Im Leipziger Zoo flossen am Montag Tränen. Bei den Elefantenpflegern, bei Zoobesuchern und auch beim Zoodirektor selbst. Denn Elefantenbaby Bên Lòng hat es nicht geschafft – am Vormittag gegen 11 Uhr fiel die Entscheidung, den acht Monate alten Publikumsliebling einzuschläfern. „Das ist ein sehr trauriger Tag für uns“, sagte Zoodirektor Jörg Junhold am Nachmittag vor Medienvertretern, sichtlich ergriffen.
Er konnte nicht mehr aufstehen
Die gesamte Mannschaft hatte sich schon seit Tagen auf diesen Fall eingestellt. Am Wochenende konnte der Minifant sogar noch mal auf die Außenanlage gehen. „Am Montagmorgen lag er dann fest. Trotz Infusionen vom Tierarzt sowie Hilfe von den Pflegern und von seiner Ziehmutter Don Chung gelang es nicht, das geschwächte Tier aufzurichten“, schilderte der Zoochef die dramatischen Stunden. Um Bên Lòng Schmerzen und Leid zu ersparen, sei die schwere Entscheidung getroffen worden. Die Elefantenkühe Don Chung und Rani, die sich seit Monaten als „Ersatzmütter“ um den Babyfanten gekümmert hatten, bekamen Gelegenheit zum Abschiednehmen – sie durften ihn berüsseln, bis sie sich von selbst abwandten und Richtung Außenanlage marschierten.
Todesursache noch unklar
Nun wird der leblose Dickhäuter zunächst intensiv pathologisch untersucht. Eine Beerdigung gibt es nicht – seine letzte Reise tritt er Richtung Tierkörperverwertung an. „Was letztlich genau seinen Tod verursacht hat, werden wir vermutlich nie herausbekommmen“, glaubt Junhold.Ein Zusammenhang mit der künstlichen Ernährung wird vermutet. Bên Lòng wurde mit Ersatzmilch gefüttert, da seine Mutter Hoa sich nicht um ihn kümmerte und auch nur kurze Zeit Muttermilch produzierte.
Dank intensiver Überwachung fiel auf, dass die Leberwerte von Bên Lòng vor zwei bis drei Wochen schlecht wurden. Vor einer Woche wurde es dann kritisch. Er legte sich oft hin, war nicht mehr so aktiv und trank insgesamt nur noch die Hälfte von dem, was nötig war. Äußeres Anzeichen seiner Krankheit sei eine Gelbsucht gewesen. Aber möglicherweise waren Bên Lòngs körperliche Abwehrkräfte auch nicht stark genug.
Wissenschaftliches Neuland betreten
Dennoch habe der Zoo aus der schwierigen künstlichen Aufzucht des Babyfanten viel gelernt und wissenschaftliches Neuland betreten. „Bisher gab es keine Daten, wie das normale Blutbild bei jungen Elefanten aussieht. Wir hatten keine Vergleichswerte zur Verfügung. Jetzt haben wir Blut und Urin ausführlichst dokumentiert und werden die Daten für die Fachkollegen publizieren“, erläuterte Junhold. Unterstützt wurden die Zooveterinäre und Pfleger in ihrem Ringen um das Leben des Elefantenkindes durch Kinderärzte und das Zentrallabor der Uni Leipzig.
Alle Hoffnungen ruhen auf Rani
Dennoch hofft der Zoo, dass bald wieder ein Elefantenkind durch das 2006 eröffnete neue Elefantenhaus springt. Die junge Kuh Rani (10) erwartet Anfang 2020 erstmals Nachwuchs. Bên Lòngs leibliche Mutter Hoa (34) soll vorläufig nicht wieder zur Zucht eingesetzt werden, nachdem sie dreimal Nachwuchs hatte, jedoch keines der Tiere erfolgreich groß wurde.
Bei Trinh (37) besteht theoretisch noch die Möglichkeit, dass sie ein weiteres Jungtier bekommt. Dong Chung (37) hatte nie Nachwuchs. Saida (46) ist zu alt dafür. Thura (45) ist nach einer Steinfrucht und einem Schwangerschaftsabbruch ebenfalls nicht mehr zur Zucht geeignet.
Gerüchte um „Elefantenomas“
Die beiden „Elefantenomas“ Saida (46) und Thura (45), die beide ursprünglich aus Hamburg stammen, bilden ohnehin ein Grüppchen für sich und kommen mit den anderen Tieren nicht so gut klar. Gerüchte besagen, dass sie nach Karlsruhe abgegeben werden sollen, wo der Zoo eine Senioren-WG für Elefanten betreibt. „Im Moment sind das Gerüchte, zu denen ich nichts sage“, antwortet Zoochef Junhold darauf.
Umbesetzungen schließt er für die Zukunft allerdings nicht gänzlich aus. Um eine sozial intakte Herde zu haben, müsse die Altersmischung in der Gruppe stimmen, und die Tiere müssen Erfahrungen mit Geburt und Aufzucht von Jungtieren machen können.
Von Kerstin Decker