Fahrrad statt Urlaub: Tritt der Landkreis vermehrt in die Pedale?

„Es gab keinen Run auf uns. Eher wurden wir überrannt“, resümiert Axel Plöttner vom Fahrradhaus Katrozan in Borna. Seit der Wiedereröffnung nach der Coronakrise verzeichne das Fahrradhaus mehr Kunden als im sonstigen Durchschnitt. „Wir haben in den letzten vier Wochen ungefähr den Umsatz gemacht, den wir sonst in einem halben Jahr machen“, so Plöttner. Überstunden sind normal: Im Frühjahr sei meistens mehr zu tun, sagt Plöttner. Wegen der Coronakrise mussten auch die Fahrradläden schließen. Nur die Werkstätten blieben offen. Das tat der Arbeit keinen Abbruch, sagt Plöttner. „Wir wissen gar nicht, wo wir anfangen sollen“. Die ersten Tage nach der Wiedereröffnung hätten die Kunden quasi Schlange gestanden. Rund 25 Räder gingen in den letzten vier Wochen über den Tisch. Besonders die älteren Generationen würden in neue Fahrräder investieren. Seit rund 85 Jahren werden im Fahrradhaus Katrozan Zweiräder verkauft. Plöttner selbst ist seit 20 Jahren dabei. Diese Nachfrage habe er noch nicht erlebt. Es sei erfreulich, dass viel los ist. Allerdings: Ein paar Überstunden sammelten sich schon an. „Wir sind länger als normal in der Werkstatt.“ Manchmal frage seine Frau schon, ob er überhaupt nach Hause komme. Internethandel setzt Fahrradhändlern zu: „Für uns wird es immer schwieriger. Der Internethandel greift viele Kunden ab.“ Dass die Zahlen aktuell gut sind, sei daher ein positives Zeichen, findet Kay Becker. Er ist Inhaber von Muldental Cycles in Bennewitz bei Wurzen. Auch bei ihm mangelt es nicht an Arbeit. Den Verkauf musste er unterbrechen, seine Werkstatt blieb offen. Dass der Aufschwung nur an Corona liegt, glaubt er nicht. Durch die temporären Schließungen habe sich viel aufgestaut, so Becker. Außerdem seien besonders in den Städten die Menschen lange in ihren Wohnungen gewesen. Die wollen raus. Das erklärt zum Teil die Mehrarbeit. Aber: Auch bei ihm kämen Kunden, die statt in einen Urlaub dieses Jahr in ein gutes Fahrrad investieren wollen. Besonders die Nachfrage nach E-Bikes steigt bei ihm kontinuierlich. Lesen Sie auch Run auf Leipziger Radhändler: Aufholjagd nach langer Schließzeit Im Naunhofer Fahrradgeschäft Gegenwind4.0 blieben die Türen zwischenzeitlich ebenfalls geschlossen. Verkauft wurde nur nach Bestellung, die Räder ausgeliefert. Nur die Werkstatt blieb offen. Seit Anfang Mai ist wieder offen. Ist die Nachfrage gestiegen? Tobias Schor, Geschäftsführer, zieht Bilanz: „Die Werkstatt war in den vergangenen Wochen stärker ausgelastet als in vergangenen Jahren, was mit dem hohen Anteil an Kinderfahrrädern zu tun hatte“, so Schor. „Die Kinder brauchen Bewegung, und viele Eltern waren zudem zu Hause und hatten mehr Zeit für Radausflüge mit der Familie." Auf die Verkaufszahlen hätte sich Corona demgegenüber nicht ausgewirkt. Schor bemerkt, wie Becker, jedoch ebenfalls einen allgemeinen Anstieg bei E-Bikes. Bei Gegenwind sei man auf den sportlichen Bereich spezialisiert. Trotzdem sind mittlerweile rund 50 Prozent seiner Verkäufe Elektroräder. Lesen Sie auch Mit dem Rad durch die Corona-Krise: Branche könnte profitieren E-Bikes beliebt: E-Bikes sind auch beim Fahrradhaus Katrozan in Borna beliebt. Die kosten um Durchschnitt um die 2.300 Euro, erklärt Plöttner. Leasing sei daher eine Alternative. Diese Möglichkeit steigere bei ihnen die Nachfrage, denn immer mehr Arbeitgeber in der Region kommen auf das Angebot für ihre Angestellten zurück. „Auch dadurch steigt die Nachfrage“, so Plöttner. Die Fahrradbranche sei vielleicht eine der wenigen, der die Coronakrise nicht geschadet habe. Von Vanessa Gregor

Corona-Auswirkung - Fahrrad statt Urlaub: Rad-Geschäfte im Landkreis erleben einen Ansturm