Hebamme, Kinderarzt, Kreißsaal: In welche Klinik für die Geburt?
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/AL5INT4JXRFMXO3CPKMRDILOKE.jpeg)
Was ist von der Geburtsklinik zu erwarten? Eltern stoßen auf der Suche nach Informationen oft auf Schwierigkeiten.
© Quelle: Bodo Marks/dpa-tmn
Rund 780.000 werdende Mütter oder Elternpaare suchen pro Jahr nach der für sie passenden Klinik für die bevorstehende Geburt. Aber: Selbst mit hohem Rechercheaufwand sei es kaum möglich, Informationen zu den wichtigsten medizinischen Kriterien von Geburtskliniken zu erhalten, resümiert das Science Media Center (SMC) nach einer Analyse vorliegender Qualitätsdaten aller Kliniken für den Bereich Geburtshilfe in Deutschland.
Es sei deshalb davon auszugehen, dass auch Eltern bei der Informationsbeschaffung auf Schwierigkeiten stoßen. Das erschwere eine informierte Wahl der Klinik. Einen ersten Anstoß für mehr Transparenz im Kreißsaal will das SMC deshalb mit einem neuen Onlinetool für werdende Eltern geben – dem „Kreißsaal-Navi“.
Geburt im Krankenhaus: Was ist Eltern wichtig - und was braucht es?
Rund 98 Prozent der Kinder in Deutschland werden im Krankenhaus geboren. Fragt man Eltern, warum das so ist, geben sie an, dass sie sich im Notfall schnelle Hilfe und Sicherheit wünschen. Darüber hinaus zeigen Studien, dass Mütter großen Wert auf eine gute Betreuung unter der Geburt legen. Sie möchten möglichst kontinuierlich von einer Hebamme unterstützt werden. Sicherheit im Notfall und gute Betreuung im Regelfall: Das sind auch die Kriterien, die Ärztinnen und Ärzte an erster Stelle nennen, wenn man sie nach den wichtigsten Qualitätskriterien einer Geburtsklinik fragt.
Eltern sollten unbedingt danach fragen, welches Personal ständig im Haus ist, bevor sie sich für eine Klinik entscheiden.
Maike Manz, Hebamme
Eltern fragten in Geburtskliniken allerdings häufig nach zweitrangigen Dingen, sagt Maike Manz, Hebamme und leitende Oberärztin der Geburtshilfe am Klinikum Darmstadt. Zum Beispiel zur Ausstattung der Kreißsäle oder ob es Familienzimmer gebe. Das liege daran, so Manz, „dass Eltern verständlicherweise davon ausgehen, dass in einem Krankenhaus immer das nötige Personal vor Ort ist“. Das sei jedoch nicht der Fall. „Eltern sollten unbedingt danach fragen, welches Personal ständig im Haus ist, bevor sie sich für eine Klinik entscheiden“, rät sie.
Kinderärzte und Hebammen: Auf die Klinik kommt es an
Allen Geburtskliniken bundesweit wurde ein Fragenkatalog geschickt. 54 Prozent haben geantwortet. Außerdem wurden öffentlich zugängliche Daten analysiert. Es handle sich bei einem erheblichen Teil der Infos um Eigenangaben der Kliniken, erklärt das SMC. Man habe diese aber so gut wie möglich auf Plausibilität geprüft. Das Versorgungsniveau in der Geburtshilfe ist in den Bundesländern demnach höchst unterschiedlich:
- So gibt es in den ostdeutschen Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt nur wenige sogenannte „reine Geburtskliniken“. Der Anteil liegt dort zwischen 6,7 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern und 15,8 Prozent in Sachsen.
- In den alten Bundesländern liegt der Anteil häufig nahe 50 Prozent und darüber. Die reinen Geburtskliniken zeichnen sich dadurch aus, dass es für sie kaum gesetzliche Regelungen zur Anwesenheit von Personal gibt. Fachärzte sowie Hebammen müssen nicht rund um die Uhr vor Ort sein. Eine Kinderklinik ist nicht angeschlossen.
- Die ständige Anwesenheit von Kinderärzten in den Kliniken können Eltern nicht voraussetzen. Für die Länder mit guter Datenlage lassen sich erhebliche Unterschiede erkennen: So haben in Brandenburg nur 16 Prozent aller Geburtskliniken angegeben, dass sie nicht immer Kinderärzte vorhalten. In Rheinland-Pfalz sind es 51,7 Prozent.
- Zur Ausstattung der Kreißsäle mit Hebammen gibt es keinerlei öffentliche Informationen. Nur Berlin, Bremen und Rheinland-Pfalz haben dem SMC zufolge eine ausreichende Datenlage und spiegeln den Eindruck aus zahlreichen Telefonaten wider: Rund die Hälfte der Kliniken kann die Leitlinienempfehlungen von Fachgesellschaften einhalten. Die andere Hälfte nicht. Die Kliniken wünschen sich oft mehr Hebammen, können aber ihre freien Stellen nicht besetzen.
Erste Entscheidungshilfe: Kreißsaal-Navi
Wegen wenig Informationen und großen Unterschieden wurde deshalb nun vom SMC ein neues Onlinetool ins Leben gerufen, das werdende Eltern bei der Auswahl ihrer Geburtsklinik unterstützen will. Die Plattform „Kreißsaal-Navi“ listet dem angegebenen Wohnort entsprechend umliegende Krankenhäuser auf, die bestimmte Kriterien erfüllen. Die Datenbasis sind alle 649 Geburtskliniken Deutschlands.
Ausgangspunkt ist die Eingabe der Postleitzahl. Dann legt man fest, wie weit das Krankenhaus maximal entfernt sein soll. Anschließend fragt das Tool in wenigen Schritten sieben weitere Punkte ab. Gefragt wird zum Beispiel, ob es einem wichtig ist, dass rund um die Uhr eine Narkoseärztin oder ein Narkosearzt anwesend ist, die oder der eine schmerzlindernde PDA (Periduralanästhesie) machen könnte. Oder ob im selben Haus auch eine Kinderklinik ist.
Das Durchklicken dauert nur wenige Minuten. Danach listet die Plattform die Krankenhäuser, die die Ansprüche erfüllen, in einer übersichtlichen Tabelle auf. Sie kann eine erste Orientierung geben, auf deren Basis man sich genauer informiert. Meist bieten die Kliniken Infoveranstaltungen für werdende Eltern an, in denen sie ihr Angebot erläutern. Jedoch sind wegen der Pandemie Kreißsaalführungen momentan oft nicht möglich.
RND/sbu/dpa