„Querdenken“-Demo: Leipziger Bürgerrechtler Schwabe empört über Vergleich mit DDR

Kurz vor der „Querdenken“-Demo, bei der am Sonnabend zehntausende Corona-Leugner und -Kritiker aus der ganzen Bundesrepublik ihren Protest in Leipzig artikulieren wollen, hat ein prominenter DDR-Bürgerrechtler jegliche historische Parallelen zum Jahr 1989 empört zurückgewiesen. „Viele Menschen in der SED-Diktatur haben Ihren Wunsch nach Freiheit mit Verfolgung, Benachteiligung, Gefängnis oder sogar mit dem Tod bezahlt“, sagte der Leipziger Uwe Schwabe (58) gegenüber der LVZ. „Diese Menschen haben ihr Leben auch für die Freiheit jener riskiert, die in der Gegenwart für noch so einen großen Schwachsinn auf die Straße gehen und frei demonstrieren können ohne sich in Gefahr zu begeben“, kritisierte der Bürgerrechtler die Aussage vieler Teilnehmer, die sie bereits bei den „Querdenken“-Demos in Berlin und Dresden öffentlich machten. Motto ist „infame Verharmlosung“: Besonders auf die Palme bringt Schwabe das Motto, mit dem in Teilnehmerkreisen über einen Flyer ausdrücklich für die Teilnahme am Wochenende in Leipzig geworben wird. Es enthält auch den Verweis auf die Stadt als den historischen Ausgangspunkt der Friedlichen Revolution, die am 9. November 1989 die Mauer zum Einsturz brachte und im Endeffekt die Welt veränderte. „Das als Friedliche Revolution 2.0 zu bezeichnen, ist gegenüber diesen Menschen, die damals dabei waren, eine infame Verharmlosung für deren Mut und der Opfer die sie gebracht haben.“ Ähnlich sieht das auch die Leipziger SPD. „Die Großdemo steht weder in Hinblick auf ihre Akteure noch ihrer inhaltlichen Positionen in der Tradition vom Herbst `89“, sagte Leipzigs SPD-Chef Holger Mann. Die SPD bringt dabei vor allem das Datum in Rage. Am 7. November 1989 wurde in Leipzig die Ost-SPD durch das Engagement „einiger Mutiger“ wiedergegründet, so Mann. „Dass dieser Tag jetzt von selbesternannten ,Querdenkern’ vereinnahmt werde, ist für uns unerträglich.“ Der „Querdenken“-Initiator Michael Ballweg betonte dagegen, dass es sich bei dem kritisierten Flyer um eine voreilig gedruckte Version handele. Im offiziellen Flyer heiße es „Geschichte gemeinsam wiederholen - Friedliche Evolution.“ „Es ist aber sicherlich eine Anlehnung an die Ereignisse von 1989“, sagte Ballweg „Wonneberger lässt sich missbrauchen“: „Traurig“ und „sprachlos“ reagierte Schwabe auf die Nachricht, dass ausgerechnet sein Leipziger Bürgerrechtler-Freund von 1989, Ex-Pfarrer Christoph Wonneberger, zu den Teilnehmern und möglicherweise auch Rednern bei der „Querdenken“-Demo gehören soll. „Christoph war immer ein streitbarer und suchender, aber sehr intelligenter Mensch“, sagte Schwabe. „Er muss sich aber nun auch die Frage und Kritik gefallen lassen, wieso er die Augen davor verschließt, mit wem er da alles auf der Straße steht und sich als Vorzeigerevolutionär von 1989 missbrauchen lässt.“ Unterstützung erhält Schwabe vom Berliner Bürgerrechtler Rainer Eckert. Er findet es „ganz schrecklich“, dass mit Christoph Wonneberger eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Bürgerbewegung in der SED-Diktatur auf „Querdenken“-Demo“ sprechen will. „In meinen Augen verspielt er damit jeglichen Kredit und gefährdet seine eigene Lebensleistung“, sagte der Ex-Direktor des Zeitgeschichtichen Forums in Leipzig. Es sei ihm aber auch wichtig festzuhalten, dass Wonneberger unter den Bürgerrechtlern und 89-Revolutionären isoliert ist, so Eckert. Von André Böhmer