Von Köpping bis Kretschmer: So schlägt sich Sachsens Corona-Kabinett

Vom Regierungschef bis zum Umweltminister – die sächsische „Kenia“-Koalition arbeitet mit Hochdruck gegen die Corona-Krise. Vor allem sechs Mitglieder des Kabinetts stehen im Fokus der Öffentlichkeit. Die LVZ stellt ihnen eine Zwischenbeurteilung aus. Der Antreiber: Ministerpräsident Michael Kretschmer (44, CDU): Der Görlitzer gibt seit Tagen den Krisenmanager in allen Gassen. Immer wieder versucht er die Balance zu halten zwischen Zweckoptimismus und einer Vorbereitung der Bevölkerung auf eine immer länger werdende Liste der Grausamkeiten. Offensichtlich wusste Kretschmer schon früh, dass es dick kommen würde. Kretschmer ist gern „vor der Lage“ wie er es nennt. Das heißt, er antwortet jetzt schon auf Fragen, von denen Amtskollegen in benachbarten Bundesländern noch nicht einmal ahnen, dass sie gestellt werden könnten. Zum Beispiel will er ein Konjunkturpaket für die Wirtschaft nach der Coronakrise. Oder er kündigt die Aufnahme italienischer Patienten an, deren Zahl noch gar nicht feststeht. Und treibt damit dem Dresdner Beamtenapparat mitunter die Schweißperlen auf die Stirn. Dabei teilt Kretschmer in regelmäßigen Abständen auch nach Berlin aus: Zuletzt war es eine Kritik am Hilfsprogramm des Bundes, dass nach seiner Einschätzung eher ein „marktüblicher Kredit“ ist. Gern lässt der MP auch einmal seine SPD- oder Grünen-Mitstreiter vor, um zu signalisieren: Woanders kann sich Schwarz-Rot-Grün gern krachen – in Sachsen bleibt die Ideologie draußen, es wird malocht. Der Geldgeber: Wirtschaftsminister Martin Dulig (46, SPD): Der gebürtige Vogtländer gilt als einer, der gern Programme seines Hauses ankündigt. Nun hat er Gelegenheit dazu. Darf man Kretschmer glauben, dann war es Dulig, der die Idee hatte, die Rückzahlung von Darlehen an Kleinstunternehmen und Soloselbstständige an die Bedingung zu binden, dass diese das dann auch zurückzahlen können. Ein kluger Schachzug, der so manch einen in den vergangenen Tagen daran gehindert hat, das Handtuch zu werfen, weil der Schuldenberg immer höher zu werden droht. Blöd, dass ausgerechnet beim Start die Webseite der Sächsischen Aufbaubank zusammenbrach. Als Plus-Punkt darf Dulig auch verbuchen, dass die Raststätten an den Autobahnen wieder die Versorgung für die LKW-Fahrer übernehmen. Dennoch wird sich der forsche Minister etwas für unzufriedene mittelständische Unternehmen einfallen lassen müssen. Denn, so oder so: Dulig wird am Ende daran gemessen, wie viel er Geld für die sächsische Wirtschaft lockermachen kann. Seine Antwort darauf: „Wir sind kein Vollkasko-Staat.“ Die Kümmerin: Sozialministerin Petra Köpping (61, SPD): Der neuen Sozialministerin sind die Strapazen und der Druck am deutlichsten anzumerken. Einerseits ist die SPD-Politikerin als Kümmerin in ihrem Element, andererseits ist sie mit Innenminister Roland Wöller (CDU) nun die tragende Säule des Krisenstabs, bei dem alles zusammenläuft. Sie wirkt mitunter fahrig und unter Zeitdruck. Gelegentlich – wie im Fall der italienischen Patienten – ist sie nicht auf aktuellem Stand. Wenig erfolgreich war auch die bisherige Suche nach Produzenten von Krankenhausschutzausrüstungen. Dabei läuft der Laden insgesamt ziemlich gut. Mediziner und Pflegekräfte aus Polen und Tschechien an Sachsen zu binden war genauso ein kluger Schachzug wie die Vorabgespräche mit den Unikliniken, um im Zweifelsfall Studenten in der Pflege einsetzen zu können. Kretschmer lobt seine Sozialministerin darum gern bei jeder passenden Gelegenheit – vollkommen zurecht. Der Botschafter: Innenminister Roland Wöller (49, CDU): Es gibt wenig, was Wöller in der Staatsregierung noch nicht gemacht hat. Der einstige Umwelt- und spätere Kultusminister gibt nun als Innenminister den harten Hund. Und das nicht übel. Obwohl gelegentlich zu Schachtelsätzen neigend und sich in den bürokratischen Anordnungen seines Hauses verlierend, sendet er doch die klare Botschaft aus: Wir haben die Lage im Griff. Was ihm scheinbar am meisten zusetzt, ist, dass die Landesregierung in vielen Verordnungen Spielräume und Ermessensmöglichkeiten zulässt, während von der Basis prompt die Fragen kommen, wie das im Einzelfall konkret gemeint sei. Das zerrt erkennbar an den Nerven des Innenministers. Wöllers Kunststück besteht ferner darin, zu erklären, warum die Staatsregierung immer schärfere Restriktionen erlässt, die eigentlich nur für eine ganz kleine Gruppe Unbelehrbarer gedacht sind. Der Neuling: Umweltminister Wolfram Günther (46, Grüne): Die ständigen Regierungspressekonferenzen sind nicht unbedingt das Biotop, in dem sich Günther gern zu tummeln scheint. Dabei trägt er auch noch den Ballast der Grünen mit sich, die neu in der Regierung sind und meinen, gelegentlich Profil zeigen zu müssen, damit die eigene Basis nicht murrt. Während sich Günther vermutlich gern dem Umweltschutz und der Landwirtschaft widmen würde, muss er nun erleben, wie die Bürokratie einem auf die Füße fallen kann. So war die Idee, die beliebten, aber auch mit Gedränge verbundenen Wochenmärkte in Form von einzelnen, zwei Meter getrennten Ständen wieder auferstehen zu lassen, an und für sich sehr gut. Mediales Desaster: Die sächsische Corona-Schutz-Verordnung verbietet ausdrücklich Wochenmärkte. Worin besteht nun der semantische Unterschied zwischen Wochenmarkt und einer Ansammlung mobiler Verkaufsstände? Folge: unnötiges Chaos und Unverständnis bei Händlern und Kunden. Der Ruhepol: Kultusminister Christian Piwarz (44, CDU): Vom kürzlich Vater gewordenen Kultusminister ist nicht bekannt, ob er in der Nacht wegen Babygeschrei aufwacht oder weil ihm in einem Albtraum ein Journalist die Frage stellt: Werden die Abiturprüfungen nun geschrieben oder nicht? Fest steht aber, dass Piwarz niemals Zweifel an seiner Einstellung geäußert hat: Ein Notabitur ist die schlechteste aller denkbaren Lösungen. Deshalb schoss der sonst eher ruhige Kultusminister eine volle Breitseite in Richtung seiner Kieler Kollegin Karin Prien ab, die eine Absage der Prüfungen ins Spiel gebracht hatte. Die Idee, die Schulen gestaffelt zu schließen und die Kinderbetreuung nur für eine eng begrenzte Krisenstruktur zu sichern, war auch keine schlechte. Panik und abgesagte Operationen wie beispielsweise in Halle blieben aus. Weniger glücklich: Die Plattform LernSax ging danach erst einmal in die Knie, weil so viele Schüler und Eltern digital lernen wollten. 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Minister(innen) kämpfen gegen Folgen - Von Köpping bis Kretschmer: So schlägt sich Sachsens Corona-Kabinett