Gefahr Übergewicht: Die Deutschen werden immer dicker
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Die Ernährungsweise und das Bewegungsverhalten sind starke Einflussfaktoren für Übergewicht.
© Quelle: Armin Weigel/dpa/dpa-tmn
München/Berlin. Wer ist eigentlich dick? "Dick ist ein umgangssprachlicher Begriff, der nicht wirklich definiert ist", sagt Prof. Hans Hauner, Leiter des Else-Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin in München. Liegt der sogenannte Body-Mass-Index (BMI) jenseits der 30, spricht die Fachwelt von krankhafter Fettleibigkeit oder Adipositas, zwischen 25 und 29,5 liegt der Bereich der Übergewichtigkeit. Als ideal gilt in Europa ein Wert zwischen 18 und 24,9.
Doch immer weniger Menschen erreichen diesen - Deutschland ist zu dick. Nur noch 40 Prozent gelten hierzulande als normalgewichtig, erklärt Hauner - eine Minderheit. Und 20 Prozent werden sogar als adipös eingestuft.
Übergewicht gefährdet alle Organe im Körper
Bei der Neigung zu Übergewicht gibt es starke genetische Einflüsse.
Prof. Hans Hauner, Leiter des Else-Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin
Das Zuviel an Körperfett hat viele negative Auswirkungen: Eine Art Stresssituation für den Stoffwechsel, leicht chronische Entzündungen, erhöhter Blutdruck und eine stärkere Belastung der Gelenke an Füßen oder Knien sind die Folgen. "Es gibt fast kein Organ im Körper, was von der Adipositas nicht potentiell bedroht ist", so Hauner.
Ist Fettleibigkeit krankhaft oder angeboren? "Bei der Neigung zu Übergewicht gibt es starke genetische Einflüsse", sagt Hauner. "Genetische Krankheitsbilder, zum Teil mit Fresssucht, machen allerdings nur maximal fünf Prozent aller Adipositas-Fälle aus." Viel stärker wirken Lebensstil-Faktoren, die Ernährungsweise und das Bewegungsverhalten.
Werbung beeinflusst das Essverhalten
"An jeder Ecke gibt es heute drei Imbiss-Buden mit den verschiedensten Geschmacksrichtungen - so ist die Verführung auf dem Nachhauseweg natürlich groß", sagt Hauner. Heimtückisch ist auch das körpereigene Belohnungssystem: Wenn man bereits satt ist, aktiviert das nachgereichte Tiramisu Lustgefühle.
"Essen ist immer ein emotionaler Prozess, und Essen macht glücklich", so Hauner. Diese angeborenen Instinkte werden von Industrie und Werbung geschickt genutzt. Der kurzfristige Genuss schlägt langfristige gesundheitliche Bedenken.
Bei Übergewicht steigt das Diabetes-Risiko
Eine der Folgekrankheiten ist Diabetes: 40 Prozent der mindestens Übergewichtigen entwickeln die Zuckerkrankheit, erklärt Prof. Jens Aberle, Vorsitzender der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Ein steigender BMI geht immer mit einem erhöhten Diabetes-Risiko einher, das zeigten neueste Meta-Analysen.
Nach Aussage des Experten ist dieser Zusammenhang seit Jahren konstant. "Je länger man übergewichtig ist, desto früher besteht das Diabetes-Risiko, weil es länger Zeit hat, den Körper zu schädigen." Immer öfter taucht ein vergleichsweise hohes Diabetes-Risiko schon in jüngeren Jahren auf, also mit unter 40. Diabetes entsteht meist ganz unbemerkt. Erhöhte Zuckerwerte bewirken zunächst noch keine Symptome - Betroffene merken also nichts und ändern daher auch ihren Lebensstil nicht.
Prognose: 1,3 Millionen Kinder und Jugendliche mit Übergewicht
Schon im Kindesalter wird der Stoffwechsel geprägt, der Körper falsch programmiert für das ganze Leben.
Ernährungswissenschaftlerin Stefanie Gerlach
Die Probleme könnten sich in Zukunft noch verstärken. Zahlen der Deutschen Adipositas Gesellschaft (DAG) zeigen, dass es in zehn Jahren etwa 1,3 Millionen Kinder und Jugendliche mit therapiebedürftigem Übergewicht geben dürfte.
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Einen gesunden Body-Mass-Index erreichen immer weniger Menschen. Ein Anstieg ist dabei mitunter bei Jugendlichen zu beobachten.
© Quelle: Ralf Hirschberger/dpa-Zentralbil
Ernährungswissenschaftlerin Stefanie Gerlach von der DAG sieht für diese Generation ein schwerwiegendes Problem: "Schon im Kindesalter wird der Stoffwechsel geprägt, der Körper falsch programmiert für das ganze Leben." Auch der Geschmack werde in der Kindheit maßgeblich erlernt, was bei einer zuckerreichen Ernährung zukünftig das Verlangen auf noch Süßeres verstärkt.
RND/ dpa