Ringelnatzsommer 2020 in Wurzen endet mit beeindruckendem Programm

Der diesjährige Ringelnatzsommer ist Geschichte: Trotz aller Einschränkungen und erheblicher Mühen gelang es dem gastgebenden Joachim-Ringelnatz-Verein, ein beeindruckendes Programm auf die Beine zu stellen. „Ursprünglich hatten wir zwei Tage mehr geplant, aber unsere nun acht Veranstaltungen sind schon ganz ordentlich“, fand Vereinsvorsitzende Viola Heß. Schade sei gewesen, dass die Eröffnungsveranstaltung mit Stephan Krawczyk weggebrochen sei. „Er hatte schließlich extra 14 Ringelnatz-Gedichte vertont.“ Doch echte Fans müssen nicht traurig sein, nun gibt es die eher schwermütigen Vertonungen auch auf CD. Schweizergarten sorgt für ein sommerliches Ambiente: Für den Verein sei die Organisation der Veranstaltungen mit einer Menge Mehrarbeit verbunden gewesen. Das Ringelnatzhaus harrt noch der Vollendung. Jetzt rechne der Verein damit, das Haus im nächsten Sommer eröffnen zu können. „Die Stimmung im Verein ist kämpferisch.“ Immerhin konnte mit dem Innenhof des „Schweizergartens“ ein sommerlicher Veranstaltungsort für den Ringelnatz-Sommer gefunden werden. „Gleich nebenan im Saal hatten wir eine Regenvariante vorbereitet.“ Besonders stolz ist Viola Heß auf die musikalische Führung über den Ringelnatz-Kunstpfad. Konzipiert als moderner Pilgerweg, können sich Besucher an insgesamt 13 Hörstationen mit Klängen dem Thema Ringelnatz nähern. „An der Linde am Dom entstand ein beeindruckender Musikdom, das ist eine einmalige Geschichte, die zur Eröffnung 30 Gäste anzog.“ Der Pfad könne nun ganz nach Belieben erkundet werden, das nötige Heftchen mit QR-Codes gibt es in der Stadtinformation. Der Wurzener Ringelnatz-Verein zählt derzeit 132 Mitglieder in ganz Deutschland. „Nur im Saarland und in Schleswig-Holstein haben wir noch keine Mitstreiter“, sagt Heß. Längst gebe es zudem ein gutes Künstlergeflecht, das dem Verein die Treue halte. Kontakte zu befreundeten Vereinen sorgen manchmal auch für neue Mitstreiter. Der Leipziger Heinz Hilbert ist seit vielen Jahren in der Fallada-Gesellschaft aktiv und lernte so den Ringelnatz-Verein kennen. „Da wurden bei mir offene Türen eingerannt. Es war daher nur eine Frage der Zeit, bis ich auch in den Ringelnatz-Verein eintrat.“ Mittlerweile gehört Hilbert zum Vorstand. Ein Wiedersehen mit dem Sänger und Schauspieler Johannes Kirchberg: Der Verein kümmert sich auch darum, das Werk von Joachim Ringelnatz wissenschaftlich aufzuarbeiten. „Es gibt dazu erstaunlich wenig“, stellte er fest. Auch Übersetzungen in andere Sprachen seien rar, lediglich punktuell existieren englische Übersetzungen. Immerhin gebe es nun einen Literaturwissenschaftler, der eine Doktorarbeit über Ringelnatz schreiben möchte. „Eine historisch-kritische Ringelnatz-Gesamtausgabe gibt es noch nicht. Jeder veröffentlicht was er denkt. Wir sind schon froh, wenn wir irgendwo immer mal unsere Bedenken anmelden können.“ Für Hilbert ist das Thema Literatur längst zur Lebensaufgabe geworden. Der Diplomingenieur für Maschinenbau ist seit seinem Ruhestand sogar beim Seniorenstudium an der Leipziger Universität dabei. Ringelnatz mit Kinderaugen betrachtet Eva-Maria Hänsel bei ihrem aktuellen Projekt, das sie gemeinsam mit dem Schriftsteller André Schinkel und Wurzener Grundschülern auf die Beine stellte. Eine Grafikerin unterstützt die Kinder dabei künstlerisch, weitere Anregungen brachten Exkursionen und Lesungen. Das dabei entstehende Buch soll zur nächsten Buchmesse erscheinen. Ein Wiedersehen gab es am Sonnabend mit Johannes Kirchberg, der diesmal einen musikalischen Abend mit Texten und Gedichten von Johannes R. Becher gestaltete. „Die Arbeit an diesem Programm war nicht einfach, ich habe es ein paar mal in die Ecke geschmissen“, gab er zu. „Ich habe sogar nach Gründen gesucht, warum man kein Becher-Programm machen sollte. Ich habe keine gefunden.“ Becher habe immer mit Deutschland gerungen, doch als schwerste Last trug er sich selbst.“ Kirchberg erinnerte dran, das Becher über 4000 Gedichte hinterlassen hat. Nicht alle könnten sich auch heute noch hören lassen. „Er hat auch ganz furchtbare Sachen geschrieben, zum Beispiel ein Gedicht auf Stalin.“ Becher bleibe immer ein Thema – vor 30 Jahren habe man sogar darüber diskutiert, Bechers DDR-Nationalhymne mit der Melodie des Deutschlandliedes von Haydn zu verknüpfen und so eine neue deutsche Nationalhymne zu schaffen. Doch daraus sei nichts geworden. Lesen Sie dazu auch: Ringelnatzverein trotz mit Kultur der Corona-Krise Von Bert Endruszeit