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Expertin erklärt die Auswirkung auf Haut, Verdauung und Co.

Hormone: Wie die kleinen Botenstoffe unseren Körper steuern

Jeder Mensch produziert körpereigene Hormone, manchmal werden sie dem Körper allerdings auch zugeführt, zum Beispiel bei der Anti-Baby-Pille.

Jeder Mensch produziert körpereigene Hormone, manchmal werden sie dem Körper allerdings auch zugeführt, zum Beispiel bei der Anti-Baby-Pille.

Frau Flemmer, was genau sind Hormone?

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Hormone sind Botenstoffe unseres Körpers. Sie sind chemische Signalstoffe, kleine Eiweiße, die von ihren Bildungsorten ins Blut oder in die Zwischenzellflüssigkeiten abgegeben werden und bereits in sehr kleinen Mengen wirken. Auf ihrem Weg zu ihrem Zielort beziehungweise -organ legen sie Strecken bis zu 100.000 Kilometer zurück. Damit die Hormonwirkung an den Zielorganen ankommt, gibt es sogenannte Hormon-Rezeptor-Komplexe, ähnlich wie eine Tür, die nur mit dem passenden Schlüssel geöffnet werden kann.

Bekannt sind die Hormone übrigens erst seit 100 Jahren – der Begriff Hormon stammt von Ernest Starling aus dem Jahr 1905, abgeleitet vom griechischen Wort „hormao“, was antreiben oder anregen bedeutet.

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Hormone sind essenziell für unseren Organismus. Warum?

Ohne sie geht nichts. Sie koordinieren alle Körperfunktionen, unsere Entwicklung sowie unser Wachstum. Sie sind die Nachrichtenübermittler zwischen den Organen und einzelnen Körperzellen und sorgen dafür, dass alle biologischen Prozesse im menschlichen Körper richtig ablaufen.

Wo im Körper werden Hormone gebildet?

Sie kommen aus der Bauchspeicheldrüse, der Hirnanhangsdrüse, der Schilddrüse, dem Thymus, der Zirbeldrüse, den Nieren und Nebennieren, aber auch aus den Eierstöcken und Hoden.

Neuste wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass auch die Haut Hormone bildet. Werden diese dann nicht durch Hautcremes oder Seren beeinflusst?

Zum einen hoffentlich ja. Denken Sie nur an Akne. Ein Arzt kann eine entsprechende Creme verordnen, die auf die Hormonbildung der Haut Einfluss nimmt. Aber welche Cremes und Seren auf die Hormone wirken, ist nicht in allen Details bekannt. Die Substanzen, die wirken, sollten Ärzten vorbehalten sein.

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Dr. Andrea Flemmer ist Diplom-Biologin und Ernährungswissenschaftlerin. Über 40 Bücher hat sie zu den Themen Gesundheit, alternative Heilverfahren, natürliche Behandlungsmethoden und Ernährung geschrieben. Ihr Buch: „Die faszinierende Welt der Hormone. Wie winzige Botenstoffe unseren Körper steuern und was wir für unsere Hormonbalance tun können – Selbsthilfe mit Pflanzenheilkunde“ ist im Goldegg-Verlag erschienen (22 Euro).

Dr. Andrea Flemmer ist Diplom-Biologin und Ernährungswissenschaftlerin. Über 40 Bücher hat sie zu den Themen Gesundheit, alternative Heilverfahren, natürliche Behandlungsmethoden und Ernährung geschrieben. Ihr Buch: „Die faszinierende Welt der Hormone. Wie winzige Botenstoffe unseren Körper steuern und was wir für unsere Hormonbalance tun können – Selbsthilfe mit Pflanzenheilkunde“ ist im Goldegg-Verlag erschienen (22 Euro).

Testosteron, Adrenalin, Melatonin – von diesen Hormonen haben wohl die meisten schon einmal gehört. Welche gibt es noch und welche beeinflussen uns am meisten?

100 verschiedene Hormone sind derzeit bekannt, es werden aber knapp 1000 vermutet. Wie gesagt: Jedes Hormon hat eine wichtige Aufgabe für den Körper. Eins, dessen Wirkung wir sehr schnell spüren können, ist beispielsweise Adrenalin. Geraten wir in Stress- oder Angstsituationen, gibt das Nebennierenmark es vermehrt ins Blut ab. Adrenalin mobilisiert dann im Körper unter anderem alle Energiereserven: Der Herzschlag wird schneller, der Blutdruck steigt und fördert so mehr Blut in die Muskeln der Bewegungsapparate und in die Lunge mit dem Ziel, besser flüchten oder kämpfen zu können.

Aber unsere Gesellschaft scheint dauerhaft Stress zu haben …

… und genau das ist schädlich. Denn steht man ständig unter Strom, bleibt der Adrenalinpegel im Blut dauerhaft hoch. Folgen können dann etwa Bluthochdruck sein, Herzrasen, innere Unruhe. Das kann sogar zum Herzstillstand führen.

Hormone reagieren sehr sensibel miteinander. Kommt es zu einer Störung, gerät die Balance schnell auseinander. Wie kann das passieren?

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Das ganze Hormonsystem ist derart kompliziert, Hormone beeinflussen sich auch gegenseitig, regen zum Beispiel zur Förderung eines anderen Hormons an, was wiederum den Körper beeinflusst. In diesem Prozess können Fehler passieren. Stress, Schlafmangel, ungünstige Ernährung und vieles mehr kann die Balance störend beeinflussen.

Und wie reagiert der Körper auf den unausgeglichenen Hormonhaushalt?

Ein gutes Beispiel für einen unausgeglichenen Hormonhaushalt ist Diabetes. Das Hormon Insulin kann die Massen an Zucker aus der Nahrung nicht mehr bewältigen. Am meisten beeindruckt hat mich bei meiner Buchrecherche jedoch die Krankheit Akromegalie – der Riesenwuchs. Wenn Sie James-Bond-Fan sind, erinnern Sie sich vielleicht an den „Beißer“. Der Riesenmensch mit Riesenhänden und -füßen, entarteten Kiefern etc. war das Opfer von einer krankhaften Bildung von Wachstumshormonen. Plötzlich wächst man wieder, aber so langsam, dass es niemand bemerkt. Einfach furchtbar.

Merke ich schnell, dass etwas mit meinen Hormonen nicht stimmt?

Nein, in der Regel nicht. Wie beim „Beißer“ – das hat sicherlich Monate gedauert, bis er darauf angesprochen wurde.

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Ein anderes Beispiel: Heutzutage beobachtet man, dass viele Jungen bereits mit zwölf Jahren in den Stimmbruch kommen und bei Mädchen schon im Grundschulalter die erste Periode eintritt. Das ist im Durchschnitt 3,5 Jahre früher als noch vor hundert Jahren. Würden Sie mit Ihrem Nachwuchs deshalb zum Arzt gehen?

Nein, vermutlich nicht.

Eben. Man vermutet, dass unser hoher Lebensstandard dazu beiträgt, dass die Pubertät bei Jungen und Mädchen immer früher einsetzt. Studien aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts belegen, dass Mädchen aus sozial schwachen Familien später ihre erste Regelblutung bekamen als Mädchen aus wohlhabenden Schichten. Die Ursache könnte zum Beispiel an der Ernährung liegen, denn die reicheren Mädchen waren auch damals besser ernährt. Sie hatten ein höheres Körpergewicht und wurden so früher reif. Untersuchungen aus den USA sehen als Grund für die frühere Pupertätsentwicklung Übergewicht an. Das sieht auch der Biochemiker Josef Köhrle, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie, als Hauptursache an – auch bei uns.

Arbeiten Hormone über den Tag und die Nacht hinweg gleich lang?

Das kommt auf das Hormon an – Melathonin beispielsweise wirkt nachts. Ghrelin, wenn man schon länger nichts mehr gegessen hat. Die Hormone befinden sich nicht ständig in derselben Menge im Körper, sondern werden zu bestimmten Uhrzeiten oder zu bestimmten Situationen ins Blut abgegeben. Einige von ihnen unterliegen über den Tag verteilt einem sehr klaren Rhythmus. Man kann ihn bei allen Menschen beobachten und messen. Tatsächlich ist der zentrale Taktgeber dafür unsere innere Uhr. Dieser Zeitgeber sitzt im Gehirn und wird durch das Tageslicht eingestellt. Es gibt auch einen speziellen wissenschaftlichen Namen für diesen nur reiskorngroßen Gehirnbereich oberhalb des Sehnervs: Nucleus suprachiasmaticus (NSC).

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Sind die Hormone durcheinandergeraten, kann nur noch der Besuch bei einem Arzt, am besten beim Hormonspezialisten, dem Endokrinologen, Gewissheit bringen?

Ja, wenn man Glück hat, findet er die Ursache der Beschwerden. Oft hat man aber eine ganze Odyssey hinter sich, wenn man die genaue Störung finden will. Mein Buch kann helfen, den richtigen Ansatzpunkt zu finden. Damit kann man auch den Arzt unterstützen.

Nach meiner Buchrecherche glaube ich allerdings nicht mehr, dass es den absolut gesunden Menschen gibt.

Auf eine rasche Wirkung dank Medikamenten können Patienten und Patientinnen nicht hoffen, oder? Der Hormonhaushalt scheint sich nur schwer in den Griff bekommen zu lassen?

Absolut richtig! Ich denke, man kann heute bei Akne besser helfen als noch vor 30 Jahren. Auch die hormonelle Empfängnisverhütung ist ein absoluter Gewinn für den Planeten. Doch für andere Krankheiten braucht es oft Zeit.

Abseits der Pharmazie: Wie kann man seinen Hormonhaushalt aktiv und positiv beeinflussen?

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Ich kann es schon nicht mehr hören, aber Sport und eine fleischarme Ernährung helfen am besten, gesund zu bleiben.

Warum können Pflanzen eine hilfreiche Unterstützung sein?

Einige bilden von Natur aus hormonähnliche Substanzen, mit denen sie sich unter anderem verteidigen. Diese Stoffe docken dann an die entsprechenden Rezeptoren für körpereigene Botenstoffe in unserem Körper an. Auf diese Art und Weise können sie den Hormonhaushalt von Mensch und Tier beeinflussen.

Isoflavone zum Beispiel ähneln dem Hormon Östrogen und können den Hormonhaushalt von Fressfeinden beeinflussen. Die Pflanzen profitieren langfristig von dieser hormonellen Wirkung, wenn zum Beispiel Schafe das hormonaktivierende Grün in großen Mengen fressen, bekommen sie weniger Nachkommen. Dagegen wirken sie in unserem Körper hormonell nur schwach.

Aber: Wechseljahresbeschwerden kann man mit Pflanzen und ihren Hormonen möglicherweise bessern. Man sehe sich den asiatischen Speiseplan an: Soja, Miso und Tofu werden dort häufig gegessen. Sie sind reich an phytoöstrogenen Substanzen. Das soll sich positiv auf den Hormonhaushalt auswirken und die unangenehmen Beschwerden der Wechseljahre reduzieren. Einen Versuch ist es also wert, den Speiseplan zu ändern und abzuwarten, ob das hilft.

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