Ärztepräsident Reinhardt für allgemeine Impfpflicht - aber „niemand darf zwangsgeimpft werden“
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Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, ist zwar für eine allgemeine Impfpflicht, warnt aber vor Zwangsimpfungen.
© Quelle: Jörg Sarbach/dpa
Osnabrück. Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, ist zwar für eine allgemeine Impfpflicht, warnt aber vor Zwangsimpfungen. „Wichtig ist, wir sprechen von einer Impfpflicht, nicht von einem Impfzwang. Niemand darf zwangsgeimpft werden“, sagte Reinhardt der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag). Wer der Impfpflicht nicht nachkomme, müsse aber mit spürbaren Restriktionen bei der Teilnahme am öffentlichen und gewerblichen Leben rechnen.
Ungeimpfte müssten in der gegenwärtigen Lage in den Lockdown, „auch wenn es nur ein Lockdown light ist“, wies Reinhardt Kritik aus der Wirtschaft zurück. Es gehe nicht anders. „Ich stehe voll und ganz hinter den entsprechenden Beschlüssen von Bund und Ländern.“ Die allgemeine Impflicht sei das einzige Mittel, um aus der Lockdown-Endlosschleife herauszukommen. Hohe Impfraten bedeuteten niedrigere Inzidenzen und vor allem viel weniger schwer kranke Patienten.
Impfkampagne deutlich ausweiten
Der Ärztepräsident hat ebenfalls für eine kürzere Impfpause beim Boostern geworben. „Es spräche nichts gegen eine Verkürzung der Frist von sechs auf fünf Monate, wenn denn wirklich genug Impfstoff zur Verfügung gestellt wird wie versprochen“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer. Bleibe es bei den sechs Monaten, müssten mehr als zwölf Millionen Menschen bis zum 1. Januar auf die Auffrischungsimpfung warten: „Das wäre eine unnötige Bremse.“ Auffrischungsimpfungen sind Reinhardt zufolge dringend notwendig, um die vierte Welle zu brechen. „Je mehr Menschen geboostert sind, desto weniger Impfdurchbrüche und Schwerkranke wird es geben. In Israel hat die frühe Boosterkampagne maßgeblich dazu beigetragen, die Inzidenzen schnell zu senken.“
Der Ärztepräsident forderte überdies eine breite Werbekampagne fürs Impfen, auch von ungewohnter Seite: „Politik, Religionsgemeinschaften, Sportvereine, Influencer, Prominente, sie alle müssen noch stärker fürs Impfen werben und sich gegen Fake News und Verschwörungstheorien stellen und Vorurteile endlich ausräumen.“ Es seien noch immer deutlich mehr als zehn Millionen Menschen ungeimpft. „Die müssen uns wirklich am Herzen liegen. Wenn 60-Jährige noch nicht geimpft sind, dann ist das für sie persönlich wirklich gefährlich.“
Ärztepräsident auch für Silvester-Ruhe
Reinhardt sprach sich gegen Corona-Einschränkungen für getestete Geimpfte aus, wie es die Bund-Länder-Beschlüsse für Hochinzidenzgebiete vorschreiben. „Ein Lockdown 'light' für diejenigen, die vollständig immunisiert sind und sich rechtzeitig boostern lassen und dann auch noch das Testen auf sich nehmen, halte ich für unangemessen. Das könnte manchen Menschen auch die Motivation nehmen, das Notwendige zu tun.“ Etwas anderes seien dicht gedrängte Zusammenkünfte in Clubs und Diskotheken, „da ist die notwendige Distanz einfach nicht einzuhalten“.
Auch die verordnete Silvester-Ruhe verteidigte der Ärztepräsident gegen Kritik: „Ein Böllerverbot kann helfen, dichte Zusammenkünfte, gerade auch von Alkoholisierten, zu unterbinden. Und natürlich werden die Krankenhäuser nicht zusätzlich mit Böller-Verletzten belastet.“ Es sei jetzt auch wirklich nicht die Zeit, mit Kanonenschlägen und Raketen das neue Jahr zu begrüßen, während auf den Intensivstationen Tausende ums Überleben kämpften und Pflegekräfte und Ärzte am Limit seien.
RND/epd