis seiner Frau Julia Mank in Leipzig-Leutzsch Telefonate und Empfang erledigt. Rund zwei Dutzend Patienten hätten bisher wegen eines Krankenscheins durchgeklingelt. „Wer in den vergangenen zwei Wochen in Risikogebieten war oder Kontakt zu entsprechenden Risikopersonen hatte, muss sich persönlich vorstellen und wird isoliert behandelt“, betont der 50-Jährige. Leichtere Fälle mit Husten, Schnupfen und Heiserkeit dürften meist eine Woche daheim bleiben. „Die Chipkarte bringen Verwandte oder Bekannte vorbei und bekommen dann gleich den Krankenschein mit.“ Er vertraue den Anrufern, dass sie nicht wild drauflos simulieren. „Wenn Corona-Risiko und Grippesaison zusammenkommen und nicht das ganze Wartezimmer schnieft und hüstelt, entlastet das unsere Praxis schon spürbar“, sagt Mank. Er sehe in der Ausnahmeregelung „kein Problem, eher einen Nutzen“. Am Telefon? „Bei uns nicht!“: Ganz anders sieht das der Roßweiner Allgemeinmediziner Clemens Otto: „Ich finde diese ganze Aktion nicht sinnvoll“, sagte er. In seiner mittelsächsischen Praxis könne kein Krankenschein telefonisch bestellt werden. „Ich möchte meine Patienten sehen und nicht nur mit ihnen am Telefon über ihre Krankheit sprechen“, erklärte er. Eine kalte Lungenentzündung beispielsweise könne er nicht per Telefon diagnostizieren, sondern nur durch eingehende Untersuchung. Sonst hätten er und erst recht der Patient ein erhebliches Problem. „Gleich als die Aktion ,Krankschreibung per Telefon‘ bekannt wurde, habe ich zu meinen Mädels gesagt: Bei uns nicht“, betont der Mediziner. „Ganz normale Erkältungszeit“: „Der Alltag ist eigentlich immer derselbe, es hat sich bei uns nicht viel geändert“, sagt Allgemeinmediziner Holger Reichert aus Mügeln. Weder die neue Krankschreibungsregelung noch das Auftreten des neuen Virus-Typs ans sich sorgen bislang in seiner nordsächsischen Praxis für einen Ansturm: „Wir haben relativ kleine Erfahrungen, weder beim Krankenschein, der per Telefon angefordert wurde, noch dass ich jetzt ein vermehrtes ‚Corona-Aufkommen’ habe“, beschreibt er die Lage. Bislang habe sich nur eine Patientin telefonisch gemeldet und sich eine Woche lang krankschreiben lassen. „Sonst kommen sie alle Praxis.“ Wie in jedem Jahr besuchten mehr Patienten seine Praxis. „Es ist jetzt ganz normale Erkältungszeit – eben Grippesaison.“ Vereinzelt gebe es Anfragen von verunsicherten Patienten, die nach seiner Risikoeinschätzung fragten. „Die Medien informieren ja schon sehr gut: Hände waschen, keine Hände mehr schütteln oder etwas Abstand wahren.“ Die Hausarztpraxis von Thomas Sontowski (43) in Eilenburg ist auf Corona und alles, was damit zusammenhängt, nach eigener Aussage gut vorbereitet. Patienten telefonisch krankschreiben musste der Mediziner bislang nicht. Derzeit sei aber generell viel los in seiner Praxis, bedingt durch die Jahreszeit, in der Patienten oftmals mit Erkältungssymptomen kommen, sagt Sontowski. Eine Corona-Hysterie gebe es nicht. Gezielte Fragen auch per Videoschalte: Ariane Lehmann im Gesundheitszentrum Schmorditz bei Nerchau kennt die Aktion bisher nur aus den Medien oder aus dem Mund von Patienten. „Das ist natürlich alles etwas schwammig, sodass es uns an Rechtssicherheit fehlt“, fügte die promovierte Ärztin mit Seitenhieb auf die offiziellen Stellen an. „Grundsätzlich ist diese vorübergehende Vorgehensweise durchaus sinnvoll. Man muss aber von Fall zu Fall sehen, inwieweit die Angst eines Patienten dabei eine Rolle spielt“, sagt die Allgemein- und Sportmedizinerin. Allerdings habe in ihrer Praxis davon noch kein Patient Gebrauch gemacht, dafür sei die Neuregelung einfach noch zu neu. Nutznießer dieser auf zunächst vier Wochen zeitlich begrenzten Regelungen sind Patienten, „die definitiv nicht zu den Corona-Verdachtsfällen gehören, sondern nur Patienten mit Infekten der oberen Atemwege“, erklärt die Medizinerin. „In der Regel kennen wir unsere Patienten, wissen wie alt sie sind und welche Krankengeschichte dazu geschrieben wird. Darüber hinaus kann man nur versuchen, durch ganz gezielte Fragen zu den Symptomen eine Ferndiagnose zu stellen. Und wenn das nicht zum Ergebnis führt, dann bieten wir nun auch die Videosprechstunde an, um dem Patienten wenigstens virtuell in die Augen schauen zu können. Kommt es dann doch zur Krankschreibung per Telefon, wird der gelbe Schein dem Patienten per Post zugestellt. „Spahn-Patienten sehr vernünftig“: Auch die Praxis von Ina Lipp in der Leipziger Südvorstadt wird nicht gerade überrannt wegen der neuen Krankschreibungsmöglichkeit. „Wir hatten bisher fünf Anrufer, von denen wir zwei in die Praxis bestellt und genauer untersucht haben.“ Der Krankenschein könne entweder abgeholt oder mit der Post zugeschickt werden. Bei bislang unbekannten Anrufern komme zusätzlich noch der Vermerk „Spahn-Patient“ auf den Krankenschein. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte die Krankschreibungsmöglichkeit via Telefon eingeräumt. Bei Corona-Verdacht werde der Patient in Schutzausrüstung empfangen und für den Abstrich in einen Isolierraum gebracht. Das sei bisher erst ein Mal nötig gewesen. „Die Patienten gehen sehr vernünftig und besonnen mit der aktuellen Situation um“, bestätigt auch Ehemann und Praxisnachbar Thomas Lipp. Der Vorsitzende des sächsischen Hartmannbundes könnte sich eine ähnliche Regelung sogar auf Dauer vorstellen. „Wenn die Leute mit leichten Infekten generell drei Tage daheim blieben, würde das den Krankenstand hierzulande deutlich senken.“ Mehr zum Thema: Das ist die aktuelle Zahl der Infizierten in Sachsen Wegen Corona: Leipziger Hochschulen beraten über Verschiebung des Semesterstarts Absagewelle in Leipzig: Welche Veranstaltungen jetzt ausfallen Von Manuel Niemann, Birgit Schöppenthau, Inge-Dore Engelhardt, Heiko Stets und Winfried Mahr

COVID-19 - Coronavirus: Was Ärzte in und um Leipzig zum Krankenschein auf Abruf sagen