Twitter löst Beratungsgremium für Bekämpfung von Hassrede auf
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Ein Schild hängt am Hauptsitz von Twitter in San Francisco.
© Quelle: Jeff Chiu/AP/dpa
San Francisco. Twitter hat unter seinem neuen Eigentümer Elon Musk ein unabhängiges Gremium aufgelöst, das Ratschläge für eine bessere Bekämpfung von Hassrede und anderen schädlichen Inhalten erteilte. Eigentlich war für Montagabend (Ortszeit) ein Treffen zwischen dem sogenannten Trust and Safety Council und Vertretern von Twitter geplant, wie Gremiumsmitglieder sagten. Doch seien sie kurz vor dem Termin per Email über das Aus für den Rat informiert worden. Bilder der Mail teilten sie mit der Nachrichtenagentur AP.
Darin hieß es, Twitter bewerte neu, wie am besten externe Einblicke gewonnen werden könnten. Dabei sei man zum Schluss gekommen, dass der Rat für Vertrauen und Sicherheit dafür „nicht die beste Struktur“ biete. „Unsere Arbeit, Twitter zu einem sicheren, informativen Ort zu machen, wird schneller und aggressiver vorangetrieben als jemals zuvor“, schrieb das Netzwerk in der Mail, die lediglich mit „Twitter“ unterzeichnet war. Eine Erklärungsseite zum Gremium bei Twitter war am Dienstag nicht mehr befüllt. „Hier gibt's (sic!) nichts zu sehen“, hieß es dort nur.
Ratsmitglied: Gremium war kein Kontrollorgan oder beschlussfassend
Rund 100 unabhängige Bürger- und Menschenrechtsgruppen sind im 2016 gegründeten Trust und Safety Council repräsentiert, der Twitter zu sensiblen inhaltlichen Fragen beraten hatte - etwa zu den Themen Hassrede, Ausbeutung von Kindern, Suizid, Selbstverletzung und anderen Problemen im Netzwerk. Entscheidungsgewalt hatte das Gremium nicht, auch in bestimmte Dispute über Inhalte bekam sie keinen Einblick.
Das betonte auch Ratsmitglied Alex Holmes via Twitter. Beim Gremium habe es sich um eine Gruppe von Freiwilligen gehandelt, die über viele Jahre ihre Zeit geopfert hätten, wenn sie von Twitter-Personal um Rat zu einem breiten Spektrum von schädlichen Inhalten im Netz und Sicherheitsfragen gebeten worden seien, schrieb Holmes. „Zu keinem Zeitpunkt war es ein Kontrollorgan oder beschlussfassend.“
Zuletzt Streit zwischen Gremium und Musk
Noch am vergangenen Donnerstag hatte Twitter per Email das geplante Treffen mit dem nun aufgelösten Rat bestätigt. Darin versprach die Online-Plattform eine „offene Unterhaltung samt Fragerunde“ mit der Twitter-Belegschaft, an der auch die neue Chefin der Abteilung für Vertrauen und Sicherheit, Ella Irwin, teilnehmen sollte. Am selben Tag verkündeten zugleich drei Mitglieder des Gremiums via Twitter ihren Ausstieg und begründeten dies damit, dass „Sicherheit und Wohlergehen von Twitter-Nutzern entgegen der Behauptungen von Elon Musk auf dem absteigenden Ast“ seien.
Bald wurden die früheren Ratsmitglieder zum Ziel von Online-Attacken, nachdem Musk seine Kritik an ihnen und dem ehemaligen Führungsteam von Twitter verschärfte. Seinen Vorgängern und Ex-Gremiumsmitgliedern warf er vor, angeblich nicht genug gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern auf der Plattform unternommen zu haben. Am Montag forderten verbliebene Ratsmitglieder das Unternehmen per Email auf, damit aufzuhören, die Rolle des Gremiums falsch darzustellen. Die falschen Anschuldigungen gefährdeten aktuelle und frühere Ratsmitglieder, hieß es in der Mail. Tatsächlich gehörten dem Rat Gruppen an, die sich gegen Ausbeutung von Minderjährigen stark machten, darunter das in den 80ern vom US-Kongress geschaffene Nationale Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder.
Die frühere Twitter-Angestellte Patricia Cartes, die 2016 für die Bildung des Rats zuständig war, erklärte, dass dessen Auflösung bedeute, dass „es keine gegenseitige Kontrolle mehr gibt“. Eigentlich habe die Unternehmensführung dem Rat eine globale Perspektive geben wollen, indem Experten aus aller Welt gewonnen werden sollten. Diese hätten über Sorgen sprechen sollen, wie neue Twitter-Regeln sich auf ihre jeweiligen Gemeinden auswirkten. Doch Musk verfolge aktuell die Praxis, erst Twitter-Nutzer zu fragen, ehe er eine Regeländerung vornehme, die Inhalte betreffe. „Er schert sich nicht so sehr darum, was Experten denken“, kritisierte Cartes.
RND/AP