„Wer sein Haus sowieso überschreiben wollte, sollte sich beeilen – aber ich warne vor einem Schnellschuss“
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Mit dem Jahressteuergesetz erhöht die Bundesregierung indirekt die Erbschaft- und Schenkungsteuer. Für Erbende kann das teuer werden.
© Quelle: IMAGO/Alexander Limbach
Berlin. Im September hat die Bundesregierung das Jahressteuergesetz 2022 auf den Weg gebracht. Es enthält unter anderem auch den Passus „Anpassung der Vorschriften der Grundbesitzbewertung“. Damit ändert sich die steuerliche Bewertung, die es vom 1. Januar 2023 an viel teurer machen kann, eine Immobilie zu verschenken oder zu vererben.
Nun fühlen sich viele Eigentümerinnen und Eigentümer unter Druck, ihre Immobilie noch im alten Jahr zu übertragen. Doch auch das kann Probleme mit sich bringen. Jörg Leine, Steuerexperte von „Finanztip“, erklärt im Interview die Details.
Herr Leine, was genau ändert sich ab 1. Januar?
Ab 1. Januar ändert sich die Bewertung der Immobilien: Dadurch kann es viel teurer werden, eine Immobilie zu verschenken oder zu vererben. Entscheidend dabei sind drei Aspekte: erstens der Sachwertfaktor, der sich erhöht. Er soll die Marktlage abbilden und wird am Ende mit der Summe aus dem errechneten Restwert der Immobilie und dem Bodenwert multipliziert. Zweitens die Nutzungsdauer, die von 70 auf 80 Jahre angehoben wird. Dadurch fällt die Minderung des Alterswerts geringer aus und der Restwert steigt. Und drittens wird ein Regionalfaktor eingeführt, der in besonders angesagten Regionen obendrauf kommt. Der liegt zum Beispiel in München aktuell bei 1,52.
Welcher Aspekt ist entscheidend?
Entscheidend ist der Sachwertfaktor. Bisher liegt er je nach Region und Immobilie bei 0,5 bis 1,5, künftig soll er 0,8 bis 1,8 betragen.
Wie wirkt sich das aus?
Wenn sich zum Beispiel der Sachwertwertfaktor von 1,0 auf 1,4 erhöht, steigt die Bewertung eines Eigenheims von 576.000 auf 898.000 Euro im Jahr 2023. Dann sind beim Verschenken an ein Kind aktuell rund 19.000 Euro Schenkungssteuer fällig (576.000 minus 400.000 Euro Freibetrag mal 11 Prozent Steuersatz). Ab Januar würden es hingegen fast 75.000 Euro sein. Das sind also mehr als 55.000 Euro Unterschied.
Also schnell noch ins Anwaltsbüro?
Das kommt darauf an. Wer sein Haus sowieso überschreiben wollte, sollte sich beeilen, um vor dem Jahresende noch Termine bei Steuerberater und Notar zu bekommen.
Aber ich warne vor einem Schnellschuss. Schließlich sollte man bei einem Schenkungsvertrag viele Dinge abwägen. Vielleicht wollen ja die Eltern im Haus wohnen bleiben – da muss zum Beispiel geregelt werden, wer für Reparaturarbeiten aufkommt. Häufig wird auch geregelt, was passiert, wenn das beschenkte Kind stirbt, sich scheiden lässt oder insolvent wird.
Generell rate ich als Erstes herauszufinden, ob die Gesetzesänderung sich überhaupt wesentlich bemerkbar macht. Wer zum Beispiel ein Haus auf dem platten Land hat, muss sich in der Regel nicht verrückt machen lassen. Denn zwar steigt auch dort der Wert der Immobilie, der bleibt aber oft immer noch unter den 400.000 Euro Freibetrag. Also keine Panik!
Sie sprechen von Häusern, inwiefern betrifft das auch Eigentumswohnungen?
Auch Wohnungen werden 2023 im Wert steigen. Allerdings ist es weniger wahrscheinlich, dass man über die 400.000-Euro-Grenze kommt. Denn wer eine Eigentumswohnung besitzt, dem gehört in der Regel nicht die ganze Grundstücksfläche, sondern nur ein Anteil. So kann es zum Beispiel sein, dass das Grundstück 1000 Quadratmeter groß ist, aber der Anteil nur 1/20 ist, also 50 Quadratmeter. Das senkt den Wert beträchtlich.
Welche Möglichkeiten gibt es 2023, um Steuern zu sparen?
Da gibt es einige: Man kann zum Beispiel nur die Hälfte der Immobilie überschreiben, damit die Beschenkten unter dem Freibetrag bleiben und keine Steuern zahlen müssen. Nach zehn Jahren wird dann die zweite Hälfte geschenkt, dabei gibt es erneut den Freibetrag von 400.000 Euro.
Nicht zuletzt lässt sich der Wert der Immobilie, der vom Finanzamt angenommen wird, deutlich mit einem lebenslangen Wohnrecht reduzieren. Eltern könnten also das Haus überschreiben und dürfen es bis ans Lebensende nutzen – und das spart Steuern durch den gesunkenen Wert des überschriebenen Hauses.