Heimleuchten – ein Kunstprojekt in Beucha

„Heimleuchten“ hat Levi Wolffe (31) die Ausstellung genannt, die er zusammen mit anderen jungen Künstlern und als Teil des Projektes „180 Ideen für Sachsen“ in Kooperation mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) in Beucha gestaltet. Am 1. Dezember wird sie um 15 Uhr im „Raum mit Aussicht“ in der August-Bebel-Straße 38 eröffnet. Installation ist Hommage an Beucha: Zerstörte Videokassetten, schwarz lackiert, scheinen, plötzlich zu filigranen Gebilden geworden, zu fliegen. Der Schwarm bildet ein Herz. Zufall? Der nahe Kirchbruch hat, aus der Luft betrachtet, genau diese Form. „Die Installation ist eine Hommage an Beucha“, sagt Wolffe, „denn ich habe das Gefühl, hier an der richtigen Stelle zu sein.“ Soloausstellung in Dresden ist der Durchbruch: Das sagt einer, der sich lange verloren gefühlt hat in dieser Welt. Gezeichnet und gebastelt hat der in Mannsdorf bei Döbeln aufgewachsene 31-Jährige schon als Kind. Er wollte Grafiker werden, Cover von Videokassetten illustrieren. „Heute mache ich Installationen daraus“, lacht er und meint: „Ein Künstler kann sich jedes Material zu Eigen machen.“ Als er sich mit 23 bei der Dresdener Akademie der Bildenden Künste bewirbt, hat er sich schon in etlichen Berufen ausprobiert, und selbst an der Hochschule bedarf es noch der Selbstfindung. Dann ist er sich endlich sicher: Ich bin ein Künstler. Im Senatssaal der Akademie bekommt Wolffe eine Soloausstellung –„Selfmade!“ ist der Durchbruch. Eine ganze Reihe weiterer Expositionen folgt, von der „Ostrale“ in Dresden über den Kunstraum Praline in Leipzig bis zum Kreuzberg Pavillon Berlin. Kommentar von Ines Alekowa Es ist ein Angebot. Die Hürde: niedrig, drei Stufen. Dahinter: junge Kunst. Levi Wolffe hat die Räume der ehemaligen Physiotherapie in der Beuchaer Bebelstraße zu Ausstellungsräumen umgestaltet. Am 1. Dezember findet die erste Vernissage statt. Der Brandiser Ortsteil ist kulturell nicht ganz unbeleckt. Die Konzerte in der Bergkirche locken regelmäßig Zuhörer an, und der Kulturhausverein hält mit anspruchsvollen Veranstaltungen wie dem Wandelkonzert im Juni den Gedanken an das Kulturhaus bis zu dessen ersehnter Sanierung am Leben. Sollte sich der „Raum mit Aussicht“ als fester Ort für wechselnde Ausstellungen etablieren, brächte das noch mehr Farbe ins Antlitz des Ortes und damit der Region. Der Auftakt jedenfalls ist gleich ein Ritterschlag für Levi Wolffe und seine Mitstreiter, den die Kooperation mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden für einen jungen Künstler zweifellos darstellt. Wichtiger aber noch, weil zukunftsweisend, ist das Bestreben, das Künstler und SKD zusammengebracht hat: Museum neu zu denken und Kunst zu den Menschen zu bringen. Nicht nur zu solchen, die sich ohnehin für Kunst interessieren, sondern auch zu Menschen, denen der Zugang zu Ausstellungen aus verschiedenen Gründen erschwert ist, oder die sich einfach scheuen, eine Galerie zu betreten. Wolffe und seine Künstler ihrerseits haben die Türen weit geöffnet. Jetzt ist es an den Menschen im Ort und darüber hinaus, ihrerseits Offenheit zu zeigen und sich auf die moderne Kunst einzulassen. Die Hürde ist niedrig: drei Stufen. Auch er habe anfangs reich und berühmt werden wollen, räumt er ein, „weil ich dachte, so funktioniert Kunst“. Aber Hochs und Tiefs in seinem Leben schärfen seinen Blick für die Gegensätze in der Gesellschaft. Und er merkt: „Der Mensch kann auch ohne Güter leben.“ Wichtiger seien ihm seine Kunst, Freundschaft und Liebe. Wolffe sieht sich als Künstler in der Verantwortung, „etwas Gutes für die Gesellschaft zu tun“, versteigert eine Plastik zugunsten der Deutschen Knochenmarkspenderdatei. „Man darf seine Kunst nicht zum Sich-Bereichern nutzen.“ Wolffe verkauft nur an öffentliche Galerien: Kunst solle vielmehr frei sein, jedem zugänglich. „Denn Kunst vermittelt uns Selbsterkenntnis. Betrachtet man sie, entsteht ein Bild in uns, vielleicht eine Erinnerung, vielleicht eine Vision. Und diese Erfahrung steht jedem zu. Kunst sollte deshalb nicht als Deko bei einem Sammler landen, der sie sich leisten kann.“ Geradezu widersinnig findet er es deshalb, dass sich heute Leute mit viel Geld einen van Gogh an die Wand hängen. Der Maler habe damals von seinen Bildern kaum leben können. Wolffe verkauft darum auch nicht in Galerien, in denen sich die immer gleiche elitäre Schicht treffe, sondern an öffentliche Sammlungen oder Museen, auch mal an ein Restaurant. „Ich würde auch Leinwandbilder bei Ikea verkaufen, weil ich etwas für alle machen möchte“, sagt er. Künstler steht vor der Obdachlosigkeit: Doch der ständige Konflikt zwischen Anspruch und Wirklichkeit macht ihn kaputt. Als er vor der Obdachlosigkeit steht, bietet ihm sein Stiefvater die ehemalige Physiotherapie in der Bebelstraße an, und Wolffe ist begeistert von der Lage an der Ortsdurchfahrt, dem großen Schaufenster. Es ist in mehrfachem Sinn ein „Raum mit Aussicht“. Nicht nur, weil er Wolffe eine Zukunft bietet mit Blick auf die Bergkirche, „den schönsten Ort in Beucha“, sondern auch weil er Nähe zum Publikum verspricht. „Kunst vor die Haustür der Menschen zu bringen, macht mich glücklich“, sagt Wolffe. Als er während seiner Zeit in Berlin keine Ausstellungsmöglichkeit findet, nutzt er die Straße, sprüht Müllhaufen an. „Das sah toll aus und sorgte für Irritation: Ist das Kunst, oder kann das weg?“ Auch das SKD-Projekt zur Förderung von Kunst im ländlichen Raum verfolgt den Ansatz der Nähe. Dessen Motor ist die selbstkritische Überlegung, ob Museen vor dem Hintergrund einer dichter werdenden Vernetzung nicht auch dezentraler und interaktiver gedacht werden müssen. Die „180 Ideen für Sachsen“ verstehen sich als Modelle oder Gegenentwürfe einer nahen Zukunft. Für Wolffe, Mitglied im Bund bildender Künstler Leipzig, ist es die erste Ausstellung, die er selbst kuratiert. Dafür gewonnen hat er Künstler aus Berlin und Leipzig – Anja Heymann (Performance), Alex Lebus, Marten Schech, Bernd Selle. Die SKD verleihen der Ausstellung mit Werken von Jimmie Durham und Bojan Sarcevic aus der Schenkung der Sammlung Hoffmann zudem eine internationale Note. Ausstellung bis Ende Januar in Beucha: „Heimleuchten“ beschreibt dabei weniger die Kunstwerke als das, was sie auslösen sollen. „Kunst“, sagt Wolffe, „ist unendlich interpretierbar“. Er träumt „von einer Gesellschaft, die Dinge hinterfragt und sich nicht mit Materiellem betäubt“. Bis zur Finissage am 25. Januar lädt er deshalb Dienstag bis Samstag von 14 bis 19 Uhr in den Kunstraum ein, und dazu, über Kunst ins Gespräch zu kommen.„Vielleicht“, sagt er, „bin ich ein bisschen naiv. Aber ich möchte für eine bessere Gesellschaft zumindest einen Grundstein legen.“ Von Ines Alekowa

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