Karrierekiller Arbeitszeugnis: So wehren Sie sich gegen schlechte Bewertungen
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Ein unauffälliges Wort, das im Arbeitszeugnis aber viel ausmacht: „Stets“ bedeutet eine gute oder sehr gute Bewertung.
© Quelle: Andrea Warnecke/dpa-tmn
Berlin. Erstklassige Ausbildung, langjährige Berufserfahrung, vielversprechende Vorgespräche am Telefon – und doch klappt es nie mit einem Bewerbungsgespräch? „In solchen Fällen stimmt irgendetwas mit den Unterlagen nicht“, meint Tobias Werner, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Häufiger Karrierekiller: das Arbeitszeugnis.
„Es gibt einige Branchen, bei denen die Bewerbungsunterlagen keinen großen Stellenwert haben, beispielsweise Start-ups“, meint Werner. „Aber generell wird vor allem auf das Arbeitszeugnis genau geschaut. Schließlich gibt das letzte Unternehmen hier eine konkrete Einschätzung über die Befähigung des Beschäftigten ab.“
Ein schlechtes Arbeitszeugnis könne deshalb die Jobsuche erschweren und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erheblich reduzieren. „Kein Wunder, dass es deshalb immer wieder zum Streit kommt“, erklärt der Jurist.
Dabei werde vor allem um die Bewertung der Leistung gestritten. Aber auch bei der Beurteilung des Sozialverhaltens und der genauen Aufgabenbeschreibung komme es häufig zu Unstimmigkeiten.
Was gehört ins Zeugnis – und was nicht?
„Eindeutig geregelt ist, was das Arbeitszeugnis auf jeden Fall enthalten muss“, sagt Werner. „Das sind Informationen über die Art und Dauer der Tätigkeit sowie das Leistungs- und Sozialverhalten.“
Nicht verpflichtend sei dagegen die sogenannte Schlussformel, die den Dank und das Bedauern über das Ausscheiden sowie gute Zukunftswünsche enthält. „Darauf hat man – jedenfalls nach bisheriger Ansicht des Bundesarbeitsgerichts – keinen Anspruch“, weiß der Fachmann, gibt aber zu bedenken: „Fehlt die Schlussformel, wertet dies ein Zeugnis auf jeden Fall ab.“
Werner: „Angaben über Krankheiten, Gehalt, Nebentätigkeiten oder Straftaten gehören nicht ins Arbeitszeugnis.“ Das betreffe auch Informationen über Gewerkschaftstätigkeit, Betriebsratsmitgliedschaft oder Parteizugehörigkeit.
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Wohlwollend und dienlich
Und wie muss die Bewertung aussehen? „Nach der Rechtsprechung soll das Zeugnis wohlwollend formuliert sein. Und es muss dem beruflichen Fortkommen dienlich sein“, sagt Werner. „Entscheidend bleibt jedoch die konkrete Bewertung. Alles andere als mindestens „gut“ wird für Bewerbungen schwierig.
Für eine mögliche Korrektur komme es darauf an, wie die Bewertung ausgefallen sei. „Entspricht sie lediglich einem „befriedigend“ und wird ein besseres Zeugnis verlangt – also ein gutes bis sehr gutes – muss der Beschäftigte beweisen, dass die eigenen Leistungen das rechtfertigen“, erklärt der Anwalt.
„Stellt der Arbeitgeber indes ein Zeugnis mit einer schlechteren Bewertung als „befriedigend“ aus, ist er in der Beweispflicht.“
Zwischenzeugnis als Anker
Um ein böses Erwachen zu verhindern, rät Werner, sich im laufenden Arbeitsverhältnis ein Zwischenzeugnis ausstellen zu lassen. „Ein Anspruch darauf besteht, wenn es im Arbeitsverhältnis eine Zäsur gibt, beispielsweise ein neuer Chef kommt oder man auf einen anderen Arbeitsplatz wechselt.“
Das Zwischenzeugnis könne als Anker dienen: „Fällt es gut oder sogar sehr gut aus, wäre der Arbeitgeber in der Beweispflicht, wenn er später eine schlechtere Beurteilung ausgestellt hat. Die Juristen sprechen hier von Bindungswirkung des Zwischenzeugnisses, so es denn halbwegs aktuell ist.“
Zeugnis immer checken lassen
„Ein kritischer Blick auf das Arbeitszeugnis ist immer sinnvoll“, sagt Werner aus Erfahrung. „Denn oft wissen die Leute gar nicht, wo die schlechten Bewertungen versteckt sind.“
Viele Formulierungen würden besser klingen, als sie gemeint sind. Anzeichen dafür: zweideutige Wendungen, Betonung von Selbstverständlichkeiten oder das Weglassen von wichtigen Tätigkeiten. Zudem enthalte die „Zeugnissprache“ versteckte Schulnoten.
Hilfe suchen
Werner rät, sich zunächst Unterstützung zum Beispiel beim Betriebsrat oder bei der Gewerkschaft zu suchen. „Häufig hilft schon ein klärendes Gespräch mit dem Arbeitgeber.“ Dafür sollte man sich vorab eine Argumentation sowie einen Vorschlag für die Änderung zurechtlegen.
Bleibt das ohne Erfolg, könne man eine Anwaltskanzlei zurate ziehen und gegebenenfalls den Klageweg einschlagen. „Wichtig für Korrekturansprüche sind etwaige im Arbeitsvertrag vereinbarte oder tarifvertraglich geregelte Ausschlussfristen.“
Das kleine Bewertungs-ABC
Ausschlaggebend für die Bewertung im Arbeitszeugnis sind die Steigerungsformen, auch wenn sie sprachlich merkwürdig oder sogar falsch klingen. Als Faustformel für die Zufriedenheitsskala gilt: Dreifache Steigerungen bedeuten sehr gute Leistungen, zweifache Leistungen entsprechen guten Leistungen, Auslassungen sind negativ.
Note 1: jederzeit, immer, stets zur vollsten Zufriedenheit.
Note 2: zur vollsten/stets zur vollen Zufriedenheit.
Note 3: zur vollen Zufriedenheit.
Note 4: zur Zufriedenheit.
Note 5: im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit.
Note 6: Er/Sie hat sich bemüht.
Die entsprechende Bewertung findet sich dann bei den Themen Arbeitsweise, Befähigungen, Fachwissen usw. Außerdem gibt es nicht erlaubte verschlüsselte Botschaften, die etwas anderes bedeuten, als sie zunächst vermuten lassen.
Die Gewerkschaft Verdi hat einige Beispiele zusammengetragen:
- Zeugnistext: „Er verfügt über Fachwissen und zeigt ein gesundes Selbstvertrauen.“ Verschlüsselte Botschaft: Er verfügt nur über geringes Fachwissen und versucht das durch eine gewisse Lautstärke oder mit Prahlerei zu verbergen.
- Zeugnistext: „Sie trug durch ihre Geselligkeit zur Verbesserung des Betriebsklimas bei.“ Botschaft: Sie neigt zu übertriebenem Alkoholgenuss im Dienst.
- Zeugnistext: „Er hat alle Aufgaben in seinem und im Interesse der Firma gelöst.“ Botschaft: Er beging Diebstahl und/oder andere schwere Unkorrektheiten.
- Zeugnistext: „Sie engagiert sich innerhalb und außerhalb des Betriebes für die Interessen der Kolleginnen und Kollegen.“ Botschaft: Sie ist im Betriebsrat.
- Zeugnistext: „Er engagiert sich innerhalb und außerhalb des Betriebes für die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.“ Botschaft: Er engagiert sich in der Gewerkschaft.
- Zeugnistext: „Sie hatte Gelegenheit, sich das notwendige Wissen anzueignen.“ Botschaft: Sie nutzte die Gelegenheit aber nicht.
- Zeugnistext: „Er arbeitete mit größter Genauigkeit.“ Botschaft: Er war ein langsamer, erbsenzählender und unflexibler Pedant.
- Zeugnistext: „Im Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten zeigte sie durchweg eine erfrischende Offenheit.“ Botschaft: Sie war frech und hat sich nichts sagen lassen.
- Zeugnistext: „Er erledigte seine Aufgaben mit der ihm eigenen Sorgfalt.“ Botschaft: Chaos war bei ihm Normalität.
- Zeugnistext: „Sie delegierte ihre Aufgaben mit vollem Erfolg.“ Botschaft: Sie war eine Drückebergerin.
- Zeugnistext: „Er zeigte Verständnis für die anfallenden Arbeiten.“ Botschaft: Er ist eine Niete und faul.