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2 G: Was bringt die Regel in der vierten Welle?

Für Menschen, die sich nicht impfen lassen, könnte es mehr Einschränkungen geben.

Für Menschen, die sich nicht impfen lassen, könnte es mehr Einschränkungen geben.

Hamburg. Die Debatte über strengere Corona-Vorgaben für Ungeimpfte nimmt weiter Fahrt auf. Statt 3 G steht nun 2 G zur Diskussion. Die Idee: Nur Geimpfte und Genesene haben Zugang zu bestimmten Bereichen des öffentlichen Lebens, ein negativer Test von nicht Geimpften reicht dann nicht mehr aus. Dafür entfallen Auflagen, etwa die Belegungsgrenze, Abstandsregeln, zum Teil auch die Maskenpflicht. Aber wie sinnvoll ist die 2-G-Regel überhaupt im Hinblick auf den Infektionsschutz?

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Während eine Ethikexpertin vor einer Spaltung der Gesellschaft warnt, forderte etwa der Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery bereits, 2 G bundesweit einzuführen. Erste Bundesländer setzen bereits auf das 2-G-Modell. Baden-Württemberg will die Regel bei einer steigenden Belegung der Krankenhäuser verbindlich einführen. Auch in Hamburg können Ungeimpfte von Veranstaltungen und vom Restaurant­besuch ausgeschlossen werden, Gastronomen entscheiden dann selbst.

2-G-Regel und die vierte Welle: Effekte kaum abschätzbar

Jan Fuhrmann ist Modellierer und Mathematiker an der Universität Heidelberg. Der Wissenschaftler erstellt normalerweise Hochrechnungen dazu, wie sich die Pandemie unter bestimmten Umständen weiterentwickelt. Die konkreten Auswirkung der 2-G-Regel im Vergleich zur 3-G-Regel könne man in solchen Simulationen „kaum abschätzen“, sagte Fuhrmann dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Prinzipiell ist unter medizinischen Fachleuten ohnehin umstritten, ob bei ungetesteten Geimpften und Genesenen oder bei Ungeimpften und negativ Getesteten ein größeres Restrisiko besteht, gerade ansteckend zu sein. Das hängt unter anderem davon ab, wie lange die Impfung oder Infektion beziehungsweise der negative Test zurückliegt.“

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Auch Geimpfte infizieren sich mit dem Coronavirus

Hamburgs erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hatte den Schritt zur „optionalen“ 2-G-Regel damit begründet, dass Geimpfte und Genesene „keinen wesentlichen Anteil“ am Infektions­geschehen hätten. Doch das stimmt schon länger nicht mehr. Wegen der Ausbreitung der Delta-Variante und der nachlassenden Impfwirkung infizieren sich Geimpfte nämlich inzwischen viel häufiger als noch vor wenigen Monaten.

Wird eine vollständig gegen Covid-19 geimpfte Person trotzdem mit einer PCR positiv auf das Coronavirus getestet und entwickelt auch Symptome, spricht das Robert Koch-Institut (RKI) von einem Impfdurchbruch. Seit Beginn der Impfkampagne im Dezember 2020 wurden 30.880 solcher Fälle an die Behörde gemeldet, bis dahin wurden rund 51 Millionen Menschen in Deutschland vollständig geimpft (Stand: 10. September). Der Anteil der Impfdurchbrüche war zuletzt jedoch deutlich gestiegen.

Laut dem aktuellen Lagebericht des Robert Koch-Instituts (RKI) vom 9. September sind Ältere am stärksten betroffen. Bei 42 Prozent der symptomatischen Neuinfektionen bei über 60-Jährigen handelt es sich mittlerweile um Impfdurchbrüche. Von den symptomatischen Neuinfektionen bei 18- bis 59-Jährigen sind bereits 18 Prozent Impfdurchbrüche, bei den Zwölf- bis 17-Jährigen sind es ein Prozent. Aus dem Bericht geht auch hervor, dass der tatsächliche Anteil noch höher liegen könnte, da sich Geimpfte vermutlich seltener testen lassen.

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Impfdurchbrüche werden immer häufiger

Fast 20 Prozent der über 60-Jährigen, die wegen Covid-19 im Krankenhaus behandelt werden müssen, wurden dem Bericht zufolge geimpft, genauso wie 20 Prozent der Patienten und Patientinnen in dieser Altersgruppe mit Covid-19 auf den Intensivstationen. Die Tendenz ist in beiden Fällen steigend. Auch 27 Prozent der Todesfälle seit dem 9. August in Zusammenhang mit dem Coronavirus sind demnach die Folge von Impfdurchbrüchen bei den Älteren. In der Altersgruppe der 18- bis 59-Jährigen fallen die Quoten hingegen deutlich niedriger aus.

Das israelische Gesundheits­ministerium schätzte vor Kurzem, dass das Biontech/Pfizer-Vakzin noch zu 39 Prozent vor Infektionen mit der Delta-Variante schützt. Studien haben auch gezeigt, dass Geimpfte zu dem Zeitpunkt, zu dem sie sich infizieren, eine ähnlich hohe Viruslast wie Ungeimpfte haben können. So war deren Ct-Wert, der Hinweis auf die Virenmenge in einer untersuchten PCR-Probe gibt, in mehreren Untersuchungen ähnlich hoch. Geimpfte können also auch andere anstecken und zur Verbreitung des Coronavirus beitragen, wenn auch wahrscheinlich für einen kürzeren Zeitraum.

Nicht belegt, dass Getestete infektiöser sind als Geimpfte

Bei einem negativen PCR-Test hingegen geht das RKI davon aus, dass mit einer nahezu hundertprozentigen Sicherheit eine Infektion ausgeschlossen werden kann. Und auch Antigenschnelltests, mit denen Ungeimpfte im 3-G-Modell bisher meist Zutritt haben, müssen eine Infektion mit mindestens 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit ausschließen können. Befürworter von 2 G kritisieren die Antigentests zwar teilweise als ungenau. Eine aktuelle Untersuchung des Zentrums für Infektiologie am Universitätsklinikum Heidelberg konnte aber zeigen, dass gute Schnelltests in der ersten Woche nach Symptombeginn acht von zehn Infektionen erkennen. Bei Personen mit hoher Viruslast – die besonders ansteckend sind – wurden sogar 9,5 von zehn Infektionen erkannt. Es gibt also keinen Beleg dafür, dass von frisch negativ Getesteten eine größere Infektionsgefahr als von Geimpften ausgeht.

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Einen „unbestreitbaren Vorteil“ der 2-G-Regel sieht Modellierer Fuhrmann hingegen darin, dass das eigene Risiko, sich anzustecken und einen schweren Verlauf zu entwickeln, bei Genesenen und Geimpften im Vergleich zu negativ Getesteten geringer ist. Tatsächlich könnte 2 G wohl am ehesten die Ungeimpften selbst schützen – wenn diese nicht mehr eingelassen werden und stattdessen zu Hause bleiben. Falls sich Ungeimpfte dann aber vermehrt im privaten Raum treffen, ganz ohne Tests und Regeln, ist auch hierbei ein Effekt fraglich.

Um „in besonders sensiblen Bereichen“ das Risiko zu minimieren, dass eine ansteckende Person im Raum ist, wäre dann vielleicht sogar eine 2-G-plus-G-Regel in Betracht zu ziehen, sagt Modellierer Fuhrmann. „Das hieße, dass man nur Geimpfte oder Genesene zulässt, die zusätzlich einen aktuellen negativen Test vorweisen können. Auch hier besteht aber die bereits von 2 G bekannte Schwierigkeit, dass dann Personen, die sich aus verschiedensten Gründen nicht impfen lassen können, automatisch ausgeschlossen werden.“

Virologe Streeck zu 2 G: „Weder sozial noch medizinisch sinnvoll“

Könnte ein möglicher indirekter Effekt von 2 G auch darin bestehen, dass sich mehr Menschen impfen lassen, weil sie sonst ausgeschlossen werden? Ob sich die 2-G-Regel auf die Impfquote auswirkt und damit indirekt auf das Infektionsgeschehen, könne er nicht beurteilen, sagt Fuhrmann: „Die Auswirkungen auf die Impfquote müssen andere Disziplinen bewerten, dazu können wir gar nichts beitragen. Und selbst wenn flächendeckende 2-G-Regeln einige zur Impfung treiben, lässt sich noch darüber diskutieren, ob man diesen Druck als akzeptables Mittel zur Erreichung dieses Zwecks ansieht.“

Gegen die 2-G-Regel hatte sich zuletzt unter anderem der Bonner Virologe Hendrik Streeck ausgesprochen. In einem Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ sagte Streeck, Getestete auszuschließen sei „weder sozial noch medizinisch“ sinnvoll. 2 G werde „in der Realität nichts bewirken, was man auf dem Rechenschieber sehen mag“. Menschen, die nicht geimpft oder genesen sind, würden stattdessen ja nicht alleine zu Hause sitzen und kein soziales Leben mehr haben. Es werde daher lediglich mehr unkontrollierte und unkontrollierbare Ausbrüche im privaten Bereich geben, die dann durch Tests nicht mehr erfasst würden, sagte der Virologe.

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Dieser Artikel wurde am 10. September aktualisiert.

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