Der Wunsch nach Normalität – Wann wird Corona aus dem Alltag verschwinden?
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Karneval gestrichen, schärfere Grenzkontrollen und der Osterurlaub auf der Kippe: Der Frust über die Einschränkungen in der Corona-Krise wächst.
© Quelle: Nicolas Armer/dpa
Berlin. Karneval gestrichen, schärfere Grenzkontrollen und der Osterurlaub auf der Kippe: Der Frust über die Einschränkungen in der Corona-Krise wächst. Nun stellt sich CDU-Chef Armin Laschet an die Spitze derer, die nicht immer nur Vorsicht walten lassen wollen – sondern Freiheiten erlauben, wann immer es geht. Soll bald also mehr geöffnet werden – oder sind Hoffnungen auf ein Abflauen der Pandemie verfrüht? Ist eine Normalität wie vor Corona absehbar?
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Die Pandemie und wir
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Laschet schlägt neue Töne an
Noch ist ungewiss, ob ab dem 7. März wie geplant tatsächlich die Geschäfte wieder öffnen können. Ob der angepeilte Inzidenzwert von höchstens 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen dann erreicht wird. Da wendet sich der CDU-Chef gegen eine Bevormundung im Kampf gegen Corona: „Populär ist, glaube ich, immer noch die Haltung: Alles verbieten, streng sein, die Bürger behandeln wie unmündige Kinder“, so Laschet.
Es sind andere Töne, als man sie von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Pandemie gewöhnt ist – und Laschet will offenbar die Union damit hinter sich vereinen: „Wenn CDU und CSU hier auch eng beieinanderbleiben, haben wir die Chance, die Bürgerinnen und Bürger, die genau von Politikern diese Abwägung erwarten, und nicht nur eine Antwort erwarten, die wieder auf unsere Seite zu bringen“, sagt er.
Wenn man jetzt lockern und dem Virus den freien Lauf lassen würde, würde es sicherlich zu einer dritten Welle kommen.
Sandra Ciesek
Bei der Wirtschaft rennt Laschet offene Türen ein. Sie trommelt seit Tagen für eine Öffnungsstrategie – nach dem Wirtschaftsgipfel versprach diese auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Sogar Bayerns Trainer Hansi Flick verlangt von der Politik jetzt mehr Engagement, „dass es irgendwann zu einer Normalität kommt“.
Impfkampagne schürte Hoffnung
Kein Jahr ist es her, dass viele mit bangem Gefühl die Ansprache Merkels im Fernsehen hörten. Seit Kriegsende sei Solidarität nicht mehr so gefragt gewesen, sagte sie im vergangenen März. „Diese Situation ist ernst, und sie ist offen.“ Längst scheint es vielen mit dieser Art von Offenheit zu reichen – denn kein Ende ist in Sicht.
Merkel mahnt seither immer wieder zur Geduld. „Der vor uns liegende Winter wird uns allen noch viel abverlangen“, sagte sie schon im November. Wegen der anrollenden Impfkampagne aber machte sie auch Hoffnung. „Dann können wir Schritt für Schritt das Virus besiegen“, meinte Merkel im Dezember. War es eine trügerische Hoffnung?
Drosten: Kein Effekt der Impfungen bis Ostern möglich
Mittlerweile sind rund drei Prozent der Menschen in Deutschland geimpft. Und mittlerweile sollen fast alle Pflegeheimbewohner durch den Piks geschützt sein. Sämtliche über 80-Jährige sollen bis etwa Ende März drankommen. Der Berliner Virologe Christian Drosten wies im NDR-Podcast aber darauf hin, dass diese nicht die großen Virusverbreiter seien. „Es könnte deswegen dementsprechend so sein, dass wir von der Impfung bis Ostern noch keinerlei Effekt sehen“, so Drosten mit Blick auf die Virusverbreitung.
Nicht alles wird wieder so sein wie vor der Corona-Pandemie.
Bundeskanzlerin Angela Merkel
Die über 60-Jährigen werden nach Berechnungen im Auftrag der Regierung wohl erst bis Mitte/Ende Juni in weiteren Schritten geimpft – erst danach die Jüngeren ohne Vorerkrankungen und zentrale Berufe.
Mutanten verhindern Lockerungen
Was man noch nicht weiß: Wie stark sich die ansteckenderen Virusmutationen ausbreiten. Neue Zahlen des Robert-Koch-Instituts sollen diese Woche kommen. Die Virologin Melanie Brinkmann stellte im „Spiegel“ bereits fest: „Wir kriegen niemals genügend Menschen geimpft, bevor die Mutanten durchschlagen.“ Verstärkt zu lockern hieße: Eine massive Infektionswelle nach Ostern anschieben.
„Es hängt jetzt von uns und klugen Öffnungsschritten ab, ob wir ohne eine groß ausgeprägte dritte Welle durch die Pandemie kommen – oder ob wir zu unvorsichtig sind und dann doch vielleicht wieder steigende Fallzahlen haben“, mahnte Merkel Ende der Woche. Drostens Frankfurter Kollegin Sandra Ciesek meint im NDR-Podcast: „Wenn man jetzt lockern und dem Virus den freien Lauf lassen würde, würde es sicherlich zu einer dritten Welle kommen.“
Sachsen-Anhalt stimmt bereits auf Öffnungspläne ein
Gehen die Infektionszahlen in den kommenden Tagen überhaupt zurück wie erhofft? Laschet zeigt sich schon sicher: „Wir werden in Kürze auch die 35 erreichen.“ Ministerpräsidenten wie Michael Müller (SPD) aus Berlin oder Reiner Haseloff (CDU) aus Sachsen-Anhalt stimmen die Menschen hingegen schon auf Öffnungspläne beim nächsten Bund-Länder-Treffen am 3. März ein. Der Braunschweiger Immunologe Michael Meyer-Hermann hingegen meint, der 35er-Indizidenzwert werde mit den derzeitigen Einschränkungen womöglich gar nicht erreicht.
Selbsttests und „Impfangebot“ bis Ende des Sommers
Helfen soll nun, Infektionen früh zu erkennen – mit kostenlosen Schnelltests ab 1. März in kommunalen Testzentren, Apotheken oder Praxen. Und mit einem breiten Einsatz von Selbsttests für Laien.
So geht Deutschland Ostern und einer möglichen dritten Welle entgegen – und dann? Vergangenes Jahr erlebten viele nach dem Frühjahrslockdown unbeschwerte Sommermonate. Virologen fürchten in diesem Jahr aber Fluchtmutationen – Virusvarianten, die der Immunabwehr entgehen.
Bis Ende des Sommers, also 21. September, sollen alle in Deutschland laut Merkel „ein Impfangebot“ bekommen. Der Massenschutz könnte im Herbst volle Wirkung entfalten. Doch dass der Einsatz von Masken womöglich das ganze Jahr ratsam ist, brachte Drosten schon im September ins Gespräch.
Experten: Coronavirus wird weiter mutieren
Denn die Pandemie dürfte weitergehen – auch noch im kommenden Jahr. In den vielen Ländern, die sich kein entsprechendes Impftempo leisten können, könnten sich immer weitere Varianten bilden. Auch für Deutschland erwarten Experten weiter Mutanten, die Anpassungen von Impfstoffen und Schutzmaßnahmen nötig machen.
Die Mikrobiologin Sharon Peacock, die in Großbritannien für die Suche nach den Virusvarianten zuständig ist, meinte in einem BBC-Podcast, die britische Mutation ziehe wohl durch die ganze Welt und mutiere dabei womöglich weiter. Wenn das Virus seine Aggressivität verliert, müsse man sich zwar keine großen Sorgen mehr machen. Doch selbst in zehn Jahren werde man immer noch nach neuen Varianten suchen müssen.
Längst wird debattiert, ob die Menschen insgesamt weitermachen können und sollen wie vor Corona. Zum Beispiel was das Reisen oder das Einengen der Lebensräume virustragender Wildtiere anbetrifft. „Die Menschen reden über eine Rückkehr zur Normalität, aber ich bezweifle, dass das möglich sein wird“, sagte der emeritierte Yale-Professor Frank Snowden in der „Zeit“. Merkel meinte schon im August: „Nicht alles wird wieder so sein wie vor der Corona-Pandemie.“
RND/dpa