Oschatzer Oberbürgermeister vorzeitig gegen Corona geimpft

Wie erst jetzt bekannt wurde, hat sich der Oschatzer Oberbürgermeister Andreas Kretschmar (parteilos) bereits zum Impfstart Ende des vergangenen Jahres gegen das Coronavirus impfen lassen und mittlerweile auch die Zweitimpfung erhalten. Der 57-Jährige gehört jedoch nicht zu der Gruppe von Menschen, die laut Coronavirus-Impfverordnung zuallererst Anspruch auf eine Impfung haben (höchste Priorität). Kretschmar wäre erst in der dritten Gruppe dran gewesen, zu der unter anderem auch Lehrer zählen. Kretschmar entschuldigt sich: „Wenn ich zu diesem Zeitpunkt gewusst hätte, dass die Impfstrategie nicht aufgeht und es zu wenig Impfstoff gibt, hätte ich mich nicht impfen lassen. Unter den jetzigen Bedingungen tut mir mein Verhalten sehr leid“, sagte Kretschmar am Montag auf Anfrage dieser Zeitung. Nach seinen Aussagen habe er zum Impfstart an der Collm-Klinik am 30. Dezember die Information erhalten, dass an diesem Tag Impfstoff übrig bleibe. Kretschmar: „Ich musste sofort in die Klinik kommen, damit der Impfstoff nicht verfällt. Ich habe mehrfach nachgefragt, ob ich auch keinem Anderen den Impfstoff wegnehme. Das wurde verneint.“ Kretschmar ist auch Aufsichtsratsmitglied der Collm-Klinik und stand deshalb zum Impfstart am 30. Dezember mit dem Oschatzer Krankenhaus in Kontakt. Impfwillige in der Minderheit: Als Geschäftsführer der Collm-Klinik erläutert Stefan Härtel die Situation zu diesem Zeitpunkt. Mit der Gehaltsabrechnung im November 2020 hätten alle der rund 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krankenhauses einen Fragebogen zur freiwilligen Impfwilligkeit ausgehändigt bekommen. Weniger als die Hälfte der Beschäftigten habe den Fragebogen dann auch zurück gegeben. „Die Impfwilligen waren deutlich in der Minderheit“, bedauert Härtel. Außerdem habe es zu diesem Zeitpunkt etwa 100 Beschäftigte gegeben, die positiv auf Corona getestet worden seien und deshalb nicht geimpft werden konnten. Eine Dose war übrig: Zehn Ampullen, aus denen 56 Dosen gezogen werden konnten, seien zum Impf-Start am 30. Dezember in der Collm-Klinik verimpft worden. Am Ende sei noch eine Dose übrig gewesen. „Es gab zu diesem Zeitpunkt keinen weiteren Mitarbeiter von uns, der verfügbar und impfwillig gewesen wäre“, so Härtel. Chefarzt Dr. Mario Günther bot deshalb dem Oschatzer Oberbürgermeister telefonisch die Impfung an. „Ich habe mir gedacht: Als Aufsichtsratsmitglied gehört er ja auch irgendwie zu unserer Klinik“, begründet Günther diesen Anruf. Anderenfalls hätte der nicht benötigte Impfstoff entsorgt werden müssen. Prominente Beispiele in Sachsen-Anhalt: Kretschmar ist nicht der erste Politiker, der sich vorzeitig gegen Corona impfen lassen hat. Im Nachbarbundesland Sachsen-Anhalt gibt es ebenfalls zwei prominente Beispiele. So haben sich nachweislich der Landrat des Kreises Wittenberg Jürgen Dannenberg (Die Linke) und sein Stellvertreter Jörg Hartmann (CDU) schon vor dem offiziellen Impfstart am 26. Dezember 2020 eine Impfung geben lassen. Als der Vorfall am 5. Februar öffentlich bekannt wurde, entschuldigte sich Dannenberg für sein Verhalten. Ob der Vorfall für Dannenberg politische Konsequenzen haben wird, muss sich erst noch zeigen. Per Losverfahren für die Impfung ausgewählt: Auch der Oberbürgermeister der Stadt Halle Bernd Wiegand ist bereits gegen Covid 19 geimpft. Er hatte seine Impfung am 17. Januar erhalten und die Tatsache nicht bekannt gemacht. Er sei per Losverfahren für die Impfung ausgewählt worden. Wiegand hält sein Vorgehen nach eigenen Angaben für legitim. Inzwischen gibt es mehrere Anzeigen gegen den Oberbürgermeister von Halle. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob diese strafrechtliche Relevanz haben. Von Frank Hörügel und Hagen Rösner