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Chronik der Astrazeneca-Ereignisse: Wer hat wann was entschieden?

Das Gebäude des internationalen Pharmakonzerns Astrazeneca in Wedel in Schleswig-Holstein.

Das Gebäude des internationalen Pharmakonzerns Astrazeneca in Wedel in Schleswig-Holstein.

Der Corona-Impfstoff von Astrazeneca wird in Deutschland nur noch für über 60-Jährige empfohlen. Andere Länder hatten sich schon eher für diesen Schritt entschieden. Wer hat wann was entschieden?

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Die Ereignisse im chronologischen Überblick

29. Januar 2021: Die europäische Arzneimittelagentur EMA empfiehlt für den Corona-Impfstoff von Astrazeneca eine bedingte Zulassung in der EU. Eine bedingte Zulassung bedeutet laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, dass die klinische Prüfung noch nicht vollständig abgeschlossen ist und für eine normale Zulassung noch weitere Daten erhoben werden müssen. Wirkung und Nebenwirkungen müssen zudem bei der Anwendung in besonderer Weise überwacht werden.

Nicht nur der Impfstoff selbst ist neu, sondern auch seine Funktionsweise: Es handelt sich um einen DNA-basierten Vektorimpfstoff. Gene des Coronavirus werden mithilfe unschädlich gemachter anderer Viren in menschliche Zellen eingeschleust. Diese produzieren daraufhin selbst Bestandteile des Virus, was eine Immunreaktion auslöst. Mit dem Einsatz von Vektorimpfstoffen gibt es noch vergleichsweise wenig Erfahrung. Die Zulassung des somit dritten Corona-Impfstoffs wird aber begrüßt, weil Impfstoffe nach wie vor knapp sind. Zudem ist der Impfstoff von Astrazeneca deutlich billiger als die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna.

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Am gleichen Tag jedoch empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) eine Altersvorgabe. Der Grund sind aber keine Sicherheitsbedenken, sondern fehlende Informationen zur Wirksamkeit: „Zur Beurteilung der Impfeffektivität ab 65 Jahren liegen bisher keine ausreichenden Daten vor“, heißt es in der Begründung der Stiko.

4. März 2021: Die neue Impfverordnung hält fest, dass Menschen unter 65 Jahren vorrangig mit dem Impfstoff von Astrazeneca versorgt werden sollen, der für Ältere vorerst nicht vorgesehen ist.

5. März 2021: Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das für die Überwachung der Impfstoffsicherheit in Deutschland zuständig ist, veröffentlicht den zweiten Sicherheitsbericht seit Beginn der Impfungen mit Astazeneca. Laut PEI werden „nicht schwerwiegende Reaktionen wie Fieber, Schüttelfrost und grippeähnliche Beschwerden“ nach der Impfung mit Astrazeneca häufiger als nach anderen Impfungen gemeldet. Das sei jedoch nicht zwangsläufig auf die Impfung zurückzuführen, da die erhöhte Melderate „auch mit der erhöhten medialen Aufmerksamkeit für den Impfstoff und den unterschiedlichen Altersgruppen der geimpften Personen zusammenhängen könnte“, so das PEI.

Nach 363.645 Impfungen mit Astrazeneca wurden auch bereits 69 Verdachtsfälle schwerer Nebenwirkungen gemeldet, was eine Meldung pro 5270 Impfungen entspricht. Um welche genau es sich dabei handelt, ist nicht im Einzelnen ausgeführt. Von Sinusvenenthrombosen ist vorerst nicht die Rede.

11. März: Die ersten Länder stoppen die Impfung

11. März 2021: Die Stiko ändert ihre ursprüngliche Impfempfehlung für Astrazeneca zum ersten Mal und empfiehlt die Impfung nun auch für Personen ab 65 Jahren. Die Impfkommission verweist auf neue Beobachtungsstudien, die eine gute Schutzwirkung auch bei älteren Menschen gezeigt hätten.

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Am selben Tag verkündet Dänemark, die Impfungen mit Astrazeneca vorerst auszusetzen. Der Grund sind mehrere Verdachtsfälle auf Hirnvenenthrombosen nach der Impfung und ein Todesfall. Auch Norwegen setzt die Impfungen aufgrund solcher Verdachtsfälle aus. In den folgenden Tagen schließen sich weitere Länder wie Island, Bulgarien oder die Niederlande dieser Entscheidung an. In Deutschland wird vorerst weiter geimpft.

Das Paul-Ehrlich-Institut gibt bekannt, dass in Deutschland elf Fälle von Thromboembolien nach der Impfung von Astrazeneca gemeldet wurden und dass vier Personen dadurch verstorben seien. Es sehe aber „derzeit keinen Hinweis, dass die Impfung diese Erkrankungen verursacht hat“. In Deutschland werden die Impfungen fortgesetzt. 1,2 Millionen Impfdosen von Astrazeneca wurden bis zu diesem Zeitpunkt in Deutschland verimpft.

15. März 2021: Nach weiteren Ländern wie Spanien, Italien, Frankreich, Luxemburg, Slowenien und Portugal entschließt sich nun auch Deutschland, die Impfungen mit Astrazeneca vorerst auszusetzen. Es soll eine neue Empfehlung der EMA abgewartet werden.

18. März 2021: Aus Sicht der EMA wiegt der Nutzen der Impfung mögliche Risiken auf und sie hält den Impfstoff für sicher genug, um die Impfungen fortzusetzen. Ein Zusammenhang zwischen den Nebenwirkungen und der Impfung sei allerdings nicht vollständig auszuschließen und müsse weiter aufmerksam beobachtet werden. Es müssten „weitere Untersuchungen auf den Weg gebracht werden“ Patienten müssten zudem über das Thromboserisiko aufgeklärt werden, so die EMA.

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19. März 2021: Mehrere europäische Länder bleiben angesichts der offenen Fragen beim Umgang mit Astrazeneca vorsichtig: So nehmen Dänemark und Norwegen die Impfungen nicht wieder auf. Frankreich beschließt jetzt bereits, die Impfungen nur noch für ältere Personen ab 55 Jahren aufwärts einzusetzen, da das Risiko für Thromboembolien nicht ausgeschlossen werden könne und vor allem jüngere Frauen davon betroffen waren. In Schweden und Finnland werden nur noch Personen ab einem Alter von 65 Jahren und in Island nur noch Personen ab einem Alter von 70 Jahren mit Astrazeneca geimpft. Deutschland setzt die Impfung bei allen Personen ab 18 Jahren fort.

24. März 2021: Astrazeneca veröffentlicht auf Anweisung durch die EMA und des Paul-Ehrlich Instituts hin einen „Rote-Hand-Brief“. Dabei handelt es sich um ein Schreiben, das sich an Angehörige der Gesundheitsberufe richtet und über die möglichen Risiken der Impfung aufklärt. Es sollte auf die Anzeichen und Symptome von Thrombosen bei Geimpften geachtet werden, heißt es darin. Außerdem sollen Mediziner die Geimpften bitten, bei allen Symptomen, die auf eine Thrombose hindeuten könnten, den Arzt aufzusuchen.

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30. März 2021: Nachdem erneut Hirnvenenthrombosen und Todesfälle bei jüngeren Frauen nach der Astrazeneca-Impfung gemeldet wurden, setzt zunächst Berlin als erstes Bundesland eigenständig den Einsatz von Astrazeneca bei Personen unter 60 Jahren aus. Weitere Bundesländer und Kommunen schließen sich an und verhängen einen Impfstopp bei Jüngeren. Die Leiter von fünf Unikliniken in Nordrhein-Westfalen fordern in einem gemeinsamen Brief an den Bundes- und Landesgesundheitsminister, die Impfung jüngerer Frauen mit Astrazeneca zu stoppen. Das Risiko für weitere Todesfälle sei zu hoch.

Am Abend beschließt die Bundesregierung auf Anraten der Stiko hin, die Impfung bei unter 60-Jährigen auch in Deutschland zu stoppen. Die Stiko hatte ihre Impfempfehlung erneut geändert und empfiehlt Astrazeneca jetzt nur noch für Personen ab 60 Jahren, da die Thrombosefälle vor allem bei jüngeren Personen aufgetreten waren. Etwa 2,7 Millionen Menschen waren bis dahin in Deutschland mit Astrazeneca geimpft worden. Die Zahl der gemeldeten Nebenwirkungen hatte sich seit Anfang März weiter erhöht: Insgesamt 31 Verdachtsfälle auf Hirnvenenthrombosen nach der Impfung sind dem PEI inzwischen gemeldet worden. Neun Geimpfte waren daran gestorben, vor allem jüngeren Frauen.

31. März 2021: Anders als Deutschland rät die EU-Arzneimittelbehörde EMA vorerst nicht zu Einschränkungen bei der Anwendung des Corona-Impfstoffs von Astrazeneca. „Nach dem jetzigen wissenschaftlichen Stand gibt es keine Belege, die dafür sprechen, die Verwendung dieses Impfstoffs in irgendeiner Bevölkerungsgruppe zu beschränken“, sagte EMA-Chefin Emer Cooke am Mittwoch. Die Überprüfung von neuen Hinweisen auf Blutgerinnsel laufe noch.

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