„Cyberpunk 2077“-Entwickler: „Wir machen ein Spiel für Erwachsene“

Den Entwicklern war es wichtig, die Stadt Night City groß und bedrückend darzustellen.

Den Entwicklern war es wichtig, die Stadt Night City groß und bedrückend darzustellen.

Am 10. Dezember ist es endlich so weit: Nach mehreren Verschiebungen erscheint mit „Cyberpunk 2077“ das neue Spiel von CD Projekt, den Entwicklern der drei Spiele der „Witcher“-Reihe. Das Studio verlässt mit seinem neuen Werk Fantasygefilde und entwirft eine Vision der Zukunft im Jahr 2077. In der kalifornischen Stadt Night City nehmen es Spieler mit Banden, Konzernen und Hackern auf. Die Entwickler versprechen ungeahnte spielerische Freiheit, eine interessante, mitreißende Night City und Ausflüge in den Cyberspace an der Seite eines Starschauspielers.

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Philipp Weber (30) ist Senior Quest Designer und Coordinator und ist damit für die Planung und das Designs der Quests, also der Aufgaben im Spiel, verantwortlich. Weber war schon an „The Witcher 3: Wild Hunt“ beteiligt und hat mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland über das neue Leuchtturmspiel des polnischen Studios gesprochen. Er berichtet davon, wie die Entwicklung unter Corona-Bedingungen ablief, was sich das Team von der neuen Egoperspektive erhofft und welche Themen in „Cyberpunk 2077“ im Mittelpunkt stehen.

Den ersten Teasertrailer zu „Cyberpunk 2077“ gab es Anfang 2013. Am 10. Dezember, also fast acht Jahre später, erscheint nun endlich das Spiel. Was ist das für ein Gefühl, ein solches Mammutprojekt – zumindest vorerst – fertiggestellt zu haben?

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Ein sehr gutes. Für mich ist besonders schön, dass ich jetzt „Cyberpunk 2077“ endlich mal selbst spielen kann. Denn selbst als Quest Designer habe ich noch nicht alles gesehen. Wenn ich privat spiele, dann entdecke ich immer noch Neues. Tatsächlich haben die meisten von uns aber erst seit 2016 an dem Spiel gearbeitet, nachdem die „Witcher 3“-Erweiterung „Blood & Wine“ fertig war. „Cyberpunk 2077“ wurde schon sehr früh angekündigt, als wir die Lizenz erworben hatten. Der Teaser war vor allem dafür da, neue Talente ins Team einzuladen.

„Cyberpunk 2077“ ist wohl das meist erwartete Spiel des Jahres. Wie geht man mit diesem Druck um? Wie hat sich das auf die Arbeit ausgewirkt?

Der Druck von außen machte gar nicht so viel aus. Dass die Leute sich so sehr auf das Spiel freuen, gibt uns sogar Auftrieb. Wir haben uns eher selbst Druck gemacht, weil wir stets ein noch besseres Spiel machen wollen. Nachdem „Witcher 3“ schon so gut ankam, sagten wir zu uns: „Wir wollen noch mal etwas Besseres produzieren.“ Das kann man als Hybris auslegen, aber so haben wir uns unsere Messlatte gelegt.

Philipp Weber ist Senior Quest Designer und Coordinator bei dem Spielentwickler CD Projekt.

Philipp Weber ist Senior Quest Designer und Coordinator bei dem Spielentwickler CD Projekt.

2020 gab es zwei Faktoren, die die Entwicklung nicht leichter gemacht haben: Corona und die beiden neuen Konsolen Xbox Series X und Playstation 5. Wie hat sich das in der Entwicklung niedergeschlagen?

Wir sind im März direkt ins Homeoffice gewechselt. Das lief deutlich reibungsloser, als wir gedacht hätten. Nach ein paar Tagen haben wir unsere Arbeits-PCs nach Hause bekommen und dann mit VPN-Verbindung ins Büro gearbeitet. Das hat alles super funktioniert. Natürlich, wenn man nicht im selben Raum sitzt und sich nicht direkt sieht, geht manches ein bisschen langsamer vonstatten. Als Quest-Team hatten wir aber einmal täglich ein Onlinemeeting, um den Kontakt aufrechtzuerhalten. Andererseits: In der Endphase der Entwicklung, wenn es ans Beseitigen von Fehlern geht, ist es gar nicht schlecht, manchmal seine Ruhe zu haben. Corona hat uns also gar nicht so negativ beeinflusst, wie man denken könnte.

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Und zu den neuen Konsolen: Die haben uns auch nicht eingebremst. Es war ja von Anfang an geplant, dass „Cyberpunk 2077“ auf den alten Konsolen Xbox One und PS 4 erscheint. Dafür haben wir das Spiel auch optimiert. Uns war aber auch wichtig, dass wir eine PC-Version haben, die noch mal besser aussieht – das hat uns automatisch auf die Next-Gen-Konsolen vorbereitet. Auf denen wird zum Release zunächst die Version der älteren Konsolen laufen, wenn auch etwas hübscher. Anfang 2021 kommt dann der Next-Gen-Patch, der die Series-X- und PS-5-Version ans PC-Niveau heranbringt. Die Releaseversion auf Next-Gen wird speziell durch die höhere Auflösung etwas besser aussehen, da andere Grafikoptionen dann erst mit dem Next-Gen-Patch kommen. Wie genau der aussieht und inwiefern er mit den Einstellungen auf PC vergleichbar ist, können wir aber auch noch nicht genau sagen.

Die Entwickler wollten den originalen Cyberpunk-Visionen der 80er-Jahre treu bleiben.

Die Entwickler wollten den originalen Cyberpunk-Visionen der 80er-Jahre treu bleiben.

Es gibt zwei grundlegende Änderungen im Vergleich zu „Witcher 3“: das Setting und die Perspektive. Zunächst zum Setting: Vorlage war diesmal keine Romanreihe, sondern das Pen-and-Paper-Rollenspiel (P&P) „Cyberpunk 2020“. Gab es dadurch mehr kreativen Freiraum für die Gestaltung der Welt und der Geschichte? Oder wurde es dadurch schwieriger?

Es war durchaus ähnlich. Bei „The Witcher“ sind wir nach dem Ende der Romane in die Geschichte eingestiegen – und auch „Cyberpunk 2077“ setzt nach dem Ende der P&P-Vorlage ein. Charaktere und Welt waren also schon da, aber wir können etwas Eigenes, Neues machen, weil wir die Story nicht nacherzählen müssen. Ich persönlich hatte zu Beginn der Entwicklung keine Erfahrung mit dem P&P. Die ersten Wochen war also erst mal viel Lesen angesagt – alle Storybooks, alle Romane, um in die Welt reinzukommen. Von da an war es wie bei „The Wichter“ ein Gefühl von „Daheim sein“: Man hat alles im Kopf und kann neue Geschichten erzählen. Aber wie beispielsweise mit der Figur des Johnny Silverhand (ein toter Rockstar in der „Cyberpunk“-Welt, der als virtueller Geist in Erscheinung tritt, verkörpert vom Schauspieler Keanu Reeves, Anm. d. Red.) konnten wir viele Referenzen zur Vorlage einbauen.

Wie sehr habt ihr euch denn an der Vorlage orientiert?

Es war uns sehr wichtig, vorlagengetreu zu bleiben. Dadurch dass wir eng mit Mike Pondsmith (Autor der P&P-Vorlage) zusammengearbeitet haben, konnten wir gemeinsam mit ihm überlegen, wie sich einige Figuren in den 50 fiktionalen Jahren zwischen seinen Werken und unserem Spiel entwickelt haben könnten. Aber ein paar kleinere Abänderungen mussten wir natürlich machen. Zum Beispiel ist Johnny Silverhand in der Vorlage blond. Aber da Keanu Reeves nun mal schwarze Haare hat, haben wir gesagt: Wir schauen mal, vielleicht merkt’s keiner. Spaß, wir haben uns tatsächlich eine Erklärung dafür ausgedacht, die man im Spiel im Radio hören kann.

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Kannst du etwas zur Zusammenarbeit mit Keanu Reeves sagen?

Ich persönlich habe leider nicht mit ihm zusammenarbeitet. Aber die, die das Glück hatten, haben erzählt, dass all die positiven Geschichten über ihn wahr sind.

„Cyberpunk 2077“ spielt rund 50 Jahre nach der P&P-Vorlage. Wie habt ihr diese Zukunftsvision weiterentwickelt?

Das war ein schwieriger Prozess. Wir konnten ja nicht von unserer aktuellen Gegenwart ausgehen, sondern mussten überlegen, wie man sich in den 80ern die Zukunft vorgestellt hatte. Die Welt von „Cyberpunk“ hat sich also nicht so entwickelt wie unsere. Es läuft zum Beispiel nicht jeder mit einem Smartphone herum. Unsere Zukunft ist eine der Kabel, Wireless ist eine Seltenheit. Wir wollten den ikonischen Cyberpunk-Bildern der 80er Jahre treu bleiben. Neu ist aber etwa der Braindance, bei dem man die aufgezeichneten Gefühle und Gedanken einer Figur nachempfinden und -erleben kann. Und es gibt nun Einrichtungen wie das Doll House, eine Art Bordell, in dem die Angestellten die Emotionen der Kunden lesen und so herausfinden, wonach es ihnen wirklich verlangt. Statt Sex können sich also auch Gespräche über die tiefsten Ängste des Kunden entwickeln.

Cyberpunk 2077 hat einen umfassenden Charaktereditor.

Cyberpunk 2077 hat einen umfassenden Charaktereditor.

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Die zweite große Änderung im Vergleich zu „The Witcher“ ist die Egoperspektive. Warum habt ihr euch dafür entschieden?

Wir wollten, dass man die Hauptfigur stärker als eigene Verkörperung in der Spielwelt wahrnimmt, im Gegensatz zu Geralt aus „The Witcher“, der ja ein etablierter Charakter ist. Uns war auch wichtig, die Stadt als groß und bedrückend zu empfinden. Das funktioniert in Egoperspektive besser. Was wir ebenfalls machen konnten: In „The Witcher“ waren die meisten Dialoge Zwischensequenzen, in denen man die Figur nicht steuern konnte. Jetzt gibt es keinen Schnitte und die Zwischensequenzen sind interaktiv. Das Spielerlebnis wird dadurch immersiver.

Und es gibt einen sehr umfangreichen Charaktereditor. Lohnt es sich für mich, da viel Zeit hinein zu investieren, wo ich doch meine Figur aufgrund der Perspektive kaum sehe?

Das eigene Gesicht sieht man tatsächlich nur wie in der realen Welt, also in Spiegeln. Und man sieht die komplette Figur natürlich immer im Inventarmenü. Es lohnt sich aber, wenn man unseren Fotomodus nutzen will, in den wir viel Arbeit gesteckt haben. Aber ganz generell wollen wir den Spielern einfach das Gefühl geben, eine Figur zu verkörpern, die sie sich selbst ausgesucht und designt haben.

Zusätzlich zum Aussehen kann man auch zwischen drei Vorgeschichten wählen. Wie wirken die sich aus?

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Zunächst ist da mal der komplett unterschiedliche Spielbeginn für alle drei Vorgeschichten. Bis zum Ende des Spiels gibt es dann je nach Wahl immer wieder zusätzliche Dialog- und Handlungsoptionen. Der „Corpo“ zum Beispiel kommt aus dem Konzernbereich. Wenn der ein Unternehmen infiltrieren muss, kann er einfach friedlich hineinmarschieren. „Nomad“ und „Street Kid“ hingegen müssen schleichen, hacken oder sich durchschießen. In den Badlands, also dem ländlichen Gebiet um die Stadt herum, genießt der „Nomad“ wiederum große Vorteile. Uns war wichtig, dass diese Wahl Auswirkungen bis zum Ende des Spiels hat. Aber auch unabhängig davon wollen wir so viele Wahlen und Konsequenzen anbieten, dass das Spiel ganz unterschiedlich ausfallen kann und einen hohen Wiederspielwert hat.

Das Science-Fiction-Genre bietet großen Spielraum für aktuelle gesellschaftliche Fragen. Welche inhaltlichen Aspekte stehen in „Cyberpunk 2077“ im Mittelpunkt?

Bei der Größe unseres Spiels gibt es da natürlich sehr, sehr viele Themen. Eines der relevantesten ist die Frage danach, welchen Wert das Individuum in so einer Welt noch hat. Arm und Reich klaffen hier noch viel weiter auseinander. Wer arm ist, hat in der Zukunft eine noch geringere Lebenserwartung als heute – und wer reich ist, kann sogar unsterblich sein. Und mit der Figur des Johnny Silverhand, der als digitaler Geist in unserem Gehirn spukt, wollen wir die Frage stellen: Was ist eigentlich Bewusstsein, wie verändert es sich und wie lange sind wir noch wir selbst, bis etwas anderes anfängt? Aber natürlich gibt es auch viele kleinere Quests, die ganz unterschiedliche Themen anschneiden. In einer geht es beispielsweise um eine bestimmte Religion und wie diese mit Zukunftstechnologie umgehen könnte. Wir machen ein Spiel für Erwachsene. Und das heißt nicht, dass es überall Blut, Gewalt und Sex geben muss, sondern dass wir entsprechende Themen beleuchten, dort in die Tiefe gehen und philosophische Fragen stellen wollen.

Die Spieler werden also wie schon bei „The Witcher“ immer wieder vor moralischen Dilemmata stehen?

Genau. Und wie beim „Witcher“ wollen wir, dass die Konsequenzen dieser Entscheidungen nicht immer offensichtlich sind, dass es keine simple Unterscheidung zwischen Gut und Böse gibt. Das zeigen wir auch nie an. Wir finden es wichtig, dass der Spieler selbst überlegt und interpretiert.

Könnt ihr schon verraten, was für die Zukunft geplant ist?

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Viel kann ich nicht sagen, außer dass ein separates Team an einem Multiplayermodus arbeitet. Über weitere Inhalte für den Singleplayer wollen wir im Moment noch nicht sprechen. Womöglich orientieren wir uns uns am „Witcher 3“-Modell, also kleinere Zusatzinhalte und ein paar richtig große Erweiterungspacks, wie es sie vor 20 Jahren gab. Wir fanden, das hat gut funktioniert, und auch den Spielern hat es gefallen.

Das Spiel „Cyberpunk 2077“ erscheint am 10. Dezember im deutschen Handel.

Das Spiel „Cyberpunk 2077“ erscheint am 10. Dezember im deutschen Handel.

Welche Impulse kann euer neues Leuchtturmprojekt setzen?

Puh, schwierige Frage. „Cyberpunk 2077“ ist ein großes Spiel mit sehr vielen Einzelteilen. Als Quest Designer interessiere ich mich natürlich für die erzählerischen Aspekte und hoffe einfach, dass wir ein paar Geschichten erzählen können, die die Leute nachhaltig bewegen. Das Schönste an „Witcher 3“ ist für mich, dass die Spieler teilweise heute noch Geschichten von Quests nacherzählen. Ähnliches erhoffe ich mir von „Cyberpunk 2077“: Dass sich die Leute nicht über Statistiken, sondern über die Geschichten unterhalten, die sie erleben. Auch weil das Spiel derart non-linear ist, dass viele niemals die gleichen Erlebnisse haben werden. Das ist für mich das Schönste: Wenn zwei Leute die gleiche Mission spielen, aber komplett anders rangehen und auch ganz andere Gefühle mitnehmen. Am Schönsten wäre es, wenn Leute zum Denken angeregt werden, Gefühle entwickeln und das Spiel etwas mit ihnen persönlich macht.

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