So funktioniert Sachsens Polizei-Bodycam

Begleitet von lautstarken, linksautonomen Protesten hat Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) am Mittwoch in Dresden ein neues Standardwerkzeug für die Polizei vorgestellt: Die Beamtinnen und Beamten sollen bis Ende Juni 1500 Bodycams erhalten. „Vorrangig sollen die Kameras Übergriffe auf Polizeibedienstete verhindern“, erklärte Wöller. Die Kamera: Sachsen hat sich für den amerikanischen Hersteller Axon (ehemals Taser) und dessen Kamera „Body 2“ entschieden. Auch in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen werden diese Geräte bereits eingesetzt. In Deutschland wird dieser Typ zwischen 150 und 200 Euro pro Stück gehandelt. Sachsen hat 1500 Kameras bestellt, außerdem sogenannte Docking-Stationen zum Auslesen und Aufladen. Die Technik: Die Kamera wird an der Uniform befestigt und erstellt digitale HD-Videos mit einem Gerät, das besonders für schlechte Lichtverhältnisse ausgelegt ist und auf zwei Kanälen Geräusche aufnehmen kann. Es gibt eine dreifach einstellbare Videoauflösung (480/720/1080 Pixel), dazu einen Weitwinkel von 170 Grad. Der interne Speicher beträgt 64 GB. Die Aufnahmekapazität soll etwa 70 Stunden betragen, der Akku eine Betriebszeit von 12 Stunden haben. Die Daten können von der Kamera auch via WLAN oder Bluetooth übertragen werden. Video der Polizei: Mit nachgestellten Szenen wird auf Youtube der Einsatz von Bodycams erklärt Die Aufnahmen: Die Polizistinnen und Polizisten mit Bodycam sind anhand von gelben und hellgrünen „Video“-Etiketten an den Uniformen zu erkennen. Sie werden die 8,5 mal 6 Zentimeter kleinen Kameras künftig immer dabei haben – allerdings ausgeschaltet. Bei Bedarf wird auf einen Standard-Modus (Pre-Recording, grünes LED-Licht) geschaltet. Per Doppelklick („Event-Modus“) wird die Kamera schließlich aktiviert: Es leuchtet ein rotes LED-Licht, alle zwei Minuten ertönt ein Piepston. Die Beamtinnen und Beamten müssen ihre Gegenüber darauf hinweisen, dass die Aufnahmen starten. Einen Bildschirm haben die Geräte nicht. Die Speicherung: Bereits im Pre-Recording-Modus (grünes LED-Licht) beginnen automatisch die Aufnahmen, jeweils die letzten 60 Sekunden werden in einem temporären Pufferspeicher gesichert – die Szene direkt vor dem eigentlichen Aktivieren wird damit also auch gespeichert. Die gesamten Daten werden über eine Docking-Station zentral auf die Cloud im Rechenzentrum der sächsischen Polizei übertragen. Erst dann können die Bilder angesehen und gegebenenfalls auf CD gebrannt werden. Eine automatische Löschung erfolgt nach 30 Tagen, sofern keine Beweissicherung im Fall von Straftaten notwendig ist. Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar sagt: „Die Geräte sind manipulationssicher.“ Die Einsätze: Die 1500 Bodycams sollen sachsenweit verteilt werden. In den Revieren wird jede Besatzung eines Funkstreifenwagens ausgerüstet. Daneben erhalten auch die Bereitschaftspolizei, die Verkehrspolizeiinspektionen, der Kriminaldauerdienst sowie die jeweiligen Einsatzzüge der fünf Polizeidirektionen solche Kameras. Landespolizeipräsident Kretzschmar stellt klar: „Die Nutzung soll künftig bei konfliktbelasteten Situationen zur Deeskalation führen.“ Sprich, ein Haupteinsatzgebiet werden auch Demonstrationen sein. Die Rechtslage: Der Einsatz von Bodycams ist durch das sächsische Polizeigesetz gedeckt, auf das sich CDU und SPD vor zwei Jahren nach langwierigen Diskussionen geeinigt hatten. Im Kenia-Koalitionsvertrag haben die Grünen, die sich stets gegen die Kameras ausgesprochen hatten, festhalten lassen: Polizistinnen und Polizisten müssen die Geräte „bei absehbaren Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs“ einschalten. Allerdings betont der Landespolizeipräsident: „Wir sind nicht an den Koalitionsvertrag gebunden.“ Das heißt auch, dass Bürgerinnen und Bürger nicht auf das Einschalten bestehen können – über die Aufnahmen entscheiden derzeit die Beamtinnen und Beamten. Doch das soll sich noch ändern. Der Konflikt: Zunächst ist in einer neuen Verwaltungsvorschrift geregelt, dass Betroffene ein Einsichtsrecht erhalten. „Unabhängig davon kann jede Bürgerin und jeder Bürger Auskunft bei der Polizei darüber verlangen, welche Daten zu seiner Person gespeichert sind“, erklärt der Grünen-Innenexperte Valentin Lippmann. Gleichzeitig müsse nun „die zügige Umsetzung“ auch im Polizeigesetz erfolgen, fordert Lippmann vom Innenminister. Ähnlich äußert sich der SPD-Innenpolitiker Albrecht Pallas: „Der Einsatz muss gesetzlich eindeutig geregelt werden.“ Kerstin Köditz, die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, wirft Wöller vor, „vollendete Tatsachen zu schaffen, bevor wichtige Fragen beantwortet sind“. So sei keinesfalls erwiesen, dass die Kameras präventiv wirken und für eine Deeskalation sorgen. Von Andreas Debski