384.000 Kita-Plätze fehlen

„Das ist doch eine Katastrophe“

Zu wenig Krippen: Eltern müssen teils lange auf eine Betreuung für ihr Kind warten.

2023 fehlen bundesweit rund 384.000 Kita-Plätze.

Im Frühjahr kam der Brief, der Inhalt aber überraschte Familie Ziegler: Absage. Keine Kita-Plätze für ihre Zwillinge. Mit diesem Schicksal ist die Familie nicht alleine: Bundesweit werden im kommenden Jahr voraussichtlich knapp 384.000 Plätze fehlen, wie die Bertelsmann Stiftung jüngst in einer Studie prognostizierte. Allein in Nordrhein-Westfalen, wo auch die Zieglers leben, fehlen im kommenden Jahr demnach sogar mehr als 100.000 Kita-Plätze und rund 25.000 Erzieherinnen und Erzieher in Kindertagesstätten.

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Trotz dieser Meldungen, die den seit Jahren dramatischen Zustand in der Kinderbetreuung beschreiben, war Maria Ziegler, die in Wirklichkeit anders heißt, lange optimistisch. Immerhin hat sie mit sieben Kindern viele Jahre Erfahrungen sammeln können. Gute Erfahrungen. Die Zwillinge gehören mit ihren zweieinhalb Jahren zu den jüngeren Ziegler-Kindern. Während Ziegler von der Betreuungssituation erzählt, läuft sie gemeinsam mit ihnen die Straße entlang, das Baby liegt im Kinderwagen. Ein paar Minuten Zeit hat sie für das Gespräch. Dann wartet der nächste Termin. Sie ist auf Tour, wie sie sagt. Kita-Besichtigungstour.

Allermeisten Familien sind auf die Betreuungsplätze angewiesen

„Unsere Kinder waren alle in dieser Kita. Die Erzieherinnen haben immer schon gesagt: Bald kommen ja auch die Zwillinge. Für uns war also völlig klar, dass sie ab Sommer dann genau in diese Kita gehen“, sagt Ziegler. Doch dann kam überraschend die Absage. Zu wenige Sozialpunkte seien das Argument gewesen, andere Familien hätten auf der Warteliste weiter oben gestanden.

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Tatsächlich teilen ja auch viele Familien das Schicksal der Zieglers. Die allermeisten Familien sind auf die Betreuungsplätze angewiesen. Wer nicht Verwandtschaft in die Betreuung einbinden kann, muss im Job zurückstecken, wenn die Absagen kommen. Und das sind in den allermeisten Fällen die Mütter.

Die Eltern wissen doch: Ab drei Jahren geht eigentlich gar nichts mehr.

Christine Merten,

Leiterin einer Elterninitiative bei Dortmund

Eltern melden ihre Kinder früher an, als sie wollen

Statt also seit Sommer in die Kita zu gehen, sind die Zwillinge von Maria Ziegler im Herbst und auch im Winter immer noch zu Hause. Ein Umstand, der in ihrem Fall für die Eltern weniger dramatisch ist als für die Kinder selbst. Denn erst neulich hatten Spezialisten der Kinderklinik den Zwillingen aufgrund eines Sprachrückstands dringend einen Kita-Besuch empfohlen und dies auch attestiert. Doch wer zum Start des Kindergartenjahres keinen Platz bekommen hat, der findet im laufenden Kindergartenjahr noch schwerer einen. „Eine Kita-Leitung hat uns gesagt, dass manche Kinder frühestens im Vorschuljahr einen Platz bekämen“, erzählt Maria. „Das ist doch eine Katastrophe.“

Eine Vorstellung, die vielen Eltern Angst macht. Einige melden ihre Kinder deshalb viel früher an, als sie eigentlich wollten, erzählt Christine Merten. Seit 20 Jahren leitet sie eine Elterninitiative in der Nähe von Dortmund. Neulich hätten sich Eltern um einen Platz für ihr Kind beworben, das im April erst geboren werden soll. „Die Eltern wissen doch: Ab drei Jahren geht eigentlich gar nichts mehr“, so Merten. Dann sind einfach alle Plätze belegt.

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Einen Monat lang klingelt das Telefon

Die Zeit, wenn die Zu- und vor allem die Absagen rausgehen, sei besonders schlimm, erzählt die Leitung. Einen Monat lang klingelt dann ständig das Telefon, Eltern kommen vorbei, fragen, ob nicht doch etwas zu machen sei. Nöte, die Merten gut verstehen kann. Doch die Umstände sind auch für die Fachkräfte schwer auszuhalten.

„Wir sind grundsätzlich mit ein paar Plätzen in der Überbelegung. Wir wollen ja auch helfen. Aber alles, was darüber hinausgeht, können wir schlicht nicht leisten. Wir wollen keine Verwahrstelle sein“, sagt Merten. Die Grenze sei einfach erreicht.

Nächste Woche geht Maria Ziegler wieder auf Tour. Schaut sich weitere Kitas an. Wird sich um Plätze bewerben. Klar, könnte sie die auch einklagen. „Aber wer will das schon?“, sagt Maria. Denn wer klagt, kriegt vermutlich einen Platz – nur wo, das ist eine andere Frage. Die Logistik spielt in vielen Familien eine Rolle, vor allem in Großfamilien. Bei der Frage, ob sie denn fürs kommende Jahr optimistisch sei, hält Maria kurz inne, antwortet dann mit einem „Joa“. Mit sieben Kindern hat sie ihre Erfahrungen mit dem System gesammelt. Inzwischen nicht nur gute.

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