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Zukunft der Pflege: Wenn die Roboter ins Altenheim kommen

Pflegeroboter agieren zum Teil autonom und verstehen Sprache – das macht sie einfach bedienbar.

Pflegeroboter agieren zum Teil autonom und verstehen Sprache – das macht sie einfach bedienbar.

Bochum. Die Menschen werden älter, und die Zahl der Pflegebedürftigen steigt. Schon jetzt warnen Verbände immer wieder vor Pflegeengpässen. Die Situation könnte sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten zuspitzen. Soziale digitale Assistenten sind hier womöglich ein Teil der Lösung – die Bandbreite reicht von Apps, die Menschen beim Strukturieren des Alltags helfen, über Pflegeroboter bis hin zu elektronischen Haustieren für Therapiezwecke.

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Doch mit der Technik kommen auch ethische Fragen auf: Geht damit die Menschlichkeit verloren, und wo muss man den Maschinen Grenzen setzen? Vieles kommt auf die Umstände an, in denen die Technik eingesetzt wird, sagt Medizinethiker und Philosoph Joschka Haltaufderheide von der Ruhr-Universität Bochum im Interview.

Wenn man von sozialen digitalen Assistenzsystemen redet: Was meint man damit konkret?

Es gibt keine allgemeine Definition. Es ist ein Sammelbegriff, in dem sich drei große Kategorien überlappen: Systeme, die physische Unterstützung anbieten. Systeme, die kognitive Aufgaben übernehmen – zum Beispiel interaktive Tagesbegleiter, die Ihnen Ihre Termine ansagen und Sie daran erinnern, wann sie Ihre Tabletten nehmen sollen. Und eine dritte Kategorie von Systemen, die emotionale und soziale Bedürfnisse von Nutzern ansprechen.

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Was alle Systeme gemeinsam haben: Sie agieren autonom, sind also beispielsweise robotischen Ursprungs und können sich selbst bewegen, oder man kann sie auf dem Smartphone oder Tablet mitnehmen und überall über einen Bildschirm abrufen. Und sie haben allesamt eine soziale Schnittstelle: Sie simulieren also im Grunde eine Art natürlicher menschlicher Interaktion.

Assistenzroboter können viele Aufgaben in der Pflege übernehmen.

Assistenzroboter können viele Aufgaben in der Pflege übernehmen.

Wie machen die Systeme das?

Wenn sie sich so einen Pflegeroboter anschauen, dann hat er lustige Augen aufgeklebt oder ein menschliches Gesicht. Und er kann Sprache verstehen. Und je nachdem, wie fortgeschritten es ist, kann das System Mimik und Gestik interpretieren und darstellen.

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Und das macht die Geräte interessant, weil sie dadurch natürlich einfach bedienbar werden. Sie können dem Gerät sagen, was Sie möchten. Je nachdem, wie ausgefeilt es ist, kann es sogar über Ihre Witze lachen.

Oft heißt es, dass in der Pflege die Menschlichkeit manchmal auf der Strecke bleibt, etwa weil die Pflegekräfte nicht genug Zeit für jeden einzelnen aufbringen können. Liegt in den Assistenten nicht eine große Chance für eine Verbesserung?

Ich betone immer, dass die Technik, aus der ethischen Perspektive gesprochen, an sich nicht gut oder schlecht ist, sondern dass sie gewisse Chancen und Risiken birgt.

Wir stecken in einem demografischen Wandel, bei dem sich auf der einen Seite die Zahl der Menschen, die auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind, massiv erhöht und auf der anderen Seite sinkt die Zahl der Menschen, die Ressourcen erwirtschaften können. Das führt dazu, dass wir in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren auf eine massive Ressourcenknappheit im Gesundheitssystem zulaufen – und mit der müssen wir umgehen.

Und diese Systeme versprechen, dass sie auf individueller Ebene die Selbstbestimmung und Autonomie der Pflegebedürftigen erhalten, und auf systematischer Ebene zur Minderung dieser Knappheit beitragen. Das ist die große Chance, die da drin steckt. Das muss man aber auch zugleich mit einem Fragezeichen versehen werden.

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Kritiker äußern die Sorge vom Verlust der menschlichen Zuwendung, wenn die Pflege von Maschinen übernommen wird – dass die Technik also schaden könnte. Ist das eine berechtigte Sorge?

Das ist die Sorge, die sehr viele Menschen haben. Und sie ist sehr ernst zu nehmen. Interessanterweise ist es gar nicht so einfach zu sagen, was es konkret ist, was verloren geht.

Es ist natürlich ein Problem, wenn Sie sich vorstellen, dass der tägliche Besuch der Pflegekraft ersetzt wird durch einen technischen Helfer. Damit ist jedem sofort klar: Es geht etwas verloren. Aber was das genau ist, das muss man tatsächlich formulieren können. Das hat dann etwas mit menschlichen Beziehungen zu tun, mit gegenseitiger Anerkennung und damit, Teil einer sozialen Gemeinschaft zu sein.

Das ist etwas, was Pflege leistet, wofür Pflegende aber eigentlich leider überhaupt nicht bezahlt werden. Wobei es genau das ist, was uns daran wertvoll erscheint.

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Kann man es so herunterbrechen: Es wäre gut, wenn die Technik einfache Dinge abnimmt – etwa ein Roboter, der erinnert, ausreichend zu trinken. Aber wenn es um die emotionale Ebene geht, sollte das nicht den Maschinen überlassen werden?

Es ist nicht so einfach. Ich glaube vielmehr, dass es auf die Umstände ankommt, unter denen so eine Technik eingesetzt wird. Zentral sind die Nutzer: Wie viel wissen sie, in welchem Zustand sind sie, wie abhängig sind sie von so einer Technik?

Man kann sich umgekehrt das Beispiel überlegen: Was ist mit der Person, die bei bestimmten körperlichen Pflegeakten oder in bestimmten Zusammenhängen Scham empfindet? Die sich in bestimmten Situationen einem pflegenden Menschen gar nicht aussetzen möchte. Wieso sollten wir dieser Person die Nutzung bestimmter Technologien untersagen?

Wofür wir aber sorgen müssen: Dass bestimmte Gefahren in der Nutzung minimiert werden und dass bestimmte Standards eingehalten werden. Der Nutzer muss in der Lage sein, die technische Natur dieses Gerätes zu verstehen. Er darf nicht Gefahr laufen, getäuscht zu werden.

Was ist, wenn jemand zum Beispiel eine Roboter-Robbe, die zu Therapiezwecken eingesetzt wird, für ein echtes Tier hält?

Das ist meiner Auffassung nach ein großes ethisches Problem. Stellen Sie sich eine alte Dame im Altersheim vor, die diese Robbe tatsächlich für ein echtes, schutzbedürftiges Jungtier hält. Allein das Bild erzeugt ja schon Widerstand in einem. Das ist etwas, was wir dieser Person gegenüber als nicht angemessen empfinden – denn offensichtlich manipulieren wir ja, in dem wir diese Täuschung zulassen, die Handlungsgrundlage der Dame.

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Und noch schwerwiegender ist das Problem, wenn wir ihr die Robbe auf dem Schoß legen würden, um uns anderen Dingen zuzuwenden. Dann nutzen wir die Robbe nur als Mittel, um ihre Bedürfnisse irgendwie zu befriedigen und uns um andere Dinge kümmern zu können. Das ist etwas, das entwürdigend und aus ethischer Perspektive dem Menschen nicht angemessen ist.

Wo ist die Gefahr der Täuschung besonders groß?

Gerade wenn wir über den Einsatz solcher Technologien bei Demenz-Patienten reden: Da steigt mit fortschreitender Erkrankung diese Gefahr, weil es für die Person schwieriger wird, die Trennung hinzubekommen zwischen echter sozialer Interaktion und Interaktion mit einem Gerät – und da ist schon ein Punkt erreicht, wo man sehr genau hinschauen muss.

Ein anderes Beispiel ist, wenn jemand gar nicht die Möglichkeit hat, sich zu entscheiden, ob er sich an das Gerät oder die menschliche Pflegekraft wendet: Wenn die emotionalen Bedürfnisse nur noch bei der Maschine befriedigt werden – auch das wäre höchstproblematisch.

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Die digitalen Systeme werden immer ausgefeilter und lernen ständig dazu. Wo geht die Entwicklung noch hin?

Naturgemäß sind Prognosen immer schwer abzugeben. Was man aber sagen kann: Wir werden erleben, dass sich solche und weiterentwickelte Systeme zunehmend in den Alltag von älteren und hilfsbedürftigen Menschen integrieren. Die werden ein Stück Normalität.

Kurzfristig werden wir wahrscheinlich in der stationären Pflege eine Vielzahl von robotischen Systemen sehen, die einfache Aufgaben übernehmen und sich dann relativ schnell weiterentwickeln. Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen spielen da eine ganz entscheidende Rolle – also Gesichtserkennung, Mimik, Gestik, Personen zuordnen.

Was meinen Sie mit einfachen Aufgaben in der Pflege konkret?

Das kommt darauf an, wie das Gerät designt ist und welchem Zweck es dient. Eine einfache Aufgabe kann die Begleitung von Pflegebedürftigen durch den Alltag sein: sie zum Mittagessen rufen, ihnen das Fernsehprogramm kommunizieren oder in geselligen Runden zu Spielen anregen. Das wird sich Stück für Stück steigern und komplexer werden, je besser die Maschinen darin werden, soziale Interaktion von Menschen untereinander zu verstehen und nachzuahmen.

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RND/dpa

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