Zeitzeuge: Blindgänger von Dölzig könnte von US-Bomberabsturz 1944 sein

Als Aktivposten im Heimatverein Rückmarsdorf kennt sich Jochen Deweß mit Erinnerungen aus. Es sind meist Bilder im Geiste, die im Laufe der Zeit verblassen, sagt der 88-Jährige. Manchmal aber werden sie wieder lebendig. So wie vor wenigen Wochen, als auf einem Feld zwischen Frankenheim und Dölzig eine Fliegerbombe gefunden wurde. Während sein Wohnort teilweise evakuiert werden musste, gingen die Gedanken des ehemaligen Lehrers zurück in seine Kindheit. Jochen Deweß war sich sofort sicher, die Herkunft der Bombe zu kennen. Bomber-Absturz 1944 als 12-Jähriger erlebt: Es war ein Novembertag im Jahre 1944, als der damals 12-Jährige erfuhr, dass auf dem Feld seines Onkels ein amerikanischer Bomber abgestürzt war. Höchstwahrscheinlich ist das Flugzeug von der rund um Leuna stationierten Flak abgeschossen worden. Schnell machten in Rückmarsdorf Nachrichten die Runde, wonach eines der Besatzungsmitglieder per Fallschirm mitten im Biergarten des Gasthofes „Zum Sandberg“ gelandet war. „Eine der Tragflächen steckte im Dach des Wohnhauses direkt neben der Gaststätte“, erinnert sich Deweß, der sich damals sofort auf sein Fahrrad geschwungen hatte und hinaus auf das Feld seines Onkels fuhr. Trümmerteile waren überall verstreut: Vor Ort bot sich dem Jungen ein Bild der Verwüstung. „Trümmerteile waren über Felder und Wiesen verstreut, der Rumpf und die zerstörte Kanzel lagen höchstens einhundert Meter von der Stelle entfernt, an der jetzt die Bombe gefunden wurde.“ Deweß’ Onkel, der Dölziger Landwirt Robert Zeuner, hatte auf dem Feld Winterweizen angesät und weil die Schaulustigen seine Saat zu zertrampeln drohten, holte er nach Absprache mit der Leipziger Militärbehörde zwei Pferde aus dem Stall und zog das Wrack mit ihnen an den Rand der Reichsstraße. „Unter den Trümmern der Kanzel kam dabei die Leiche des Piloten zum Vorschein“, erinnert sich Jochen Deweß. Ein weiterer Toter war bereits zuvor geborgen worden, die drei anderen Mitglieder der Crew konnten sich mit ihren Fallschirmen retten. Am folgenden Tag pumpten Soldaten der Wehrmacht den Treibstoff aus der intakten Tragfläche und auch die Bevölkerung nutzte die Gelegenheit, Verwertbares zu bergen. „Kraftfahrzeugmeister Müller sicherte sich die Bombenwinde“, weiß Deweß. Jahrelang habe sie in dessen Werkstatt gute Dienste verrichtet, bevor die Familie sie dem ansässigen Heimatverein überließ. Absturzstelle und Bomben-Fundort liegen dicht beieinander: Jochen Deweß ist davon überzeugt, dass die vor rund neun Wochen gefundene Bombe aus dem Bauch dieses abgestürzten Flugzeugs stammt. „Mit letzter Sicherheit beweisen lässt sich das nicht mehr, aber die Indizien machen Sinn“, meint er. Bomben seien damals alle in Reihe abgeworfen worden. Es hätte also mehrere Detonationen geben müssen. Logischer sei die Annahme, dass die Bombe wegen eines Defekts noch im Abwurfschacht steckte. Da Absturzstelle und Fundort der Bombe kaum einhundert Meter voneinander entfernt sind, liege der Zusammenhang nahe. Die beiden auf dem Rückmarsdorfer Friedhof bestatteten Piloten wurden nach dem Krieg exhumiert und wahrscheinlich in die USA überführt, über die Trümmer des Flugzeugs ist die Zeit gewachsen und die Fliegerbombe wurde erfolgreich gesprengt. Nur die geborgene Winde im Vereinsbüro und die Erinnerungen von Jochen Deweß erzählen nach 75 Jahren von einer fast vergessenen Geschichte. Lesen Sie auch: Die Bombe konnte jederzeit explodieren: Die Zusammenfassung zum Fund von Dölzig Warum die Bombe von Dölzig zu gefährlich war Das passiert bei einem Bombenfund in der Leitstelle Leipzig Von Rainer Küster

Bombenentschärfung im Dezember 2019 - Zeitzeuge: Blindgänger von Dölzig könnte von US-Bomberabsturz 1944 sein