Erkrankte Fußballprofis: Wie gefährlich ist Hodenkrebs?
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Die Diagnose bei Sébastien Haller sorgt beim BVB für Bestürzung.
© Quelle: IMAGO/Kirchner-Media
Sébastien Haller, neuer Stürmer bei Borussia Dortmund, ist an Hodenkrebs erkrankt. Zuvor waren bereits bei zwei weiteren Bundesliga-Profis Hodentumoren entdeckt worden. Wie häufig ist die Erkrankung, wie stehen die Heilungschancen und ist es normal, dass schon junge Männer betroffen sind?
Was ist Hodenkrebs?
Als Hodenkrebs bezeichnet man einen bösartigen Tumor des Hodens. Nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts (RKI) erkranken in Deutschland jedes Jahr etwa 4200 Männer neu an Hodenkrebs. Er hat damit einen Anteil von nur etwa 1,6 Prozent an allen Krebserkrankungen bei Männern und ist insgesamt eher selten. Bei jüngeren Männern sind Hodentumore jedoch die häufigste Tumorart.
Meist ist nur einer der beiden Hoden betroffen. Der Tumor wächst zunächst innerhalb des Hodensacks, kann aber auch in benachbartes Gewebe hineinwachsen. Bei einer fortschreitenden Erkrankung werden auch die Lymphknoten in der Umgebung befallen. Tumorzellen können dann über die Lymphgefäße und den Blutstrom in andere Organe gelangen und dort weitere Geschwülste (Metastasen) bilden. Besonders häufig bilden sich bei Hodenkrebs Metastasen in der Lunge. Unbehandelt würde eine Erkrankung daher tödlich verlaufen.
Wie sind die Heilungsaussichten bei Hodenkrebs?
Die Aussichten, Hodenkrebs dauerhaft zu überleben oder vollständig geheilt zu werden, sind im Vergleich zu vielen anderen Krebsarten sehr gut. Die Überlebensrate zehn Jahre nach der Diagnose liegt laut der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) bei etwa 95 Prozent. „Wenn es eine Krebserkrankung gibt, die man wirklich gut und in jedem Stadium heilen kann, dann ist das der Hodentumor“, sagt Onkologe Marcus Hentrich Anfang 2020 im RND-Interview. Er ist Chefarzt der inneren Medizin am Rotkreuzklinikum München. Er verweist auf eine Zahl des Robert Koch-Instituts aus dem Jahr 2015: „Da gab es 145 Sterbefälle bei über 4000 Neuerkrankungen. Es sterben also nur vergleichsweise wenige Patienten.“ Wird der Krebs erst sehr spät erkannt und hat bereits gestreut, können sich die Heilungschancen allerdings verschlechtern. Daher ist es wichtig, einen Verdacht auf Hodenkrebs sofort abklären zu lassen.
Ist es normal, dass schon so junge Männer an Hodenkrebs erkranken?
Die erkrankten Profifußballer sind noch sehr jung, zwischen 24 und 28 Jahre alt. Ist es normal, schon in diesem Alter an Krebs zu erkranken? Tatsächlich ist Hodenkrebs eine Erkrankung, die vor allem bei jüngeren Männern auftritt. 80 Prozent der Erkrankten sind laut der deutsche Krebsgesellschaft jünger als 50 Jahre. Das mittlere Erkrankungsalter liegt demnach bei 38 Jahren. „Bei den jüngeren Männern im Alter von 17 bis circa 37 Jahren ist es der am häufigsten vorkommende Tumor, der bei zehn von 100.000 Männern auftritt“, sagt Onkologe Marcus Hentrich.
Wie entsteht Hodenkrebs?
In den meisten Fällen entwickelt sich Hodenkrebs aus veränderten Spermatogonien, das sind Vorläuferzellen der Spermien, die Teil des Hodengewebes sind. Solange nur veränderte Spermatogonien vorliegen, aber noch kein Tumorwachstum zu beobachten ist, spricht man von einer „nicht invasiven Keimzellneoplasie (GCNIS)“, die als Vorstufe von Hodenkrebs gilt. In etwa 50 Prozent der Fälle entsteht aus solchem veränderten Keimzellgewebe innerhalb der nächsten fünf Jahre ein Tumor.
Was sind die Ursachen von Hodenkrebs?
Die genaue Ursache von Hodenkrebs ist weitgehend ungeklärt. Bekannt ist aber, dass eine Hodenfehllage Tumoren begünstigen kann: Männer, bei denen die Hoden nicht vollständig im Hodensack angelegt sind, sondern in der Leiste oder im Bauchraum, haben ein höheres Risiko, zu erkranken. Auch wenn enge Verwandte wie Bruder oder Vater bereits an Hodenkrebs erkrankt waren oder Unfruchtbarkeit diagnostiziert wurde, besteht ein größeres Risiko, selbst zu erkranken.
Oft lässt sich aber auch nicht wirklich erklären, warum jemand einen Hodentumor entwickelt. „Hodenkrebs ist letzten Endes eine Erkrankung, die in den allermeisten Fällen rein zufällig entsteht, ohne dass ein bekannter Risikofaktor vorliegen würde“, sagte Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinformationsdienstes des Deutschen Krebsforschungszentrums, gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Auch Fußballprofis seien keine besondere Risikogruppe: „Lebensstilfaktoren oder bestimmte Sportarten haben keinen Einfluss auf die Entstehung von Hodenkrebs“, so die Expertin.
Welche Anzeichen von Hodenkrebs gibt es?
Häufig lassen sich Knoten im Hoden bei einer Selbstuntersuchung ertasten. Dazu nimmt man den Hodensack in beide Hände und tastet ihn mit Daumen und Zeigefinger auf Schwellungen oder knotige Veränderungen ab. Die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) rät Männern zwischen 14 und 45 Jahren, einmal im Monat einen solche „Hodencheck“ vorzunehmen, und hat eine genauere Anleitung zur Selbstuntersuchung online gestellt.
Wer einen Verdacht hat, sollte nicht zu lange zu warten, sondern zügig zum Arzt gehen.
Marcus Hentrich,
Onkologe
Wenn sich ein Hoden vergrößert und anschwillt, kann das ebenfalls ein Hinweis auf Hodenkrebs sein. Die Schwellung kann durch den Tumor selbst oder durch eine Ansammlung von Flüssigkeit ausgelöst werden. Einige Betroffene empfinden auch ziehende Schmerzen im Hoden oder der Leistengegend oder der erkrankte Hoden kann sich schwerer anfühlen. Im fortgeschrittenen Stadium können sich die Lymphknoten im hinteren Bauchraum vergrößern, was in einigen Fällen Rückenschmerzen auslösen kann. Einige Hodentumoren produzieren Hormone, die bei Männern ein einseitiges oder beidseitiges Brustwachstum anregen können, auch das kann also ein Hinweis auf eine Erkrankung sein.
Wichtig ist, mögliche Symptome von Hodenkrebs frühzeitig von einem Arzt oder einer Ärztin abklären zu lassen. Manchmal würden junge Männer aus Scham auch dann keine medizinische Hilfe in Anspruch nehmen, wenn ein Hoden bereits deutlich vergrößert sei, sagt Onkologe Marcus Hentrich: „Wer einen Verdacht hat, sollte nicht zu lange zu warten, sondern zügig zum Arzt gehen.“
Wie wird die Hodenkrebsdiagnose gestellt?
Um die Diagnose zu stellen, wird der Arzt oder die Ärztin den Hoden per Ultraschall untersuchen und eine Blutuntersuchung auf sogenannte Tumormarker durchführen. Das sind Proteine, die bei Krebserkrankungen verstärkt im Blut zu finden sind. Sicher feststellen oder ausschließen lässt sich Hodenkrebs durch eine Gewebeentnahme aus dem Hoden (Biopsie), die auf veränderte Zellen untersucht wird. Mit einer Computertomographie (CT), einer speziellen Röntgenuntersuchung, lässt sich überprüfen, ob der Tumor bereits in andere Organe gestreut hat.
Worin besteht die Behandlung bei Hodenkrebs?
In der Regel muss der erkrankte Hoden entfernt werden. Dabei ist es möglich, durch ein Hodenimplantat wieder ein normales Aussehen der Hoden herzustellen. Die weitere Behandlung hängt davon ab, wie weit die Erkrankung fortgeschritten ist. „Wenn der Hodenkrebs in einem frühen Stadium entdeckt wird, braucht der junge Mann möglicherweise keine Chemotherapie. In fortgeschrittenem Stadium braucht er eine Chemotherapie mit unterschiedlich hoher Intensität. Auch dann sind die Heilungsraten aber immer noch sehr gut“, sagt Onkologe Marcus Hentrich.
Macht Hodenkrebs unfruchtbar?
Hodenkrebs und die Behandlung von Hodenkrebs können die Fruchtbarkeit eines Mannes beeinträchtigen. Wenn die Familienplanung noch nicht abgeschlossen ist, empfiehlt es sich daher, vor Beginn einer Therapie Samenzellen einzufrieren. Wenn das Sperma keine ausreichende Menge an Samenzellen enthält, können diese durch einen kleineren chirurgischen Eingriff auch direkt aus dem Hoden entnommen werden. Dann bestehen gute Chancen, sich auch trotz Krebserkrankung später noch den Kinderwunsch zu erfüllen.
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