Frauen als Verliererinnen der Corona-Krise? Das darf eine Gesellschaft nicht hinnehmen

Die Corona-Pandemie bedroht die Gleichberechtigung. Das ist keine gefühlige These, sondern wurde von der EU-Kommission bestätigt. Pünktlich zum Frauentag. Frauen seien in der Pandemie häufiger arbeitslos geworden als Männer, heißt es in einem Bericht. Ebenso hätten Frauen häufiger als Männer die Arbeitszeit reduziert um sich um die Kinder zu kümmern. Der Befund: Bestehende Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern haben sich verschärft, hart erkämpfte Fortschritte sind zunichte gemacht. Das ist bitter. Frauen in der Corona-Pandemie: Heldinnen und Verliererinnen: Es sind vor allem Frauen, die „den Laden“ in der Krise am Laufen halten. In fast allen systemrelevanten Berufen arbeiten mehr Frauen als Männer, sei es im Verkauf, im Erziehungs- und Sozialwesen oder in der Pflege. Zusätzlich bleibt die so genannte Care-Arbeit, die Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen, vorwiegend an den Frauen hängen – übrigens auch im Osten Deutschlands, wo grundsätzlich mehr Frauen in Vollzeit arbeiten als im Westen. Gleichberechtigt ist das nicht, sondern schlicht eine Doppelbelastung. Trotzdem sind Frauen die Verliererinnen der Krise. Das darf eine Gesellschaft nicht hinnehmen. Gleichberechtigung darf nicht weniger wichtig sein als die Rettung der Wirtschaft. Wir haben in der Pandemie erlebt, was in der Politik an Veränderung möglich ist, wenn es plötzlich wirklich drängt. Nur irgendjemand muss drängen. Wer das nicht kann, sind die Mütter, Pflegerinnen, Erzieherinnen und Verkäuferinnen selbst. Uns durch die Krise zu bringen, kostet all ihre Kraft. Mehr Einsatz für Gleichberechtigung: Politisch sein, auch wenn man es selbst gut hat: Jetzt sollten andere einspringen: Männer zum Beispiel oder privilegiertere Frauen. Wir waren als Gesellschaft schon weiter, zu Beginn der Pandemie. Das kollektive Bewusstsein, wer oder was in einer Notlage wirklich zählt, hat den Blick auf die gelenkt, die sonst als selbstverständlich angesehen werden. Da war die Chance greifbar, diese verheerende Ungerechtigkeit gemeinsam anzugehen. Sich für Mütter einzusetzen, auch wenn man keine Kinder hat. Sich mit Pflege als politischem Thema zu befassen, auch wenn man selbst keine braucht. Sich über häusliche Gewalt zu informieren und alarmiert zu sein, auch wenn man nicht davon betroffen ist. Oder gerade weil man nicht davon betroffen ist, das hat nämlich oft nur mit Glück zu tun. Jetzt die Debatten zu führen, konkret: Um die steuerliche Besserstellung von Alleinerziehenden, die Reform des Elterngeldes und der Pflege, die Beseitigung der gender-pay-gap, das Ehegatten-Splitting, bessere Optionen für Karriere in Teilzeit. Gegen Missstände einzutreten, auch wenn es einem selbst gut geht. Nicht zuzulassen, dass unsere Gesellschaft zurück in einen Alltagstrott rutscht und die Gleichberechtigung den Bach hinunter. Jetzt vor der kommenden Bundestagswahl gilt es, einzulösen, was man im Frühjahr 2020 indirekt versprochen hat, als man sich klatschend aus den Fenstern lehnte. Von Julia Maria Grass