Endlagersuche: Kommt der Atommüll nach Sachsen?

Bei der deutschlandweiten Suche nach möglichen Endlagergebieten für hoch radioaktiven Atommüll aus Kernkraftwerken ist Sachsen mit drei Gebieten vertreten. Das geht aus dem am Montag veröffentlichten ersten Zwischenbericht der mit der Suche beauftragten Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) mit Sitz in Peine hervor. Das Papier enthält 90 Vorschläge, welche Gebiete in Deutschland aufgrund der geologischen Bedingungen aus dem Verfahren ausscheiden und welche weiter untersucht werden sollten. Der sogenannte „Zwischenbericht Teilgebiete“, der zuvor streng vertraulich behandelt wurde und Anlass zu Spekulationen gab, umfasst Salzstöcke, Tonschichten oder Granitschichten, die das unterirdische Endlager einschließen könnten. Geprüft werden soll dabei auch, welche dieser Gesteinsarten am besten geeignet ist. Zum Teil überlagern sich die Flächen. Sie alle reichen über Bundesländergrenzen hinweg. Sämtliche 13 Landkreise und kreisfreien Städte sind mit dabei. Die Fläche der Teilgebiete in Sachsen beträgt den Angaben zufolge 11 520 Quadratkilometer – knapp 63 Prozent der Landesfläche. Drei Optionen in Sachsen: Danach liegt das größte Gebiet mit kristallinem Wirtsgestein quasi im gesamten Freistaat in einem 32 655 Quadratkilometer umfassenden Gelände, das sich vom Südwesten Baden-Württembergs über Bayern, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen nach Brandenburg zieht. Die Tiefe beträgt 300 bis 1300 Meter. Ein weiteres Teilgebiet zöge sich durch Nordsachsen entlang der Landesgrenze zu Sachsen-Anhalt bis nach Brandenburg mit 1000 Quadratkilometern. Es reicht von 300 bis rund 1300 Metern Tiefe. Außerdem wäre die Lausitz mit einer etwa 2000 Quadratkilometer großen Fläche Tongestein in 400 Metern Tiefe betroffen. Allen drei Gebieten bescheinigt der Bericht eine „günstige geologische Gesamtsituation“. Sachsens Umwelt-Staatssekretär Gerd Lippold kündigte an: „Sachsen wird sich als Bundesland beteiligen und wissenschaftliche Bedenken vorbringen, wenn es nötig ist.“ Die Datenbasis sei noch aus DDR-Zeiten her rührend sehr gut im Freistaat. Die endgültige Entscheidung über den Einlagerungsort soll 2031 getroffen werden. „Wir müssten und würden es akzeptieren, wenn am Abschluss des Verfahrens herauskommen sollte, dass der sicherste nationale Standort in Sachsen liegt“, versprach Lippold. Das künftige Endlager könnte dann bis 2050 befüllt werden. Ausschlusskriterien sind beispielsweise großräumige Vertikalbewegungen im Boden, aktive Störungszonen, Erdbebengebiete oder auch Vulkanismus. Einschränkungen in den betroffenen Gebieten: Nun ist das sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) am Zuge. Auf den zu prüfenden Gebieten erfolgen geologische Erkundungen, um ein abschließendes Ranking zu ermöglichen. Deshalb dürfen dort keine „schädlichen Veränderungen“ vorgenommen werden. Die Nutzung wird eingeschränkt oder untersagt. Das betrifft beispielsweise Bohrungen für Geothermie. Grundstückseigentümer, Bergwerkunternehmen oder andere können sich dafür entschädigen lassen. Unklar war am Montag allerdings, wie das bei einem Gebiet gehen soll, das sich über den gesamte Freistaat erstreckt. Lippold versprach: „Sachsen wird darauf dringen, dass Standorte, die sich als ungeeignet erweisen, so früh wie möglich wieder aus dem Verfahren ausscheiden.“ Das LfULG wird dazu auf seiner Internetseite wichtige Fragen und Antworten veröffentlichen. Vier Gebiete in Sachsen waren potenziell geeignet: In Sachsen war man zuvor intern von vier möglichen Gebieten ausgegangen. Das größte davon mit rund 2000 Quadratkilometern in der südlichen Lausitz. Gleich dahinter das Osterzgebirge mit einer geeigneten Fläche von etwa 800 Quadratkilometern Gneis. Jeweils Granitvorkommen liegen nördlich von Chemnitz (500 Quadratkilometer) und im Westerzgebirge, nahe Kirchberg (Landkreis Zwickau, 90 Quadratkilometer). Dies ist bisher rein datenbasiert. Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (Base), das die Aufsicht über das Suchverfahren führt und die Beteiligung der Öffentlichkeit verantwortet, veranstaltet am 17. und 18. Oktober in Kassel eine „Fachkonferenz Teilgebiete“. Dabei wird der Zwischenbericht der BGE vorgestellt. Alle Abfälle bis zum Atomausstieg: Das Endlager soll alle hoch radioaktiven Abfälle aufnehmen, die bis zum Vollzug des Atomausstiegs Ende 2022 in Deutschland angefallen sind. Eingelagert werden sollen danach insgesamt 1900 Castor-Behälter mit radioaktiven Material. Diese benötigen aufgrund ihrer hohen Temperaturen ausreichend Sicherheitsabstand. Das Material soll dort eine Million Jahre lagern. Das entspricht in etwa 30 000 Generationen oder – in anderer Zeitrichtung – den Anfängen der Menschheit. Da künftig möglicherweise bessere Sicherungstechnologien vorhanden sind, soll als Hintertür die Möglichkeit offen gelassen werden, dieses Material rund 500 Jahre lang zurückzuholen. Beratergremium soll faires Verfahren ermöglichen: Um ein faires, wissenschaftsbasiertes Standortverfahren zu ermöglichen, wurde ein Nationales Begleitgremium gegründet aus 12 Experten und 6 Bürgerinnen und Bürger. Diese arbeiten drei Jahre und können dreimal wiedergewählt werden. Das soll dazu dienen, möglichst viele Meinungen zu hören und einzubeziehen. Dennoch wird das Verfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit für politische Zwecke ausgeschlachtet werden. „Wir rechnen mit Protesten, aber auch damit, dass es Interesse gibt, dass zu instrumentalisieren“, gibt Lippold zu. Der sächsische Physiker und Professor am Helmholtz-Zentrum in Dresden-Rossendorf, Roland Sauerbrey, der dem Begleitgremium angehört, warb für Sachlichkeit. „Eine starke Politisierung des Prozesses ist gegenwärtig aus meiner Sicht weder erforderlich, noch für die potenziell ‎Betroffenen hilfreich.“ Von Roland Herold